Ingolstadt
Eine Tour der Gegensätze: Führung auf den Scherbelberg und durch den Bunker

07.08.2022 | Stand 22.09.2023, 7:07 Uhr

Zahlreiche Türme prägen die Silhouette der Altstadt, wie man vom Scherbelberg aus erkennt. Fotos: Pehl

Ingolstadt – Ein Platz an der Sonne: Das wollte die Stadt in den 30er-Jahren ihren Bürgern spendieren. So sehr uns derzeit das Zentralgestirn ja fast schon im Übermaß verwöhnt, so häufig macht es sich im Herbst und Winter rar. Weil jedoch Ingolstadt an der Donau mit zu den tiefsten und oft auch nebligsten Lagen in ganz Oberbayern gehört, funktioniert das mit der Sonne nur mit einem Berg – den es in der Stadt nicht gibt.

Es musste also eine künstliche Aufschüttung her – und das Material dafür war damals fast im Überfluss vorhanden. „Am 17. November 1916“, so Stadtführerin Brunhilde Deutscher bei ihrem Rundgang auf und unter den Scherbelberg, „hatte erstmals ein feindliches Flugzeug im Ersten Weltkrieg München erreicht.“ Damit war den Militärs klar, dass der nächste Krieg ein Luftkrieg werden würde – und die Anlagen der Bayerischen Landesfestung aus dem 19. Jahrhundert einem größeren Bombenangriff wohl nicht gewachsen wären. In den 30er-Jahren begann man daher, wohl auch aus verkehrstechnischen Gründen, die Kasematten rund um die Altstadt abzutragen – bis auf Scherbelberg und Rechberg. Ziegelsteine und Schutt häufte man auf und schuf so den Scherbelberg, weil er eben aus Scherben besteht. Freilich sind die damaligen Baumeister bei weitem nicht so weit gekommen wie geplant. Wie Brunhilde Deutscher erzählte, waren bis zu 70 Meter anvisiert – am Ende sind es nur 25 geworden.

Dennoch ist der Scherbelberg ein markanter Platz, der eine beeindruckende Aussicht über die Altstadt bietet. Beliebt ist er als Treffpunkt für Jugendliche, die dort gerne Partys feiern, und für Liebespaare, die dort ein paar ungestörte Stunden verbringen wollen. Und im Winter bietet der Scherbelberg auf der Seite zum Freibadparkplatz hin mitten in der Stadt die Möglichkeit, Schlitten zu fahren.

Weit weniger bekannt ist der Bunker darunter, der im Zweiten Weltkrieg fast 300 Menschen Schutz bot. Nach dem Krieg wohnten in den kalten, feuchten Räumen noch über Jahre hinweg Flüchtlingsfamilien. Der Überraschungseffekt der Führung kommt freilich erst am Schluss, wenn sich die letzte Tür öffnet – und man direkt im Freibad steht.

peh