Ingolstadt
Hollerhaus-Tochterfirma ebenfalls insolvent

ProBegleitung ist jetzt auch zahlungsunfähig – Kritik an Geschäftsführung und Vereinsspitze

11.01.2022 | Stand 23.09.2023, 11:14 Uhr

Nach dem Hollerhaus-Verein hat am Montag auch eine seiner Tochtergesellschaften, die ProBegleitung gGmbH, Insolvenz angemeldet. Foto: Eberl

Nach dem Verein für körper- und mehrfachbehinderte Menschen in Ingolstadt hat am Montag auch eine seiner Tochtergesellschaften, die ProBegleitung gGmbH, Insolvenz angemeldet.



Wie berichtet, hat der Trägerverein des Hollerhauses Ende Dezember ein Insolvenzverfahren eröffnet. Als Grund wurde unter anderem die Corona-Krise genannt, die sich vor allem bei ambulanten Angeboten negativ auf die Belegungszahlen ausgewirkt habe. Beobachter sehen allerdings auch den Verein selbst in der Verantwortung. So sind in der Vergangenheit – nicht zuletzt im Hollerhof in Münchsmünster – große Investitionen getätigt worden (siehe eigener Artikel). Manch einer vermutet, der Verein habe sich mit dem 20-Millionen-Euro-Projekt schlicht übernommen. In der Presseerklärung nach der Pleite deutet der Verein zumindest auch eigene Fehler an. „Das schnelle Wachstum der letzten Jahre konnte nicht mehr durch ein nachhaltiges Finanzierungskonzept abgesichert werden“, heißt es in der Mitteilung.

Mitarbeiter und Vereinsmitglieder kritisieren im Gespräch mit dem DONAUKURIER, beim Hollerhaus habe man sich zuletzt auf einige „Prestigeprojekte“ versteift und das Kerngeschäft zunehmend aus den Augen verloren. Immer wieder wird dabei auch das anerkannt hochwertige gastronomische Angebot im neuen Begegnungshaus in Münchsmünster und dem Café Holler-Speisen an der Gaimersheimer Straße in Ingolstadt genannt. „Hier wurde kräftig investiert, obwohl man von den finanziellen Problemen doch wissen musste“, ärgert sich die Mutter eines Mannes, der vom Hollerhaus betreut wird. Ein Mitglied beklagt außerdem die „völlige Intransparenz“, die in dem Verein herrsche. Auch, was die wirtschaftliche Situation beträfe, habe lang Unsicherheit bestanden. Wegen der Corona-Krise habe es lange keine Vereinsversammlung mehr gegeben.

Das Hollerhaus macht unter anderem ausgebliebene Corona-Zahlungen des Bezirks Oberbayern geltend. „Die vom Verein beantragten Corona-Hilfen wurden zudem bisher weder verbeschieden, noch ausbezahlt“, schreibt das Hollerhaus. Der Ingolstädter Bezirksrat Joachim Siebler (Grüne) hat sich deswegen in einem Schreiben an Bezirkstagspräsident Josef Mederer gewandt. Unter anderem möchte er wissen, warum die beantragte Förderung an das Hollerhaus nicht ergangen ist und wann gegebenenfalls mit einer Zahlung zu rechnen sei. Bis Dienstag lag noch keine Antwort vor.

Im Hollerhaus hält man sich derzeit bedeckt. „Aktuell konzentrieren wir uns auf unsere Aufgaben“, erklärte Geschäftsführer Roman Schiele per Mail nach einer Anfrage des DK. Schiele ist auch Chef der ProBegleitung gGmbH.

Derzeit wird ein Insolvenzplan erstellt. Neben dem Bürgermeister von Münchsmünster, Andreas Meyer (CWG), hat auch Ingolstadts Oberbürgermeister Christian Scharpf (SPD) dem Verein Unterstützung zugesagt. Er sei „systemrelevant“ für die Versorgung von Menschen mit Behinderung in der Region.

Vorstand Claus Gelhorn möchte sich derzeit ebenfalls nicht zur Kritik am Verein äußern. Mit den Vorwürfen werde man sich zu gegebener Zeit auseinandersetzen. Derzeit sei es vor allem wichtig, dass die Versorgung der hilfsbedürftigen Menschen weitergehe. Der Zuspruch aus der Politik tue „natürlich gut“, so der Vorsitzende. Entscheidend werde jedoch die Zeit nach der überstandenen Insolvenz sein. „Dann werden wir sicher weiter auf Unterstützung angewiesen sein“, erklärte Gelhorn gegenüber dem DK.

Vorsichtiger Optimismus in Münchsmünster

Münchsmünster/Ingolstadt – In Münchsmünster beobachtet man die Entwicklung des Vereins für mehrfach- und körperbehinderte Menschen mit großem Interesse. Hier betreibt das Hollerhaus seit 2020 mit dem Hollerhof ein modernes Wohnheim samt Förderstätte für Menschen mit Behinderung. Zum Ensemble gehören auch ein Tierhaus, ein Gartenhaus, eine Großküche und das Begegnungshaus mit Gastronomie. „Hier ist ein richtiger kleiner Ortsteil entstanden“, freut sich Bürgermeister Andreas Meyer. Umso schockierender war für ihn – und nicht zuletzt für die gut 400 Mitarbeiter in den Hollerhaus-Einrichtungen und der Tochtergesellschaft – die Nachricht von der Pleite des Vereins. „Da ist einigen schon die Kinnlade heruntergefallen“, sagt Meyer, der zwischen den Jahren bei der Personalversammlung dabei war, auf der die Hiobsbotschaft verkündet wurde.

Dass es Kritik am Hollerhaus gibt, hat auch Meyer nicht überhört. Er sei „schon ein bisschen verwundert“ gewesen, dass es zuletzt lange keine Vereinsversammlung mehr gegeben haben soll. Wohl auch wegen finanzieller Engpässe baue der Verein den geplanten integrativen Kindergarten samt Heilpädagogischer Tagesstätte im Hollerhof nicht selbst, sondern habe den Grund veräußert und die Bauträgerschaft dem Pädagogischen Zentrum aus Ingolstadt übergeben. Dass die Insolvenz des Vereins „so kurzfristig“ erfolgen musste, habe ihn dann „aber doch überrascht“, so Meyer. Sollte es tatsächlich schon länger Unklarheiten im Verein geben, frage er sich allerdings, warum niemand früher Alarm geschlagen hat. „Hinterher ist man immer schlauer.“

In den Schwierigkeiten des Hollerhauses werde ein grundsätzliches Problem deutlich. Vieles, was im sozialen Bereich sinnvoll sei – Meyer nennt als Beispiel die Arbeit mit Tieren im Hollerhof –, werde nicht so gefördert, wie es seiner Meinung nach angebracht wäre. Überhaupt sollten wirtschaftliche Überlegungen im sozialen Bereich grundsätzlich hintanstehen, findet er.

Grundsätzlich sei er „optimistisch“, dass der Verein die Insolvenz gut überstehen und gestärkt aus ihr hervorgehen werde. Er selbst werde sich jedenfalls nach Kräften dafür einsetzen, kündigt Meyer an. Nächste Woche sei bereits ein Treffen mit Ingolstadts Oberbürgermeister Christian Scharpf in der Sache anberaumt.

jhh