Konzert
„Kaffee und Bier“ als Drogencocktail

Stefan Leonhardsberger und Stephan Zinner in der Ingolstädter Eventhalle

09.12.2022 | Stand 17.09.2023, 21:08 Uhr

Liebt Kaffeehausliteratur: Stefan Leonhardsberger. Foto: Leitner

Von Karl Leitner

Ingolstadt – Da haben sich ja wahrlich zwei gefunden. Der Österreicher Stefan Leonhardsberger liebt den Verlängerten, den Melange und die Wiener Kaffeehausliteraten und Stephan Zinner aus dem nördlichen Chiemgau das Bier und die bayerische Wirtshausliteratur. Daraus haben die beiden ein gemeinsames Programm gemacht, das eigentlich eine Lesung ist, aber doch auch viel mehr als das, sitzen mit ihrem Programm „Kaffee und Bier“ auf der Bühne der Eventhalle und trinken … Mineralwasser.

Leonhardsberger ist im Vorteil, weil er mit Alfred Polgar, Anton Kuh und Peter Altenburg Autoren in der Hinterhand hat, die tatsächlich für ein seit langem etabliertes Genre stehen, das der Wiener Kaffeehausliteratur nämlich, aber sind auf der anderen Seite Gerhard Polt, Karl Valentin und Markus M. Rosenmüller tatsächlich Wirtshausliteraten? Egal, um Einordnungen und Spitzfindigkeiten geht es den beiden gar nicht, dafür aber umso mehr um die Lust an der Beschäftigung mit witziger Literatur, mit komischen Texten, mit Humoresken und Grotesken, absurden Anekdoten und gehaltvollen wie auch komplett sinnfreien Aphorismen. Der Abend soll eine echte Gaudi werden, anderthalb Stunden mit viel Gelächter und gezielten Angriffen auf die Lachmuskulatur. Darüber sind sich beide einig. „Das einzige, was die Österreicher von den Deutschen trennt, ist die Sprache“, sagt ersterer, was stimmt und auch wieder nicht, mit Sicherheit aber ticken sie gleich. Oder doch zumindest sehr ähnlich.

Wenn sie sich Ideen und Witze zuspielen, einer den anderen „pflanzt“ oder aufs Terrain der Absurdität lockt, beide nicht nur vortragen, sondern ihre Texte voller Begeisterung aufführen, dann ist das viel mehr als eine Lesung, dann ist das eine regelrechte Inszenierung. Mindestens ebenso bedeutsam ist, was zwischen den einzelnen „Nummern“ passiert. Beide moderieren, kommen sich dabei in die Quere, ziehen sich selber oder gegenseitig durch den Kakao. Einiges davon mag vorher festgelegt sein, aber ohne beider improvisatorisches Talent ginge das nicht in dieser Lockerheit. Und so schmunzelt man bei Liedern wie „Was bleibt“ und Helmut Qualtingers „Der goldene Wiener Schas“, lacht lauthals heraus bei der Ringlstetter-Zin­ner'schen Koproduktion „Gott trinkt kein Löwenbräu“, hält bei Gerhard Polts „Gemütlichkeit“ kurz inne, weil Humor und die Tätigkeit des Mit- und Nachdenkens sich ja nicht grundsätzlich ausschließen, und verspürt in der gemeinsamen Zugabe „Das kleine Hörspiel vom Polizeipferd“ – mit Leonhardsberger als Erzähler und Zinner als Pferd – durchaus Schmerzen in der Zwerchfellgegend.

Natürlich vergeht der Abend wie im Flug und die Stimmung ist bestens – auch bei den beiden Herren auf der Bühne – was auch daran liegt, dass die Eventhalle rappelvoll ist. „Ich weiß gar nicht mehr, wie oft wir diesen Auftritt wegen Corona verschieben mussten“, sagt Zinner am Anfang. Am Ende freilich ist klar: Die Warterei hat sich gelohnt. Ob man in Nachhinein nun Kaffee und Bier eher als Dope oder doch als Grundnahrungsmittel ansieht, ist egal. Gemixt und eingeflößt von Leonhardsberger und Zinner ergeben sie einen Cocktail mit durchschlagender Wirkung.

DK