Millionen-Defizite und Personalmangel
Kliniken in der Krise: Brandbrief aus der Region an Gesundheitsminister Lauterbach

OB Scharpf und die Landräte Anetsberger, Gürtner und von der Grün prangern die Gesundheitspolitik an

11.11.2022 | Stand 21.09.2023, 5:15 Uhr

In der Krise: Selbst ein Schwerpunktversorger wie das Klinikum Ingolstadt hat mit den Rahmenbedingungen der Gesundheitspolitik arg zu kämpfen. Bei den kleineren Kliniken aus den Nachbarlandkreisen Eichstätt, Pfaffenhofen und Neuburg-Schrobenhausen ist die Lage zum Teil noch deutlich dramatischer. Foto: Schalles (Archiv)

Die Misere der Kliniken treibt die Verantwortlichen in der Region um. Die Millionen-Defizite bei den Betriebskosten steigen, der Personalmangel wird immer eklatanter.



In ihrer Not haben Ingolstadts Oberbürgermeister Christian Scharpf und die Landräte Alexander Anetsberger (Eichstätt), Albert Gürtner (Pfaffenhofen) und Peter von der Grün (Neuburg-Schrobenhausen) einen Brandbrief an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach geschrieben.

In deutlichen Worten schildern die Vier auf drei Seiten die ganze Misere. „Wir stehen einer dramatischen Entwicklung in unseren Kliniken und Krankenhäusern hilf- und machtlos gegenüber“, heißt es wörtlich. Die Landräte und der OB fordern von Lauterbach zwei Punkte. Erstens eine kurzfristige finanzielle Unterstützung und zweitens mittel- bis langfristig umfassende und nachhaltige Reformen im Gesundheitswesen. Ziel müsse eine „bedarfsgerechte, qualitativ hochwertige medizinische Versorgung“ für die Bürger sein.

Hohe Belastungen für die Mitarbeiter

In ihrem Brief gehen sie vor allem auf drei Bereiche ein. Da sind zum einen die hohen Belastungen für die Mitarbeiter, „zum Teil an der Belastungsgrenze und in den Spitzen der Infektionswellen auch sicher über diese hinaus“. Da sich diese Situation seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie quasi nicht verbessert hat, steigen mittlerweile die Krankheitsquoten in den Kliniken über alle Berufsgruppen hinweg deutlich an. Das führt laut dem Schreiben aber dazu, dass der Druck auf die übrigen Mitarbeiter noch weiter steigt. Wörtlich heißt es: „Die aktuelle Lage ohne Aussicht auf Besserung lässt einstmals hochmotivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter frustriert zurück, manche kehren den Gesundheitseinrichtungen den Rücken zu.“

Der zweite Bereich, den OB und Landräte kritisieren, ist die finanzielle Situation. Einem Einbruch der Erlöse stehen immer weiter steigende Vorhaltekosten gegenüber. Die Ursache des Übels sehen die Vier bei den von der Politik geschaffenen Strukturen. Aufgrund dieser wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weisen die Kliniken Jahr für Jahr „erhebliche negative Jahresergebnisse“ auf. Auch den Mitarbeitern sei es nicht mehr zu erklären, dass die Kliniken in eine „existenzbedrohende, negative wirtschaftliche Situation kommen“. Die Folge: Dringend erforderliche Investitionen in die Häuser seien nicht mehr abbildbar, energetische Maßnahmen beispielsweise nicht umsetzbar – obwohl dringend notwendig.

Keine Besserung in Sicht

Der dritte Punkt schließlich, der die Politiker durchaus frustriert, ist, dass keine Besserung in Sicht ist. „Der Ausblick unserer Kliniken und Krankenhäuser in das nächste Jahr lässt diese ratlos zurück.“ Es gebe keine verlässlichen Zusagen zu einer adäquaten Finanzierung. Weitere Eingriffe der Gesetzgebung seien nicht durchdacht, unklar und nicht geeignet für eine belastbare Planung. Der OB und die Landräte lassen in ihrem Brief kein gutes Haar an der Gesundheitspolitik des Bundes. Neueren Bestrebungen, die Nacht- und Wochenenddienste zu reduzieren, sprechen die Verantwortlichen in der Region schlicht die Praxistauglichkeit ab.

Das Fazit am Ende des Brandbriefs ist wenig ermutigend. Denn letztlich unterstellen Scharpf und Co. dem Gesundheitsministerium, die Entwicklung zu beabsichtigen. Es verstärke sich der Eindruck, schreiben sie, „dass eine politische klare und zielgerichtete Ausrichtung der zukünftigen Patientenversorgung unterbleibt und die strukturellen Defizite bewusst in Kauf genommen werden.“

Fett gedruckt und unterstrichen schließt der Brief an Gesundheitsminister Karl Lauterbach mit den Worten, dass dies „für uns als Träger unserer lebensnotwendigen Einrichtungen“ nicht hinnehmbar sei.

DK