Ingolstadt
Forschung zu Biografien von NS-Opfern

Es lebe die Erinnerung: Eine Forschungsgruppe kümmert sich um die Aufarbeitung von Verbrechen der Nationalsozialisten.

11.01.2022 | Stand 23.09.2023, 11:13 Uhr

Sie bilden die neue Forschungsgruppe der Stadt zur Aufarbeitung von Verbrechen der Nationalsozialisten sowie zur Vermittlung der Biografien der Opfer: Lutz Tietmann und Janina Rummel, hier bei der Eröffnung der Ausstellung „KZ überlebt“, die sie betreuen. Foto: Rössle/Stadt Ingolstadt

Ingolstadt – Die Zeit des Nationalsozialismus in Ingolstadt aufarbeiten und vor allem den Opfern der Nazi-Diktatur ein Gesicht geben, das ist das Ziel einer neuen Forschungsgruppe, die am Stadtarchiv angesiedelt ist. Lutz Tietmann und Janina Rummel haben diese Aufgabe übernommen.

„Zwar hat es zu den Ingolstädter Opfern des Nationalsozialismus in der Vergangenheit bereits Forschungen gegeben, die sowohl von städtischen Einrichtungen wie engagierten Bürgerinnen und Bürgern unternommen wurden, diese Forschungen beschränkten sich jedoch bewusst auf ausgewählte Opfergruppen und häufig exemplarisch auf einzelne Personen“, schreibt die Stadt in einer Mitteilung. Über viele Opfergruppen – beispielsweise die der NS-„Euthanasie“ – lägen allerdings bis heute nur wenige bis gar keine Informationen vor. Dementsprechend groß sei die Lücke auch bei der Aufarbeitung und Vermittlung von Opferbiografien.

Um ein Zeichen für eine zukunftsgerichtete Erinnerungskultur zu setzen, hat der Stadtrat im Frühjahr einstimmig die Einrichtung einer Forschungsgruppe zur Aufarbeitung der vielfältigen Schicksale der „Opfer des Nationalsozialismus in Ingolstadt“ beschlossen. Die Projektgruppe ist im Stadtarchiv angesiedelt und bearbeitet seit Juli als zentrale Handlungsfelder Forschung, Dokumentation und Vermittlung der Geschichte der Opfer des Nationalsozialismus.

Das Projekt konzentriert sich auf alle Personen, die vor, während oder nach ihrer Verfolgung in Stadt und Landkreis Ingolstadt entweder geboren sind, gewohnt oder gearbeitet haben oder hier gestorben sind. Die bisherige Beschäftigung mit Opfern der NS-Zeit in Ingolstadt rückte primär die Todesfälle in den Fokus. Für die Forschungsgruppe werden als „Opfer“ alle Menschen verstanden, die vom nationalsozialistischen Regime und dessen Mittätern „ihrer Menschenwürde beraubt wurden, Schaden an Leib und Leben, Schaden an ihrem Eigentum, den Verlust ihrer Existenzgrundlage oder den Verlust ihrer Heimat erlitten haben“.

Ziele des Projekts sind eine möglichst umfassende Identifikation aller Ingolstädter Opfer und Opfergruppen der NS-Zeit, aufbauend auf einer Sichtung und Revision der schon vorhandenen Ergebnisse, allen voran der Arbeiten von Theodor Straub. Die Rekonstruktion der Schicksale sowie die Dokumentation von Biografien und Quellen in Form einer archivischen Datenbank sollen als Grundlage für die Konzeption von Vermittlungsangeboten für Schülerinnen und Schüler sowie für Erwachsene dienen.

Das Forschungsprojekt läuft bis Ende 2026. Lutz Tietmann, Diplom-Soziologe mit dem Schwerpunkt betriebliche Weiterbildung, ist den Themen des Projekts seit über 30 Jahren tief verbunden und engagierte sich in Ingolstadt insbesondere in den Bereichen der Forschungs- und Vermittlungsarbeit, auch im Rahmen der „Initiative für Mahn- und Gedenkstätten in Ingolstadt“. Seine Schwerpunkte lagen bisher im Bereich der NS-Wehrmachtsjustiz und der jüdischen Geschichte Ingolstadts. Er trat die Stelle in der Projektgruppe im Juli an.

Im August folgte die Kunsthistorikerin Janina Rummel. Nachdem sie im Stadtarchiv Nürnberg ein Projekt mit stadthistorischem Schwerpunkt betreut hat, war sie zuletzt für die Museen der Stadt Nürnberg im Bereich der Sammlungsstrategie und der Entwicklung digitaler Vermittlungsformen tätig. Zudem war sie als Kuratorin an analogen wie digitalen Ausstellungsprojekten beteiligt. Rummel besetzt nun die Stelle mit dem Schwerpunkt Dokumentation und Vermittlung der Forschungsergebnisse.

Als erste öffentlichkeitswirksame Maßnahme betreuten die beiden die Sonderausstellung des Stadtmuseums „KZ überlebt – Porträts von Stefan Hanke“, die noch bis 27. März zu sehen ist. Zudem sollen bereits im Frühjahr dieses Jahres erste Forschungsergebnisse in Form eines Online-Gedenkbuches veröffentlicht werden.

DK