Oktoberfest-Premiere
Nach 20 Jahren auf der Wiesn ist der Vohburger Stiftl erstmals Wirt eines großen Zelts

19.09.2022 | Stand 22.09.2023, 5:33 Uhr

Der Regen tut der guten Stimmung keinen Abbruch: Diese Mandelverkäuferinnen beobachten den Trachten- und Schützenzug zum Oktoberfest, der über das Festgelände zieht, eben hinter einer Plane. Foto: Hildenbrand, dpa

Von Bernhard

Es ist seine Premiere im Schützenlisl-Zelt auf der Oidn Wiesn: der Vohburger (Landkreis Pfaffenhofen) Lorenz Stiftl ist seit zwei Jahrzehnten am Oktoberfest vertreten, nun hat er ein großes Zelt auf dem Oktoberfest.



Altrosa hat Monika Gruber als Farbe für ihr nagelneues Dirndl gewählt, das sie sich eigens für ihren Anstich im Schützenlisl-Zelt gekauft hat. Also von den Farbtönen her eher etwas Zarteres, wie die bekannte bayerische Kabarettistin erzählt, um von sich aus gleich die Begründung zu liefern: „Krachad bin i selber.“ So viel Selbsterkenntnis ist selten, vor allem an einem Samstagvormittag kurz vor der Oktoberfest-Eröffnung, und da will man natürlich nicht widersprechen. Zumal die Namensgeberin für ein toskanisches Olivenöl gleich darauf mit einem Mordstrumm Schlegel auf der Bühne stehen wird, um den ersten Banzen anzuzapfen – Bier natürlich, damit hier kein Missverständnis aufkommt, aber bestimmt genauso nativ extra.

Angezapft mit zwei Schlägen

Zwei Schläge werde sie benötigen, kündigt sie an – und sollte recht behalten, womit sie so manchen Lokalpolitiker übertrifft. Allerdings hatte Monika Gruber vorab zwei komplette Trainingseinheiten bei der Augustiner-Brauerei absolviert: „Zuerst leere Fässer, dann mit Wasser gefüllte und schließlich mit Bier.“ In NRW nennt man das den zweiten Bildungsweg, und falls die 51-Jährige tatsächlich heuer ihre Bühnenkarriere beendet, böte sich bei der Vielzahl von Volksfesten in Bayern ein nimmer endendes Betätigungsfeld...

An diesem Samstagvormittag freilich ist Monika Gruber im Schützenlisl-Zelt von Lorenz Stiftl der Star zum Anfassen. Ein Foto nach dem anderen wird von ihr zusammen mit ihren Fans gemacht, und als Medienprofi beherrscht sie das Spiel mit der Kamera perfekt. Festwirt Lorenz Stiftl fragt dagegen keiner nach einem gemeinsamen Schnappschuss. Es scheint ihm nicht unrecht zu sein. Es ist seine Premiere im Schützenlisl-Zelt auf der Oidn Wiesn, und wer ihn kennt, merkt ihm eine gewisse Anspannung an. 39 Jahre ist der Vohburger schon in der Gastronomie tätig, seit zwei Jahrzehnten ist er am Oktoberfest – und jetzt hat der 58-Jährige sein Ziel erreicht: Er, der nach dem Tod des Vaters mit 17 Jahren die elterliche Tankstelle übernommen hatte, leitet erstmals ein großes Festzelt auf der Wiesn. Mit knapp 1400 Plätzen (plus 400 draußen) kein ganz großes, aber auch kein kleines mehr.

Gruber hatte Anstich vor Jahren versprochen

Während die Dellnhauser Musikanten auf der Bühne noch den letzten Soundcheck machen, begrüßt Stiftl die Gäste, gibt Interviews, kümmert sich um zahlreiche Kleinigkeiten. Wie er zur Monika Gruber gekommen ist? Vor Jahren, so erzählt er, hat sie ihm einmal versprochen, dass sie bei ihm den Anstich macht, wenn er sein erstes großes Wiesn-Zelt hat. „Und das Versprechen hat sie gehalten“, sagt er – solche Werte stehen bei ihm hoch im Kurs.

Das Schützenlisl-Zelt hat er gebraucht gekauft und im Küchenbereich erweitert. Es ist in Holzbauweise errichtet, wie man es außerhalb der Wiesn nur noch selten findet, und bildet das Volkssängerzelt auf der Oidn Wiesn. Dessen künstlerische Leiterin ist die BR-Moderatorin Traudi Siferlinger, bekannt aus der Sendereihe Wirtshausmusikanten, die jeden Tag auch selber auf der Bühne steht. Ihre Gäste sind Gstanzlsänger, Blasmusikgruppen sowie Volkssängerinnen und Volkssänger. Gesangssolisten und Gesangsgruppen haben übrigens die Möglichkeit, selber aufzutreten. Gelegenheit ist jeweils am Samstag ab 15 Uhr, Anmeldung per E-Mail an presse@bbmc.de, Stichwort Trau - di singa.

Am Eröffnungssamstag gehört die Bühne jedoch den Profis. Sprich Moderatorin Traudi Siferlinger und Monika Gruber. Kurz vor dem offiziellen Wiesn-Start ist das Zelt gut gefüllt. Wobei an diesem Tag allein das Potpourri an Gästen einen Besuch Wert ist. Denn Jeans, Turnschuhe oder die unvermeidlichen Maßkrug-Hüte wird man im Schützenlisl-Zelt kaum finden. Stattdessen richtige Holledauer mit Ziachstiefeln, langen schwarzen Mänteln und Charivaris, bei deren Anblick man vor Neid erblasst. Trachtler und Musikanten mit Hut, Gamsbart und etlichen Erinnerungsabzeichen. Natürlich erblickt man auch neue Dirndl und Lederhosen, die vermutlich so viel gekostet haben wie zwei Wochen täglicher Wiesnbesuch mit einer vierköpfigen Familie. Und neben all den Musikanten, den echten und den feschen Trachtlern darf natürlich eine Spezies Gäste nicht fehlen, die es im Grunde nur in München gibt: Die Adabeis, die überall auch dabei sind, wenn es etwas zu feiern gibt – oder wenn andere dabei sind, die wichtig sind oder sich zumindest dafür halten.

Großes Lob vom Festwirt

Als draußen um 12 Uhr die Böller ertönen, ist das Schützenlisl-Zelt zunächst in atemlosem Schweigen vereint. In die Stille hinein ergreift Traudi Siferlinger das Wort und startet den Countdown, in den alle Gäste einstimmen. Gekonnt setzt Monika Gruber den Schlegel an und erntet dafür hinterher ein großes Lob von Festwirt Stiftl: „Genau die richtige Grifftechnik.“ Zwei Schläge, und „O’zapft is“ erschallt es durchs Schützenlisl-Zelt. Die erste Hürde ist souverän gemeistert – und Lorenz Stiftl sichtlich erleichtert.

P.S.: Wer Gstanzl, Volkssänger und a Blechmusi mag, ist bei Lorenz Stiftl bestimmt gut aufgehoben. Nur das Stück „Schützenliesl“ hätte man in diesem Zelt gerne öfter gehört. Schließlich hat sie ihm doch das Glück gebracht...

DK