27. Januar
Ingolstädter Schüler gedenken Opfer des Nationalsozialismus

27.01.2023 | Stand 17.09.2023, 4:28 Uhr

Auf einem Tisch vor dem Musiksaal des Apian-Gymnasiums konnte jeder Besucher einen „Stein des Erinnerns“ zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus niederlegen. Das gesamte Projektteam freute sich über den gelungenen Gedenktag. Foto: Hammer

Vor mittlerweile 90 Jahren begann eine Epoche, die die deutsche Geschichte bis heute nachhaltig prägt: Die Machtergreifung Adolf Hitlers. Von 1933 bis zum Ende des Dritten Reichs im Jahre 1945 verübten die Nationalsozialisten zahllose Verbrechen. Verbrechen, deren Grausamkeit sprachlos macht.

Seit 1998 ist es eine alljährliche Ingolstädter Tradition, den Opfern des Nazi-Regimes ein würdiges Gedenken zu erweisen. Wie zuletzt 2019, vor der Corona-Pandemie, widmete die Stadt auch heuer in Zusammenarbeit mit einer Schule diesem Anlass eine gemeinsame Veranstaltung.

In diesem Jahr übernahm das Apian-Gymnasium die Konzeption und Durchführung des Gedenktags am Freitag. Die Schülerinnen und Schüler des P-Seminars „Organisation des Gedenktags für die Opfer des Nationalsozialismus 2023“ befassten sich intensiv mit dem Leben von Betroffenen, die diese Zeit nicht überlebt haben oder schwer an Körper und Seele geschädigt wurden. Menschen, die aus der Region stammten, hier gelebt haben oder nach Ingolstadt verschleppt wurden.

Zu Beginn des Festakts erzählte Schulleiter Alfred Stockmeier eine Begebenheit, die er kürzlich erlebte. Ein Bekannter fragte ihn, ob es denn tatsächlich nötig sei, immer wieder über die NS-Verbrechen zu reden. „Ja, es ist nötig“, meinte Stockmeier. „Es geht hier nicht darum, sich zu schämen oder sich zu entschuldigen.

Es geht darum, eine Wiederholung dieser Ereignisse zu vermeiden.“ Inzwischen gebe es wieder bedenkliche Entwicklungen, denen es die Stirn zu bieten gelte, sagte er. Sich mit der Vergangenheit zu befassen, sei gleichbleibend notwendig und sinnvoll. Stockmeier dankte in seinem Grußwort insbesondere Sandra Steinbach, Fachschaftsleiterin für Geschichte, und den Schülern ihres P-Seminars, deren großes Engagement diesen würdigen Gedenktag erst möglich machte. Ein Dank ging auch an Janina Rummel, Lutz Tietmann und Agnes Krumwiede, die dem Projekt inhaltlich beratend zur Seite standen.

Bürgermeisterin Dorothea Deneke-Stoll, in Vertretung für Oberbürgermeister Christian Scharpf erschienen, sprach von einem Zeichen der Erinnerung an bedrückende Schicksale. „Die Gräueltaten dürfen nicht in Vergessenheit geraten“, sagte Deneke-Stoll.

„Es ist wichtig, nun wieder in Gemeinschaft an die Opfer erinnern zu können.“ Die Bürgermeisterin betonte, dass nicht nur die damaligen Opfer von den Verbrechen betroffen waren, sondern oft auch die Familien und die nachfolgenden Generationen darunter leiden. „Gerade jetzt, in einer Zeit, in der wir wieder Krieg, Gewalt und Antisemitismus erleben müssen, gilt es, junge Menschen zu sensibilisieren“, mahnte sie.

Musikalisch begleitet vom Musikensemble des Apian-Gymnasiums trugen die Schülerinnen und Schüler – als Schatten hinter einer Leinwand im abgedunkelten Saal – Texte vor, die das Schicksal von vier Opfern, die in Verbindung mit Ingolstadt standen, beleuchten. Stellvertretend für all jene, denen im Dritten Reich Leid widerfahren ist. Eine Schülerin las einen Bericht von Alexei Nestorenko über dessen Erlebnisse als Zwangsarbeiter in Ingolstadt vor.

Nestorenko musste von früh bis spät arbeiten, Kontakt nach Hause war verboten. Für angeblichen Ungehorsam kam er in ein Konzentrationslager, aus dem er 1945 von den Sowjets befreit wurde. Auch das Schicksal Jakob Schneebergers wurde beleuchtet. Der junge Mann aus Kasing litt seit seiner Kindheit an Epilepsie, sein Vater war mit der alleinigen Erziehung überfordert.

Mit 18 Jahren kam er wegen Diebstahl von Nahrungsmitteln in die Psychiatrie, wo er fortan neun Jahre lang leben sollte. Letztendlich wurde Schneeberger im Zuge der NS-Euthanasie in die Tötungsanstalt Hartheim verlegt und dort in der Gaskammer ermordet. Nach jeder Erzählung erschien auf der Leinwand ein Stein – symbolisch niedergelegt für all jene, die durch das NS-Regime verfolgt wurden.

Im Anschluss an die Gedenkveranstaltung hatten die Besucher die Gelegenheit, auch selbst einen kleinen „Stein des Erinnerns“, der auf jedem Stuhl bereitgelegt war, vor dem Musiksaal niederzulegen.