Ingolstadt
Ratsbegehren Mittelschule: Stadt soll Begriff Grünring aufnehmen – oder die BI erwirkt Anordnung dagegen

Das Ultimatum läuft

06.05.2022 | Stand 23.09.2023, 1:35 Uhr

Auf diesem Feld soll nach dem Willen der Stadt die Mittelschule Nord-Ost entstehen. Eine Bürgerinitiative hat Tausende Unterschriften dagegen gesammelt und jetzt der Stadt ein Ultimatum bis Dienstag gestellt. Fotos: Pehl

Von Bernhard Pehl

Ingolstadt – Die Initiatoren des Bürgerbegehrens „Hände weg vom Grünring“ haben der Stadt ein Ultimatum gestellt. Wenn bis kommenden Dienstag, 12 Uhr, in das vom Stadtrat beschlossene Ratsbegehren das Wort „Grünring“ aufgenommen wird, ist die Initiative damit einverstanden. Andernfalls soll beim Verwaltungsgericht München eine einstweilige Anordnung dagegen erwirkt werden.

Sollte das Gericht dem stattgeben, würde wohl das Bürgerbegehren wirksam werden. Gegenstand des Bürger- und des Ratsbegehrens ist der Plan der Stadt, auf einem als Acker genutzten Grundstück im Zweiten Grünring die Mittelschule Nord-Ost zu errichten.

Zum Hintergrund: Ende April hatte der Stadtrat in einer Sondersitzung beschlossen, am 24. Juli gleich zwei Bürgerentscheide abzuhalten: Neben den Kammerspielen an der Schutterstraße sollen die Bürger auch über eine neue Schule neben der Bahnlinie am Unterhaunstädter Weg abstimmen. „Sind Sie dafür, dass die neue Mittelschule Nord-Ost südlich des Augrabens gebaut wird (Umsetzung des Stadtratsbeschlusses vom 14. 12. 2020)?“, lautet die Frage der Stadt an die Ingolstädter. Wie berichtet, hatte die Stadt dieses Ratsbegehren beschlossen, weil sie ein zuvor gestartetes Bürgerbegehren gegen den Schulbau für juristisch unzulässig erklärt hatte – unter anderem wegen irreführender Formulierungen. Deshalb standen sich Stadt und Bürgerinitiative auch in München vor Gericht gegenüber – mit dem Ergebnis, dass die Richterin zwar kein Urteil fällte, aber klar erkennen ließ, dass sie das Bürgerbegehren der Initiative durchaus für zulässig hält.

Bereits in der Sondersitzung des Stadtrats Ende April war erste Kritik an der Formulierung des Ratsbegehrens laut geworden: Es fehlt nämlich der Begriff „Grünring“. 13 Stadträte stimmten daher gegen den Beschluss (Linke, ÖDP, FW, Veronika Peters von der SPD sowie drei Grünen-Räte), die Mehrheit jedoch dafür.

„Der Stadtratsbeschluss ist textlich nicht akzeptabel“, sagte der langjährige frühere ÖDP-Stadtrat Franz Hofmaier bei einer Pressekonferenz der Initiatoren des Bürgerbegehrens am Freitag: „Der Begriff Grünring fehlt.“ Und das bedeute für die Initiative, sich weiter damit auseinanderzusetzen.

„Es geht um ein konkretes Projekt, aber auch um den dauerhaften Schutz des Grünrings“, erklärte die Anwältin der BI, die frühere SPD-Landtagsabgeordnete Adelheid Rupp. Der Stadt fehle ein Schulkonzept und sie müsste auch andere Standort prüfen. Außerdem sei das „Agieren der Stadt nicht nachvollziehbar“. Mit einer Verständigung auf ein Ratsbegehren habe die BI schon ein großes Zugeständnis gemacht. Man verstehe nicht, warum sich die Stadt Ingolstadt so gegen die Aufnahme des Begriffs Grünring wehrt, erklärte sie weiter. Die juristischen Argumente der Stadt seien vom Gericht beiseite gewischt worden: Nach der Rechtsprechung seien Texte von Bürgerinitiativen anders zu bewerten als die von Volljuristen.

Unverständnis äußerte Rupp auch zum Verhalten des SPD-Oberbürgermeisters Christian Scharpf. Wenn der OB wolle, so Rupp, könnte er doch bestimmt die Fraktionen davon überzeugen, den Begriff Grünring aufzunehmen und den Text des Ratsbegehrens entsprechend zu ändern. Auch die Tatsache, dass die Stadt bereits einen Bebauungsplan für das Areal verabschiedet hat, kritisierte Rupp.

Die BI hat der Stadt ein Ultimatum gestellt: Wenn bis kommenden Dienstag, 12 Uhr, der Begriff Grünring in das Ratsbegehren aufgenommen wird, sei alles in Ordnung und die Bürger können am 24. Juli entscheiden. Wenn nicht, will Rupp beim Gericht eine einstweilige Anordnung gegen das Ratsbegehren erwirken – womit im Falle eines Erfolgs wohl das Bürgerbegehren der BI greifen würde.

Vertreter der Initiative kritisierten auch weitere Punkte: So sei zunächst von 550 Schülern, bei der Verabschiedung des Bebauungsplans von rund 600 und beim Ratsbegehren schon von 660 Schülern in der geplanten Mittelschule Nord-Ost die Rede gewesen, so Hofmaier. „Eine große Schule hebelt das Prinzip der Wohnortnähe aus“, erklärte dazu FW-Stadtrat Raimund Reibenspieß. Bei einer Betreuung bis 16 Uhr müsse eine Mittelschule auch Angebote unterbreiten – und auch unter dem Jahr neue Schüler aufnehmen. Hofmaier plädiert dafür, statt einer neuen großen Mittelschule am Augraben lieber zwei bestehende Standorte um kleinere Mittelschulen zu erweitern.

Reglind Seyberth vom Bund Naturschutz wies auf die Bedeutung des Zweiten Grünrings für Ingolstadt hin: für die Natur, für das Klima und nicht zuletzt für Menschen, Tiere und Pflanzen. So gebe es in Teilen des Augrabens noch Brutgebiete für den Eisvogel und sogar Vorkommen des Edelkrebses.

Linken-Stadträtin Eva Bulling-Schröter, die das Bürgerbegehren ebenfalls mit initiiert hatte, erinnerte an ihre beiden Anträge zur Formulierung der Ratsbegehren. Während bei den Kammerspielen sich die Juristen relativ schnell hätten einigen können, sei dies aus nicht nachvollziehbaren Gründen beim Begehren in Sachen Mittelschule nicht geschehen. „Das verwirrt die Bürger“, sagte sie. Grünen Stadträtin Steffi Kürten brachte wohl im Namen aller Initiatoren ihr Bedauern über die Entwicklung zum Ausdruck: „Das ist nicht das, was wir uns gewünscht haben.“

DK