Weihnachtskonzert
Audi zum Klingen bringen

18.12.2022 | Stand 17.09.2023, 8:07 Uhr

Zierde für den Autobauer: Ariel Zuckermann ist Solist und Dirigent des Georgischen Kammerorchesters. Er spielt ein Flötenkonzert von Carl Philipp Emanuel Bach. Foto: Audi

Audi feiert heuer 60 Jahre Kulturengagement. Zum Jahresende bot sich beim traditionellen Weihnachtskonzert da die Gelegenheit, das musikalische Ökosystem des Unternehmens noch einmal zu präsentieren – als eine Art Konzentrat an einem Abend. Das Ergebnis an diesem Wochenende war überraschend und überwältigend.

Audi – das hatte man manchmal fast schon vergessen – ist wirklich der musikalische Konzern. Auf der Bühne standen durchweg hervorragende und bewunderungswürdige Künstler. Eine Zierde für den Autobauer, ein tönendes Aushängeschild.

Zunächst das Vokalensemble, das besonders den ersten Teil des Abends prägte: LauschWerk. Die Formation gehört zwar nicht direkt zu Audis musikalischem Imperium, allerdings wäre die Gründung des Chors undenkbar gewesen ohne die Audi-Jugendchorakademie. Denn die Sängerinnen und Sänger rekrutieren sich größtenteils aus ehemaligen Mitgliedern dieses Chors.

Ähnlich verhält es sich mit dem Georgischen Kammerorchester (GKO), das natürlich unabhängig dasteht. Aber seit Jahrzehnten gehört der Automobilbauer zu den Hauptsponsoren und wichtigsten Förderern des wunderbaren Orchesters. Ohne Unterstützung durch Audi hätte sich das Orchester zudem niemals 1990 in Ingolstadt angesiedelt. Und dann trat noch ein Holzbläserquintett der Audi-Bläserphilharmonie auf. Mit der Gründung des Bläserensembles begann bekanntlich vor 60 Jahre das unternehmerische Kulturengagement.

Alles ehrenwerte Formationen – aber wer hätte gedacht, dass sie auf so hohem Niveau musizieren? Dabei begann das Konzert nicht unbedingt grandios – mit den ersten Takten aus Camille Saint-Saëns „Oratorio de Noël“. Gerade das Vorspiel, das „Prélude“, ist fast so etwas wie ein heimliches Orgelkonzert. Leider allerdings verfügt das Kundencenter des Audi-Forums über keine Orgel, so musste auf ein elektronisches Instrument zurückgegriffen werden – das jedoch klang so synthetisch, der Klang wirkte so trocken und so wenig überirdisch mystisch, dass er sich wie ein Fremdkörper neben den samtigen Streichern des GKO im Saal entfaltete.

Überhaupt erinnerten die ersten Takte an die Schwierigkeiten, die jedes Jahr auf diesem weihnachtlichen Audi-Hauskonzert lasten: Die Akustik im Kundencenter ist so schlecht, dass es einer ausgefeilten elektronischen Verstärkung bedarf, die natürlich immer ein Kompromiss ist. Audi zum Klingen zu bringen ist in der Tat auch ein Fall für Vorsprung durch Technik.

All die kleinen Probleme waren schnell vergessen, spätestens als LauschWerk in Aktion trat. Der Chor singt noch prägnanter, textverständlicher, leidenschaftlicher als die Audi-Jugendchor-Akademie, vor allem aber noch dynamischer. Obwohl nur rund 25 Sängerinnen und Sänger auf der Bühne standen. Gleichzeitig verfügt der Chor über zahlreiche wunderbare Solisten, die die einzelnen Arien übernehmen konnten. Ein wahrer Wunderchor, von dem man sich nur wünschen kann, dass er möglichst bald wieder in Ingolstadt auftritt, am besten erneut mit dem Georgischen Kammerorchester.

Nach der Pause übernahm Ariel Zuckermann die Orchesterleitung von Martin Steidler. Zuckermann war aber zugleich sein eigener Flötensolist. Zusammen mit dem Cembalisten Shalev Ad-El und dem Geiger Deniz Tahberer spielte er das Brandenburgische Konzert Nr. 5 von Johann Sebastian Bach. Barockmusik liegt nicht unbedingt in der DNA des Georgischen Kammerorchesters – da existieren passendere, weil spezialisierte Orchester, die auf historischen Instrumenten musizieren. Was Zuckermann gelang, ist dennoch aller Achtung wert. Denn er gestaltete Bach aus dem Geist des Tanzes heraus. Besonders im Schlusssatz konnte das Publikum hören, wie sich Zuckermann mit dem Geiger Tahberer in einem ballettartigen Dialog befand, wie sie einander die Melodien zuspielten. Wunderbar!

Tänzelnd ging es weiter mit dem Bläserquintett etwas distanziert auf einer Empore neben der Bühne – so als sollte noch einmal unterstrichen werden, dass hier keine Profimusiker auftraten. Die fünf musizierten die Sätze aus Tschaikowskys Nussknacker-Suite allerdings derart versiert und so gekonnt, wie man es von Amateuren sonst kaum erwarten kann.

Das romantische Zwischenspiel leitete über zu einem weiteren Höhepunkt des langen Abends: Ariel Zuckermann präsentierte noch einmal (nach dem Abonnementkonzert im Frühjahr) seine Version von Carl Philipp Emanuel Bachs Flötenkonzert in d-Moll. Eine in ihrer Virtuosität, in ihrer orchestralen Sturm-und-Drang-Dramatik kaum mehr zu überbietende Meisterleistung. Ariel Zuckermann ist wirklich ein Glücksfall für Audi und für Ingolstadt.

Das Konzert klang aus mit zwei Weihnachtsliedern in einer schön-kitschigen spätromantisch auftrumpfenden Fassung, bei der fast alle Musiker des Abends mitwirkten, auch das Bläserquintett. Ein fantastisches Konzert also. Und: Vielleicht das einzige klassische Konzert der Region in einem größeren Saal (hier mit 900 Besuchern), das so ausverkauft war, dass sogar an der Abendkasse Musikfreunde abgewiesen werden mussten. Zudem ein echtes gesellschaftliches Ereignis, bei dem immerhin drei Audi-Vorstände anwesend waren. Selten hat sich das kulturelle Engagement von Audi so eindrucksvoll ausgezahlt.

DK