Eichstätt
Die Meisterin des Scherenschnitts

Benediktinerin Dorothea Brockmann beherrschte eine einzigartige Kunst – Todestag jährt sich zum 40. Mal

22.02.2023 | Stand 17.09.2023, 2:30 Uhr

Im Atelier entstanden die Scherenschnitte von Schwester Dorothea Brockmann.

Von Maria Magdalena Zunker

Vor 40 Jahren, am 16. Februar 1983, starb die St. Walburger Künstlerin Schwester Maria Dorothea Brockmann. Sie ist in Eichstätt und weit über die Bischofsstadt hinaus vor allem wegen der von ihr geschaffenen meisterhaften Scherenschnitte nach wie vor unvergessen.

Schwester Dorothea Brockmann wurde am 12. Juli 1899 als Tochter eines Kaufmanns in Holzminden an der Weser geboren. Früh zeigte sich Dorotheas künstlerische Begabung. Bereits als Dreizehnjährige soll sie sich in der Kunst des Scherenschneidens versucht haben. In den Jahren 1917 bis 1921 besuchte sie staatliche Kunstgewerbeschulen in Nürnberg und in München. Richtungsweisend für ihr späteres Leben wurde die Freundschaft mit der nur ein Jahr älteren Bessie Drey, die sie auf der Kunstgewerbeschule in München kennenlernte. Die aus jüdischem Elternhaus stammende Bessy war, als die beiden sich kennenlernten, bereits katholisch getauft. Auf die Initiative Dreys hin gründeten sie kurz nach Abschluss ihrer Ausbildung in München einen kunstgewerblichen Betrieb. Hier fertigten die beiden jungen Unternehmerinnen zahlreiche gebrauchsgraphische Entwürfe an. Ein zusätzliches Einkommen sicherte Bessie Drey, die Kunstgeschichtskurse anbot. Seit dem Jahre 1926 lebten die beiden Freundinnen, um ungestörter künstlerisch arbeiten zu können, in Schwarzenberg im Bregenzer Wald. Dorothea betätigte sich hier vor allem als Illustratorin von Kinderbüchern, für die ihre Freundin die Texte verfasste. In diese Zeit fällt die Konversion der evangelisch getauften Dorothea. Ermutigt durch die von ihrer Freundin Bessie vorgelebte Glaubenspraxis ließ auch sie sich in die katholische Kirche aufnehmen.

Mehr und mehr wandte sich Dorothea in ihrem künstlerischen Schaffen auch religiösen Themen zu. So schuf sie Illustrationen für religiöse Kinderzeitschriften. Im Jahre 1927 begann, wiederum initiiert von Bessy Drey, die Mitarbeit an den von der Abtei St. Walburg in Eichstätt herausgegebenen sog. Walburgisblättern. Die Freundinnen entschlossen sich schließlich beide zum Eintritt in die Eichstätter Benediktinerinnenabtei. Gemeinsam wurden sie im Jahre 1931 eingekleidet, legten 1932 die einfachen und 1936 die ewigen Gelübde ab. Sehr schmerzlich war es für Sr. Dorothea, als sie schon bald von ihrer Freundin, jetzt Sr. Immanuel Drey, Abschied nehmen musste. Noch im Jahre 1939, im letzten Augenblick, gelang es Äbtissin Benedicta von Spiegel, die wegen ihrer jüdischen Abstammung verfolgte Mitschwester in der Neugründung Minster Abbey, England, in Sicherheit zu bringen.

Der Eintritt ins Kloster bedeutete keine Beeinträchtigung des künstlerischen Schaffens von Sr. Dorothea. Äbtissin Benedicta, selbst hochbegabt, förderte neidlos die Begabung der jungen Schwester durch entsprechende Arbeitsaufträge. In den kommenden Jahrzehnten konnte sich die Vielseitigkeit der Künstlerin auch in der Abgeschiedenheit der Klausur voll entfalten. Sie schuf Buchmalereien, Altargemälde, Kreuzwegbilder in Freskomalerei, kalligraphisch gestaltete Pergamentbildchen, Miniaturen, Scherenschnitte, Silbertreibarbeiten, Heiligen- und Votivbilder.

Eine wahre Meisterin war Sr. Dorothea in der Kunst des Scherenschnitts. Über 6000 Scherenschnitte mit den verschiedensten Motiven entstammen ihrer Hand. In der Motivwahl kam ihre Liebe zur Natur, vor allem zur Vogelwelt voll zum Ausdruck. Nicht nur im Klostergarten betrachtete sie die Vögel, sondern auch in ihrem Atelier. Dort standen mehrere Volieren, deren zahlreiche Insassen sie liebevoll bemutterte und die sie auch frei umherfliegen ließ. Als St. Walburger Vogelschwester war sie in ganz Eichstätt und Umgebung bekannt. Über ihre künstlerische Tätigkeit hinaus war Sr. Dorothea vor allem Benediktinerin. Sie liebte die Gemeinschaft der Mitschwestern, die sie in Rekreationen und Ferienaufenthalten mit ihrer durch Mimik und Gestik belebten Erzählkunst erheiterte. Mit ihrer Fähigkeit zu treuer Freundschaft und selbstlosen Kontaktfreudigkeit wirkte sie über die Klostermauern hinaus. Ihr Charme und ihr Humor leben weiter in ihren Kunstwerken, vor allem ihren Scherenschnitten, nach denen auch heute noch an der Pforte und im Klosterladen immer wieder gefragt wird.

EK