Ausstellung
„Dialog auf Augenhöhe“

Sonderschau im Fleißer-Haus über den künstlerischen Austausch der Schriftstellerin mit Maler Knut Schnurer

09.12.2022 | Stand 17.09.2023, 21:08 Uhr |

Die Tuschezeichnungen von Knut Schnurer zu Fleißers Drama „Pioniere in Ingolstadt“ sind in der Ausstellung im Fleißerhaus an der Kupferstraße zu sehen. Der DONAUKURIER veröffentlichte 1968 den gesamten Text sowie zehn dieser Illustrationen dazu, die der damalige Verleger Wilhelm Reissmüller in Auftrag gegeben hatte. Fotos: Rössle/Stadt Ingolstadt (2), DK-Archiv

Von Bernhard Pehl

Ingolstadt – „Mädchen mit Katze“ lautet der Titel des 1958 entstandenen Bildes, das der Maler Knut Schnurer (1920-2007) einst der Schriftstellerin Marieluise Fleißer schenkte. Sie hat es hoch geschätzt, es hing bei ihr im Büro, wie alte Fotos zeigen. Heute ist das Gemälde im Fleißer-Haus an der Kupferstraße in der Sonderausstellung „Marieluise Fleißer und Knut Schnurer: Dialog auf Augenhöhe“ zu sehen. Im Originalrahmen und mit einem Fleck vom Weißeln der Wohnung in der Hofmillerstraße, der nie entfernt wurde.

Die Seelenverwandtschaft der „lieben Fleißerin“ und der „lieben Schnurers“, wie sich die beiden Künstler in ihren Briefen gegenseitig ansprachen, sowie das gemeinsame künstlerische Oeuvre in Text und Zeichnung bilden die Grundlage der Schau, die in Zusammenarbeit von Fleißer-Archiv samt Hauses mit der Marieluise-Fleißer-Gesellschaft entstanden ist. Die verwitwete Literatin und der Maler mit Familie teilten – so zeigt es die Korrespondenz – Freuden, Erfolge, Sorgen und Nöte. „Die Begegnung findet nicht nur auf freundschaftlicher Basis, sondern auch auf künstlerischem Niveau statt. Die Literatin fühlte sich von Schnurer und seiner Familie angenommen und verstanden, teilte sich ihm privat und im Schaffensprozess gerne mit“, weiß Doris Wittmann vom Fleißer-Haus. Sehenswert allein die Auswahl der Briefe, vor allem die von Schnurer, die unverkennbar die Handschrift des Malers tragen.

Obwohl Fleißer eine Generation älter war als Knut Schnurer und bereits vor dem Krieg literarisch anerkannt war, kam es nach 1945 zu einer bemerkenswerten Korrespondenz zwischen beiden. Diese bezog sich nicht nur auf den Austausch von Briefen und Postkarten zu den Geburtstagen oder zu den Auszeichnungen wie dem Kunstpreis oder dem Poetentaler, sondern erreichte sichtbar auch die Ebene der künstlerischen Arbeit.

Schnurer hat diverse Werke Fleißers künstlerisch kommentiert, wie etwa das kritische Volksstück „Der starke Stamm“ oder die Erzählung „Das Pferd und die Jungfer“, wovon ebenfalls Zeichnungen in der Ausstellung gezeigt werden. Besonders deutlich wird der künstlerische Austausch laut Wittmann in den 38 Tuschezeichnungen, die Schnurer 1968 zu Fleißers Stück „Pioniere in Ingolstadt“ anfertigte und die inzwischen allesamt (original oder digital) das Zentrum Stadtgeschichte beherbergt. Von diesen wurden damals zehn Beispiele im DONAUKURIER abgedruckt, zusammen mit dem Gesamttext des Schauspiels. „Die Ingolstädter konnten also zum ersten Mal diesen Text lesen, verlebendigt durch die markanten Zeichnungen Schnurers“, so Wittmann.

Darüber hinaus gab der DK der ersten Kulturpreisträgerin der Stadt anlässlich der Neuinszenierung des Stücks „Der starke Stamm“ am noch jungen Stadttheater Ingolstadt damals die Möglichkeit, auch zur Neubearbeitung der Pioniere Stellung zu nehmen. Denn die 43 Aufführungen 1929 im Theater am Schiffbauerdamm in Berlin unter der Regie von Bertolt Brecht hatten zu einem der größten Theaterskandale der Weimarer Republik geführt. Die rechte Presse und die Ingolstädter Zeitungen zerrissen das Stück, die Linke klatschte Beifall.

Der ursprüngliche Text, so Fleißer im Interview, das am 9. November 1968 erschien, habe zu wünschen übrig gelassen, sie habe zu wenig über Soldaten gewusst – daher die Bearbeitung. „Ich habe vom Stück alles behalten, was jung war, was dem Brecht gefallen hat und was mir gefallen hat. Einen Teil der Handlung habe ich hinausgeschmissen und dafür zwei Ereignisse hineingenommen, die damals wirklich vorgefallen sind bei den Pionieren aus Küstrin, die ich damals nur noch nicht wusste, aber später erfahren habe“, erklärte sie seinerzeit.

Auch zu dem damals geäußerten Vorwurf aus Ingolstadt, sie sei eine Nestbeschmutzerin, nahm sie Stellung. „Man hat es für eine Attacke auf lngolstadt gehalten, das war weit übers Ziel geschossen. Ich schreibe gesellschaftskritisch, aber nicht mit persönlicher Spitze. Damals wusste man in meiner Vaterstadt von mir wenig. Man wusste nur, dass ich mit Brecht zusammenarbeitete, und Brecht galt den Bürgern für einen wilden Mann. Ich glaube nicht, dass die Ingolstädter jetzt wieder Anstoß nehmen. Inzwischen sind die Ingolstädter schon mehr gewohnt, lngolstadt ist auf dem Weg zur Großstadt. Inzwischen kennen mich die Ingolstädter schon besser und wissen, dass ich meine Vaterstadt liebe. “

DK

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