Ingolstadt
Schatzsucher im Stadttheater

Kostümverkauf im Foyer: Für wenig Geld gehen Träume in Erfüllung, Erinnerungen werden wach

18.07.2022 | Stand 22.09.2023, 21:08 Uhr

Cooler Auftritt: Aber Sascha Römisch bekam das von Sebastian Kremko getragene Transgender-Outfit bei der Versteigerung nicht an den Mann. Fotos: Konze

Von Oliver Konze

Ingolstadt – „Dass die Schauspielerinnen immer so schlank sein müssen. Das passt mir nie.“ Die Sorgen hatten am Samstag beim Kostümverkauf des Stadttheaters hörbar nur zwei Besucherinnen. Sie zogen dann auch ohne neues Kostüm heimwärts. Aber das Angebot war riesig, rund 500 Kostüme hingen auf den Kleiderständern im unteren Foyer. Zu Preisen zwischen 5 und 25 Euro. Deshalb wurden fast alle fündig – für sich, für die Kinder, für die Laienschauspieltruppe. Oder einfach, weil es so schön ist. Die Verwendung, wann man in die bunte Theaterwelt eintaucht, ergibt sich.

Um 11 Uhr stürmen die wartenden Menschen – überwiegend Frauen – ins Foyer. Es gilt, das beste Stück zu finden und zu bekommen. Auf vielen Ständern hängen viele Kleider aus vielen Stücken. Schauspielerinnen und Schauspieler haben den Blick. Francesca Pane aus Ingolstadt, die für „Der Schleier der Zeit“, ihr Theaterprojekt im September, noch Kostüme sucht. „Das ist für den Bürgermeister“, sagt sie, schlüpft in ein Kleid und freut sich: „Das passt mir.“ Ihre Schauspiel-Kollegin Ute Lottes hilft ihr, einen Berg von Kostümen zu beurteilen oder überzuziehen. „Mei, sind wir schön.“

Christine und Evi aus Wettstetten stehen an den drei Kostümen, die später versteigert werden. „Das wäre was für uns. Aber leider sind wir dann nicht mehr da.“ Versteigert werden übrigens nur zwei Kleider. Der Traum aus luxusartigem Effektstoff in leuchtendem Türkis bringt auch Schauspieler Sascha Römisch nicht an den Mann oder die Frau. Also zurück in den Fundus. Dafür gehen das zweiteilige Stäbchen-Mieder-Kostüm, das Renate Knollmann trägt, und ein in Handarbeit genähtes Teil für das nie aufgeführte Stück Amsterdam, in dem sich Theresa Weihmayr zeigt, für je 30 Euro weg.

Marieluise Fehringer aus Ingolstadt ist mit Tochter Philomena gekommen. Beide suchen sich ein Kleid aus. Wofür? „Wir werden einen Anlass finden.“ Wenn es nicht passt? „Dan mache ich es kürzer, oder die Oma.“

Nach einer Stunde ist geschätzt die Hälfte verkauft. Das Freilichttheater in Schiltberg nimmt „30, vielleicht auch 35 Kostüme“ mit. Hildegard Reiner, die Kostümverantwortliche, erklärt: „Wir führen nächstes Jahr Romeo und Julia auf. Wir haben rund 80 Schauspieler, da brauchen wir noch einige Kostüme.“ Magdalena Kriss aus Schrobenhausen ist auch fündig geworden. Als Lebkuchenmann aus Max und Moritz hopst sie durchs Foyer – auf der Suche nach einem Spiegel. Die Musikerin, die auch Musiktheater für Kinder anbietet, nimmt auch das außergewöhnliche Kostüm mit. „Für ein Fotoshooting oder auch für ein Musikvideo.“

Maxi Grabmaier, wer kennt sich nicht, will ihr Fundstück am 25. September beim Fensterkonzert im Kap 94 anziehen. Tobias Retzer (Ingolstadt) zieht seine neuen Kleidungsstücke in der Freizeit an („Zum Beispiel beim Taktraumfestival“), sie dienen ihm als Inspiration. Für Adrian Retzer aus Ingolstadt sind Kostüme „eine große Leidenschaft“. Er schneidert sie um, zieht sie auch an.

Iris Braun (Ingolstadt) strahlt: „Ich brauche mal wieder was Fröhliches – für die nächste Gartenparty. Da gehe ich als Margeritenfee, den Petticoat ziehe ich über das Brautkleid meiner Mutter.“ Roxana und Benjamin aus Ingolstadt haben einiges auf dem Arm. Kleid, Hose, Bluse, Hut. Ein „Ich weiß nicht, was das ist“ ist auch dabei. Benjamin: „Erst kaufen, dann überlegen.“

Martina Janzen, Gewandmeisterin im Stadttheater, sieht den Abverkauf mit einem lachenden und einem weinenden Auge. „Mit jedem hier gefertigten und getragen Teil sind Geschichten verbunden.“ Das stimme sie traurig. Aber: „Platz für Neues ist wichtig.“

DK