Keine Angst vor einer Männerdomäne
In der Firma Liebold in Mühlhausen lernen heuer gleich zwei junge Frauen Anlagentechnik

23.08.2022 | Stand 22.09.2023, 6:32 Uhr |

Zwei junge Frauen in einer Männerdomäne: Leonie Gross (l.) und Sofie Liebold lernen Anlagentechnikerin für Heizung-, Sanitär- und Klimatechnik in der Firma Liebold in Mühlhausen. Foto: Pehl

Frauen in typischen Männerberufen oder auch Männer in Frauenberufen: Im Handwerk ist dies oft immer noch die Ausnahme, auch wenn sich in den vergangenen Jahren schon einiges getan hat. So finden sich in den Listen von Anita Mayr, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft, beispielsweise immer mehr Schreinerinnen, während in den Metzgereien in letzter Zeit vermehrt Männer im Verkauf arbeiten. Doch in manchen Gewerken ist die Aufteilung nach Geschlechtern häufig die Regel.

In der Innung für Spengler-, Sanitär- und Heizungstechnik Ingolstadt-Pfaffenhofen etwa werden nach aktuellem Stand 40 junge Leute heuer ihre Ausbildung beginnen, davon jedoch nur drei Frauen. Umso bemerkenswerter, dass der Betrieb von Martin Liebold im Ingolstädter Ortsteil Mühlhausen gleich zwei dieser „Lehrlinginnen“ beschäftigt.

„Wir sind um jeden und jede froh, der oder die ausbildungswillig ist“, freut sich Innungs-Obermeister Ade Engel aus Manching. Denn die Branche leide seit Jahren unter einem eklatanten Mangel an Lehrlingen. Ein Problem sei, dass so mancher Interessent das erforderliche Wissen in Mathe oder Physik nicht mitbringt. Und so mancher, der ausgelernt hat, entscheide sich dann hinterher doch für einen besser bezahlten Job in der Automobilindustrie.

Glückliches Händchen für Auszubildende

Firmeninhaber Martin Liebold kennt diese Probleme, hat jedoch offenbar ein glückliches Händchen für seine Auszubildenden. Zwei seiner Lehrlinge, Lukas Stark und Norbert Klar, haben jüngst ihren Berufsschulabschluss mit 1,0 geschafft und dafür einen Bayerischen Staatspreis bekommen. Und jetzt beginnen am 1. September zwei junge Frauen ihre Lehre in seinem Betrieb, der insgesamt 13 Mitarbeiter umfasst, davon drei Frauen und drei Lehrlinge. Die Ausbildung zur Anlagentechnikerin für Heizung-, Sanitär- und Klimatechnik sei durchaus anspruchsvoll, sagt Liebold: „Von Arbeiten im Rohbau bis hin zu Wärmepumpentechnik und Smart Home ist da alles dabei“, betont er. „Aber wer diesen Sprung als Betrieb verpasst, wird über kurz oder lang untergehen.“ Deshalb dauert die Ausbildung, die zwei frühere Berufe zusammenfasst, auch 3,5 Jahre.

Ganz so lange will Sofie Liebold nicht im elterlichen Betrieb lernen. Als Abiturientin könnte sie um ein Jahr verkürzen, wird aber wohl nur um ein halbes Jahr reduzieren, bevor es zu stressig wird. „Ich wollte immer irgendwas mit Häusern machen“, erinnert sie sich: Architektin, Fachwirt für Immobilienwirtschaft oder eben Haustechnik waren ihre Alternativen. Die 17-Jährige entschied sich für Letzteres, und nachdem sie mit ihrem Vater gesprochen hatte, entschloss sie sich, gleich in der Firma der Eltern anzufangen. Außerdem wird sie noch im Büro mitarbeiten.

Die Eltern sind die Chefs

Dass ihre Eltern dann auch noch ihre Chefs sind, nimmt Sofie sportlich. „Ich muss mich dann halt beweisen“, sagt sie: „Nicht nur Vater und Mutter gegenüber, sondern auch als Frau.“ Denn die Mehrzahl der Mitarbeiter sind Männer. Sofie Liebold ist schon als Kind mit ihrem Vater mitgefahren und hat sich immer für Technik interessiert. „Wenn ich nicht mit dem Handwerk aufgewachsen wäre, glaube ich nicht, dass ich da reingerutscht wäre“, ist sie überzeugt. Nach ihrer Ausbildung will sie entweder den Meister machen oder Energie- und Versorgungstechnik studieren.

Ihre künftige Kollegin ist Leonie Gross. Die 17-Jährige ist handwerklich interessiert und begabt, wie auch ihre Mutter bestätigt: „Sie schraubt zuhause rum, sägt und schleift gerne.“ Auf den Beruf ist sie gekommen, nachdem sie einem Bekannten mal zugeschaut hat. Die Hofstettenerin ging dann einen Tag bei der Firma Liebold mit und traf ihre Entscheidung. „Einen Tag im Büro, das kann ich mir dauerhaft nicht vorstellen“, sagt sie. Die Mittlere Reife hat Leonie Gross auf der Hauptschule gemacht, wo sie den technischen Zweig besucht hat. Kfz-Mechatroniker hätte die Motorradfahrerin auch noch interessiert. Sie hat mehrere Bewerbungen geschrieben, doch die Firma Liebold war die einzige, die sie eingeladen hat. Dass in ihrem künftigen Beruf die Männer in der Mehrheit sind, nimmt sie völlig gelassen: „Das ist beim Motorradfahren genauso.“



PS: Der Begriff Lehrlinginnen ist übrigens aus dem 19. Jahrhundert überliefert. Im Amtsblatt von Breslau steht 1822 ein Aufruf zur Anmeldung für die Aufnahme von Lehrlinginnen in das Königliche Hebammen-Institut. Ebenso benutzte der Verein der deutschen Freimaurer 1862 in seinen Mitteilungen diesen Ausdruck.

peh



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