Kösching
Das einsame Fatschenkind

Die Köschinger Pfarrkirche birgt ein besonderes kleines Kunstwerk

24.12.2022 | Stand 17.09.2023, 6:52 Uhr
Friedrich Lenhardt

Verlassen wirkt das Fatschenkind im Speisaltärchen der Pfarrkirche Kösching. Foto: Lenhardt

Wenig besucht, der Chorraum der Pfarrkirche in Kösching ist ja alarmgesichert, steht neben dem barock prunkenden Hochaltar ein weit bescheideneres Speisaltärchen, also der Gabentisch zur Vorbereitung der Eucharistie. Zu seiner Geschichte ist nichts überliefert.

Dieses ikonographisch überaus interessante Werk lohnt daher eine intensivere Untersuchung. Ohne näheren Zugang lassen sich zwei „Agnus Dei“-Tafeln erkennen. Sie stellen eine Reliquien-Sonderform dar und wären am ehesten als Erinnerungsreliquien einzustufen. Es sind Wachsmedaillons in Form einer Hostie, die das Osterlamm zeigen und mit der Umschrift des jeweiligen Papstes geprägt werden, was zugleich als Authentik dient. Sie wurden alle sieben Jahre – übrigens seit 1660 – aus dem Wachs von Osterkerzen hergestellt, dem Staub aus den Katakomben beigemischt wurde. Sie galten als Schutz gegen Unbillen der Natur. Der Brauch wurde 1965 erst eingestellt.



Zentralbild ist die Wessobronner Madonna


Eine noblere Tafel, die den oberen Auszug des Altärchen bildet, zeigt im Zentrum die Miniatur eines leider noch nicht identifizierten Heiligen. Die Miniatur wird der Schule des Johann Gebhard, des Malers der barocken Bilder der Köschinger Altäre zugeschrieben. Das Speisaltärchen im Chorraum der Pfarrkirche hat als Zentralbild die „Wessobrunner Madonna“, der „Mutter der Schönen Liebe“, flankiert von den Figuren des heiligen Nepomuk und des heiligen Ignatius in der Sockelzone die beiden „Agnus-Dei-Reliquiare“ im Auszug eine weitere Reliquientafel mit dem Zentralbild des oben erwähnten unbekannten Heiligen. Dem eigentlichen Altartisch, der „Mensa“, ist ein Bild vorgeblendet. Dieses Antependium zeigt die Wüstenväter, die Eremiten Antonius und Paulus, die von einem Raben auf wunderbare Weise mit Brot versorgt werden.



Christkind in der Sockelzone des Altärchens


Einem Christkind dort soll die vorweihnachtliche Aufmerksamkeit gelten. Es liegt in einer Art Schneewittchensarg hinter Glas in der Sockelzone des Altärchens. Der Platz scheint etwas groß gewählt, was den Eindruck seiner Einsamkeit noch verstärkt.

Den alten Künstlern war es gelungen, das Geschehen der Christnacht in den Alltag zu holen. Sie zeigten das neugeborene Kind bis unters Kinn geschnürt, getreu dem Wort der Schrift: „Ihr werdet es finden in Windeln gewickelt.“ Das in dieser vergangenen Technik der Säuglingspflege entstandene Windelpaket, wird in Bayern Fatschenkindl genannt. Ein blaues Band lässt sich als Hinweis auf den Knaben deuten.

Wenig komfortabel auf Holz gebettet

Das Kindl, das im Speisaltärchen verwahrt ist, wird zu seinem Geburtsfest nicht vom Pfarrer aufgenommen, zur Krippe getragen und dort auf Stroh gebettet. Es hat weiter mit dem Holzboden des Altärchens Vorlieb zu nehmen. Da strahlt die mit Spitze gesäumte Unterlage nur eine geringe Heimeligkeit aus. Die Kopfstütze macht einen gering kuscheligen Eindruck und der Stern scheint wenig Wärme zu spenden. Da liegt es nun mutterseelenallein, denn die Mama muss gerade im Auftrag des Patroziniums in den Himmel auffahren. Es ist verlassen in seine geschmückte Windel geschnürt im Souterrain des Altärchens.