Ingolstadt
Das Leben pflegen: Ausstellung zu Suizidprävention

Aufsteller macht in Friseursalon auf schwieriges Thema aufmerksam

06.05.2022 | Stand 23.09.2023, 1:36 Uhr

Friseurin Jeannine Karlovic probiert den interaktiven Spiegel des Suizidpräventionsprojekts „Leben pflegen, meinetwegen-deinetwegen“ aus. Foto: Gülich

Von Anne Gülich

Ingolstadt/Wettstetten – Was hat eine Ausstellung zum Thema Suizidprävention, die wie ein Bad gestaltet ist, in einem Friseursalon zu suchen? Für Regine Morich und Nicole Fichtner von „Kulturbeutel“, einer Wettstettener Agentur für soziale Projekte, ist diese Frage leicht zu beantworten: „Ein Bad ist – genau wie ein Friseursalon – ein Ort der Körperpflege. In unserem Bad geht es um die Pflege des Lebens. Meines Lebens und deines Lebens“, erklärt Morich.

Seit September 2021 wandert der Badezimmeraufsteller der Agentur, der niederschwellig Hilfestellungen zur Suizidprävention gibt und Warnsignale erläutert, durch unterschiedliche Einrichtungen. Nach Stationen im Ordinariat Eichstätt, dem Ingolstädter Stadttheater, Schulen, Kirchen und Unternehmen ist er nun im Friseursalon Nalepa + Carl in der Schäffbräustraße zu Gast. „Denn es kann jeden treffen. Egal wo und wie wir leben und arbeiten. Aber jeder einzelne von uns kann auch helfen. Wir wollen das Thema Suizid aus der Tabuecke holen und offen darüber reden. Überall, auch hier beim Friseur“, fasst Fichtner zusammen.

Die beiden Kulturbeutel-Damen kennen die Saloninhaberinnen Jeannine Karlovic und Anna Nalepa schon seit vielen Jahren. „Wir sind ein Salon mit vielen Stammkunden. Da kennt man sich über die Zeit einfach und redet über das ein oder andere, was einen beschäftigt“, erzählt Jeannine. So sind die beiden Friseurinnen mit Morich und Fichtner über deren Suizidpräventionsprojekt „Raus aus dem Abseits“ ins Gespräch gekommen. Und haben festgestellt, dass das Thema „Leben pflegen“ sie im Salon direkt berührt. Anna fügt an: „Ich finde das Projekt super, es gibt so viel Bedarf über Suizid zu reden. Niemand soll sich schämen müssen, wenn er schon mal solche Gedanken hatte oder jemanden kennt, der betroffen ist.“

Jeannine und Anna plädieren schon lange dafür, dass es in der Ausbildung für Friseure ein Modul Psychologie geben sollte. Denn beim Friseur erzählen viele Menschen ihren Kummer, mit dem sie sonst vielleicht niemanden belasten wollen. „Das passiert tatsächlich öfter, ich glaube, durch die Mischung aus Nähe – wir kennen uns schon lange – und Distanz: Ich bin niemand aus der Familie, keine Freundin, sondern ‚nur‘ die Friseurin“, berichtet Jeannine und schildert ihre eigene Hilflosigkeit in solchen Momenten.

Seit Montag steht die Badezimmer-Ausstellung nun in ihrem Salon. „Und das ja ziemlich plakativ“, sagt Jeannine lächelnd mit Blick auf die großen Rollups, die das Kulturbeutel-Team aufgebaut hat. Viele Kundinnen sprechen die Friseurinnen darauf an, was es damit auf sich hat. „Schon sind wir mitten in einem Gespräch. Kommunikation ist einfach überall das A und O. Auch beim Thema Suizid.“ Davon sind auch Fichtner und Morich überzeugt: Reden hilft. „Es ist ein Mythos zu glauben, dass man Probleme in diese Richtung besser nicht anspricht“, betont Morich. Man müsse kein Psychologe sein und könne zur Not ja immer auch Hilfe holen.

Zum Badezimmer-Aufsteller gehören neben Infotafeln mit Zahlen und Fakten auch Bücher, die das schwere Thema leicht erklären, Flyer von Hilfsorganisationen und, als Herzstück ein digitaler, interaktiver Spiegel. „Der ist mit Kamera und Tablet verbunden und mit verschiedenen Tafeln mit positiven Botschaften bestückt. So kann man ein Schild in den Spiegel halten, ein Foto machen und das dann mittels QR-Code an jemanden schicken, der vielleicht eine Aufmunterung oder einen lieben Satz nötig hat“, erklärt Fichtner. Mit Nachrichten wie „Schön, dass es dich gibt!“ oder „Ich denke gerade an dich!“ könne die Pflege des Lebens beginnen.

Friseurtalk am Montag

Am Montag organisiert die Agentur für soziale Projekte „Kulturbeutel“ von 17 bis 18.30 Uhr einen „Friseurtalk“ zum Thema Suizidprävention im Salon Nalepa + Carl in der Schäffbräustraße 11 in Ingolstadt. Die Psychologin Janice Gondor, Petra Hoffmann von der Caritas-Beratungsstelle für psychische Gesundheit und eine betroffene Angehörige, Claudia Geisberger, geben konkrete Tipps, wie man Menschen in Krisensituationen neue Perspektiven geben kann. Im Anschluss an die moderierte Gesprächsrunde gibt es Gelegenheit für Fragen und Austausch. Eine Anmeldung ist erforderlich, per E-Mail an info@kult-urbeutel.de oder telefonisch unter (0841) 9511873. Näheres unter www.suizidpraevention-kulturbeutel.de.

agw



DK