Weichering
"Wulffen, guttenbergern und seehofern"

Politischer Aschermittwoch der SPD in Weichering mit dem Bildungsexperten Martin Güll

22.02.2012 | Stand 03.12.2020, 1:48 Uhr

Gute Laune versprühten Martin Güll und Astrid Welter-Herzberger bei den Klängen des Schlagers „Rote Rosen“, das das Duo „Hans und Franz“ vom Musikstadel Schönesberg vortrug. - Foto: Pehl

Weichering (DK) „Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Andersgläubige“: Beim Politischen Aschermittwoch der SPD im Gasthof Vogelsang in Weichering war der Landtagsabgeordnete Martin Güll in seinem Element. Kein Wunder, hatte der Bildungsexperte der Sozialdemokraten zuvor in Vilshofen doch etwas ziemlich Seltenes erlebt: 3500 Sozis auf einmal. „

Mit Christian Ude kann man gewinnen, rief der Vorsitzende im Bildungsausschuss des Bayerischen Landtags seinen Zuhörern in Weichering zu. Der Freistaat könne viel besser regiert werden, wenn die SPD etwas zu sagen habe, betonte er im Hinblick auf den Noch-Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU). Wir können es, beschwor er die Anwesenden.

Wie es sich für einen Politischen Aschermittwoch gehört, sparte er nicht mit deftiger Kritik in Richtung Liberale und CDU/CSU. FDP, das sei die Abkürzung für „Fast drei Prozent“, spottete er. Und auch Seehofer, Wulff und zu Guttenberg wurden kräftig derbleckt. „Unter Schülern gibt es mittlerweile drei neue Begriffe: Guttenbergern, das steht für das Abschreiben von Hausaufgaben. Wulffen bedeutet, am Telefon zu drohen. Und Seehofern heißt, etwas anzukündigen, seine Meinung dann zu ändern und das Gegenteil zu behaupten.“

Im weiteren Verlauf seiner Aschermittwochsrede wurde Güll dann konkret. So kritisierte er die Finanzpolitik der CSU, die zwar vollmundig Schuldenfreiheit bis zum Jahr 2030 angekündigt, aber in den vergangenen Jahren die Schulden des Freistaats verdoppelt habe. Die Bayerische Landesbank bezeichnete Güll als ein „Fass ohne Boden“ und Ministerpräsident Seehofer als einen „Rekordschuldenmacher“. Die CSU habe nicht nur das „Tafelsilber“ des Freistaats in den vergangenen Jahren verschleudert, sondern auch genau den Länderfinanzausgleich ausgehandelt, der jetzt von ihr in Frage gestellt werde.

Was das Schulsystem im Freistaat betreffe, konstatierte der Bildungsexperte der SPD im Landtag eine „große Unzufriedenheit“. Nur fünf Prozent der Schüler würden in gebundenen Ganztagsklassen unterrichtet. 30 000 Stunden Unterricht fallen nach seinen Worten jedes Jahr allein an bayerischen Gymnasien aus. Während im Endeffekt die Zahl der Planstellen für Lehrer abgebaut werde, gäben Bayerns Eltern jedes Jahr 250 Millionen Euro nur für die Nachhilfe ihrer Kinder aus. Und rund 1500 Klassen an bayerischen Gymnasien haben nach seinen Worten eine Stärke von 30 oder mehr Schülern.

Nach der Begrüßung durch den stellvertretenden Weicheringer SPD-Ortsvereinsvorsitzenden Max Wäcker, der für den erkrankten Jakob Appel eingesprungen war, hatte Astrid Welter-Herzberger die Gäste der Traditionsveranstaltung auf den Aschermittwoch eingestimmt. Den neuen bayerischen Finanzminister Markus Söder (CSU) verglich sie mit dem Baron Münchhausen: Er verzichte auf die Rücklage der Beamtenpensionen in Höhe von einer halben Milliarde, um stattdessen Schulden im Haushalt zu tilgen. „Er verzichtet also lieber auf 25 Millionen Euro Ertragszinsen, damit er rund zehn Millionen Euro Kreditzinsen spart“, sagte die SPD-Vorsitzende im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen. Die Kommunen würden finanziell ausbluten, was dazu führe, dass Daseinsvorsorge vielerorts nur Mangelverwaltung sei.

Kritisch ging Welter-Herzberger auch mit der Arbeitsmarktsituation in Bayern ins Gericht. Allein im Freistaat hat sich nach ihren Worten die Anzahl der Zeitarbeiter innerhalb der vergangenen zehn Jahre von 54 000 auf 163 000 verdreifacht. Leiharbeiter, so Welter-Herzberger, verdienen aber deutlich weniger als Festangestellte. Die Folgen sei eine „vorprogrammierte Altersarmut“. Jede fünfte Frau in Bayern sei davon betroffen. Nirgendwo ist laut Welter-Herzberger die Altersarmut so hoch wie im Freistaat. Wobei die durchschnittlichen Renten nach ihren Worten in Bayern 853 Euro für Männer und 506 Euro für Frauen betragen. Erforderlich seien neue Konzepte, die nur mit Ude und der SPD verwirklicht werden könnten.