Ingolstadt
Warten aufs Spenderorgan

Maximilian Gabriel muss dreimal die Woche zur Dialyse – Regionalgruppe Niere besteht seit 40 Jahren

05.11.2022 | Stand 22.09.2023, 3:44 Uhr

Maximilian Gabriel muss dreimal die Woche ins Dialysezentrum nach Etting (Foto oben). Er wartet auf eine neue Niere. Beim 40-Jahr-Jubiläum der Regionalgruppe Ingolstadt des Landesverbandes Niere zeichnete stellvertretender Vorsitzender Franz Krieglmeier für 40-jährige Mitgliedschaft Rosi Thurner, Helga Woitas und Johanna Fischer (von links) aus. Fotos: Stückle/privat

Von Ruth Stückle

Ingolstadt – Wenn der lang ersehnte Anruf kommt, hat Maximilian Gabriel gerade mal zwei Stunden Zeit. Zwei Stunden für die Fahrt von seinem Wohnort in Straß, einem Burgheimer Ortsteil im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen, in die Uniklinik nach Augsburg. Viel Zeit zum Nachdenken bleibt da nicht. Die Tasche mit den Utensilien, die der 72-Jährige fürs Krankenhaus braucht, steht fertig gepackt im Haus. Gabriel wartet seit fünf Jahren auf eine neue Niere. Wie etwa 9200 weitere Menschen in Deutschland ist er für eine Organtransplantation vorgemerkt. 2021 standen 8448 Patienten auf der Warteliste, allein 6600 davon benötigen wie der Rentner aus Straß eine neue Niere.

Was die Ursache ist, dass die Nieren des Mannes nicht so arbeiten, wie sie sollen, darüber kann er nur spekulieren. Maximilian Gabriel arbeitete bei einem Mineralwollehersteller in Neuburg. Bei einer Betriebsuntersuchung musste er eine Urinprobe abgeben. Der Wert zeigte an, dass etwas nicht stimmte. Er ging zum Hausarzt, dann zum Facharzt. Seine Nierenleistung lag nur bei 60 Prozent. Die ersten vier Jahre kam Maximilian Gabriel ohne Dialyse aus. Seit gut acht Jahren muss er dreimal die Woche zur Dialyse, wo sein Blut maschinell gewaschen wird. Vier Stunden und zehn Minuten dauert die Prozedur jedes Mal.

Gabriel ist einer von rund 80 Menschen, die in der Regionalgruppe des Landesverbandes Niere Bayern organisiert sind. Der Bundesverband ist die Selbsthilfeorganisation der Dialysepatienten und Nierentransplantierten Deutschlands. Die Vereinigung wurde 1975 gegründet. 1981 wurde die Regionalgruppe Ingolstadt und Umgebung ins Leben gerufen. Mit einjähriger coronabedingter Verspätung feierte die Gruppe kürzlich beim Schlosswirt in Etting 40-jähriges Bestehen.

Der Name der Regionalgruppe ist verbunden mit dem Namen Helga Woitas. Ihr Mann hatte die Gruppe zusammen mit Erich Bergdolt gegründet. Nachdem Woitas 1997 starb, leitete seine Frau Helga die Gruppe. Bei der Jubiläumsfeier wurde sie für ihr „außergewöhnliches, persönliches und ehrenamtliches Engagement“ mit der goldenen Ehrennadel ausgezeichnet. Die Ehrung nahm Helmut Bruhnke als Vertreter des Bundesverbandes Niere vor. Auch Franz Novy, Vorsitzender des Landesverbandes Niere, dankte ihr für die über 25 Jahre lange Leitung der Regionalgruppe. Zur Feier kamen auch zwei Dialyseschwestern der ersten Stunde: Walburga Winhard und Hedwig Kaltenbacher.

Die Dialyse hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert, so Manfred Aigner, Facharzt für Innere Medizin, Nephrologe und Ärztlicher Leiter des zur Nephrocare-Gruppe gehörenden Dialysezentrums Ingolstadt-Etting. Insbesondere bei der Verträglichkeit. „Heute geht’s den Leuten dabei gut“, sagt Aigner. Auch die Fahrt in den Urlaub ist für Dialysepatienten möglich. Man muss sich dazu rechtzeitig in einem nahen Dialysezentrum anmelden und die Kostenübernahme vorab mit der Krankenkasse klären. Aigner: „In den EU-Ländern funktioniert das gut.“

Trotz verbesserter Dialyse: Nach einer Nierentransplantation sei der Allgemeinzustand der Betroffenen noch mal besser. „Man ist auch viel unabhängiger“, sagt Helga Woitas, deren Mann zweimal transplantiert wurde. Als er 1966 in der Münchener Uniklinik seine erste Niere bekam, war er der dritte Nierentransplantierte in Deutschland, erzählt Helga Woitas.

Die Deutsche Stiftung für Organtransplantation (DSO) zählte 2021 deutschlandweit 933 postmortale Organspenden. Es wurden 1492 Nieren von postmortalen Spendern und 475 von Lebendspendern transplantiert. Im Dialysezentrum der Nephrocare Ingolstadt GmbH in Etting sind laut Aigner von 73 Dialysepatienten 21 zur Transplantation angemeldet. Maximilian Gabriel ist einer davon. Hat er Angst vor der Transplantation? „Davor nicht“, sagt der 72-Jährige. „Aber davor, was danach kommen könnte.“ Denn der Körper muss das neue Organ erst mal annehmen. Aigner nennt dazu Zahlen: Nach einem Jahr funktionieren noch 95 Prozent der transplantierten Nieren. Nach fünf Jahren sind es 86 Prozent bei Lebendspenden, 75 Prozent nach postmortaler Nierenspende. „Bei den Patienten, die wir überblicken, haben wir aber bessere Erfahrungen gemacht“, betont der Arzt.

Im Februar bekam Gabriel die Nachricht, dass es für ihn ein Spenderorgan gebe. Doch er konnte nicht transplantiert werden. Gabriel hatte Corona. Jetzt ist er umso vorsichtiger – zumal seine Frau in einem Pflegeheim arbeitet. Nicht, dass er noch einmal absagen muss, wenn der erlösende Anruf kommt.

DK