Was kostet eine Blinddarm-OP?

04.07.2008 | Stand 03.12.2020, 5:47 Uhr

Eine Operation, verschiedene Preise: Der von Klinik zu Klinik unterschiedliche Basisfallwert und der bundesweit einheitliche DRG-Punktwert entscheiden, was das Krankenhaus letztendlich für die OP bekommt. Der Blinddarm etwa ist im Klinikum am billigsten.? Arch - foto: Stückle

Ingolstadt (DK) Das Entgeltsystem an deutschen Krankenhäusern – für den Laien ist es ein Buch mit sieben Siegeln: Fallpauschalen, Basisfallwerte, DRG, was ist das eigentlich? Und warum kostet eine Blinddarm-OP am Klinikum weniger als in der Maulklinik?

Seit 2003 wird am Klinikum und vielen anderen Häusern nach Fallpauschalen, so genannten DRG, abgerechnet. 2004 wurde die Umstellung für fast alle Häuser in Deutschland Pflicht. 2009 sollen die Pauschalen für Krankenhausleistungen zumindest innerhalb eines Bundeslandes gleich sein. Das Entgelt orientiert sich an dem jeweiligen Landesbasisfallwert. Der bayerische Landesbasisfallwert lag 2007 bei 2787 Euro, 2008 ist er auf 2804 Euro angestiegen.

Bei der Gesundheitsminister-Konferenz im schleswig-holsteinischen Plön einigten sich die Minister jetzt darauf, den Basisfallwert bis 2015 bundesweit zu vereinheitlichen (DK berichtete). Der Anstoß dafür kam von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD): "Es kann nicht sein, dass eine Blinddarmoperation in München besser honoriert wird als in Kiel."

Das Honorar für eine medizinische Leistung berechnet sich anhand des Basisfallwertes, einer Pauschale, die gegenwärtig für jedes Krankenhaus einmal im Jahr neu verhandelt wird. Das bringt Häusern, die momentan einen vergleichsweise hohen Basisfallwert haben, zwar momentan mehr Geld. 2009, wenn für alle die landesweit einheitliche Pauschale gilt, droht ihnen jedoch die finanzielle Schieflage.

Aufgrund der derzeit geltenden unterschiedlichen Werte der einzelnen Häuser müssen die Krankenkassen momentan für dieselbe Leistung unterschiedliche Entgelte zahlen. Das soll ab 2009 anders werden. Für eine Blinddarmoperation ist das Honorar dann – bei vergleichbarem Krankheitsbild – im Klinikum Ingolstadt genau so hoch wie in einem Münchener Krankenhaus, in der Klinik Kösching oder an der Maulklinik.

Das Einmaleins der Krankenhausabrechnung funktioniert so: Der Basisfallwert, multipliziert mit dem bundesweit einheitlichen DRG-Punktwert, ergibt das Entgelt, das die Klinik bekommt. 2008 gibt es über 1100 unterschiedliche DRG. Allein für die Blinddarmoperation gibt es neun verschiedene Punktwerte – je nach Komplikation und Nebenerkrankung.

Was kostet nun eine komplikationsfreie Blinddarmoperation, zum Beispiel bei einem Kind, in den Krankenhäusern der Region? Die jeweiligen Basisfallwerte von 2007 sind im Internet abrufbar, die genannten Preise stammen somit alle aus dem Jahr 2007. Die Operation war danach in Eichstätt mit 2235 Euro am teuersten. Auf Platz zwei rangierten die Kliniken Kösching und Dr. Maul mit etwa 2200 Euro. In der Pfaffenhofener Ilmtalklinik kostete die OP 2132 Euro. Am billigsten war die Blinddarmoperation am Ingolstädter Klinikum. Hier kam der Eingriff im Jahr 2007 auf 2104 Euro.

Bei der Klinik Dr. Reiser sind nur Belegärzte tätig. Deshalb lag die Vergütung 2007 für die "Blinddarm-DRG" lediglich bei 1606 Euro. Hinzu kommen allerdings noch die Honorare für den Belegarzt sowie Beleganästhesisten, die separat mit der Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet werden. Ein direkter Vergleich mit den anderen Kliniken ist deshalb nur schwer möglich.

Die mittlere Verweildauer für diese Blinddarmoperation lag übrigens bei 4,9 Tagen. Die DRG-Regelung sieht einen Aufenthalt zwischen zwei und acht Tagen vor. Bei kürzerer oder längerer Aufenthaltsdauer gibt es erhebliche Ab-, aber nur geringe Zuschläge.

Die Folge: Im Zeitalter der Fallpauschale wird der Patient so früh wie medizinisch möglich entlassen. Die Verweildauer ist auch am Klinikum rückläufig. Mit so genannten "blutigen Entlassungen", von denen in den Medien immer wieder die Rede ist, täten sich die Krankenhäuser jedoch keinen Gefallen, so Dr. Leonard Fuhry, Oberarzt der Neurologischen Klinik. Kommt der Patient nämlich mit Komplikationen zurück, gilt dies als Wiederaufnahme. Für die Nachbehandlung, wenn zum Beispiel eine Operationswunde nachblutet, erhält die Klinik in der Regel kein Geld. Fuhry: "Man muss sich frühzeitig Gedanken machen, wie sieht es nach der Entlassung mit der Nachsorge aus."

Der Zustand ist ernst. Für die deutschen Krankenhäuser ist er sogar so ernst, dass die Klinikbetreiber, Ärzte, das Pflegepersonal und die Gewerkschaften erstmals an einem Strang ziehen und öffentlich klar machen: Die Krankenhäuser sind nur noch durch eine Notoperation zu retten.

In Ingolstadt scheint die Situation noch vergleichsweise entspannt. Andreas Münch, Leiter der Abteilung Finanzcontrolling am Klinikum, drückt es so aus: "Wir sind gut positioniert für eine noch offene Zukunft nach der Konvergenzphase." In München und Berlin, fügt er hinzu, "wäre mir Angst und Bange".

Für die Zukunft müsse die Krankenhauslandschaft neu geordnet werden, meint Thomas Kleemann, der Leiter Informationstechnologie und Strategie am Klinikum. Der Trend, sagt er, gehe mehr und mehr in Richtung Spezialisierung.