Ingolstadt
Strom und Gas auf eigene Rechnung

Millionendeal: Nach 20 Jahren Teilprivatisierung könnten Stadtwerke bald wieder ganz in städtischer Hand sein

12.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:22 Uhr
Künftig wieder ganz in städtischer Regie? Der Rückkauf der Mannheimer Anteile an den Stadtwerken - hier die Zentrale an der Ringlerstraße - dürfte heuer im Stadtrat ein Thema werden. Unten die Vertragsunterzeichnung mit MVV im Jahr 2001. −Foto: Hammer, Archiv

Ingolstadt - In den Chefetagen des Rathauses ist der große Umzug nach dem Führungswechsel noch im Gange, da warten schon die ersten wichtigen politischen Termingeschäfte.

Eines davon ist die Zukunft der Stadtwerke, denn spätestens Ende 2020 muss die Partnerschaft mit Mannheim gekündigt werden, wenn Ingolstadt die Energieversorgung wieder komplett in die eigene Hand nehmen will.

Im neuen Oberbürgermeister Christian Scharpf (SPD) finden der Rückkauf und eine "ökologische Ausrichtung" des Energieversorgers einen entschiedenen Befürworter, wie schon aus seinem Wahlprogramm hervorgeht. Die Ingolstädter Bevölkerung solle "wieder hundertprozentiger Eigentümer unserer Stadtwerke werden". Die Prüfung des Rückkaufs, "ganz oder teilweise", sei ihm ein wichtiges Anliegen, erklärte der OB am Dienstag auf Anfrage. "Wir werden uns in den zuständigen Gremien bis zum Herbst mit diesem Thema eingehend befassen. "

Die Beteiligung der Mannheimer MVV Energie AG (ursprünglich Mannheimer Versorgungs- und Verkehrsgemeinschaft) geht auf das Jahr 2000 zurück. Als Unternehmensehe haben die Stadt Ingolstadt (51,6 Prozent) und MVV (48,4 Prozent) das silberne Jubiläum zwar noch nicht erreicht, aber die Frage einer möglichen Scheidung ist nicht mehr lange aufzuschieben. Laut Konsortialvertrag läuft die Partnerschaft am 31. Dezember 2021 aus und verlängert sich um weitere fünf Jahre, wenn sie nicht bis Ende 2020 gekündigt wird. Im Fall der Kündigung muss MVV seine Anteile der Stadt (beziehungsweise den INKB) zum Kauf anbieten.

"Das Unternehmen wäre schon komplett in städtischer Hand gut aufgehoben", sieht der neue SPD-Fraktionschef Christian De Lapuente keinen Grund, an der positiven Haltung der Sozialdemokraten zu einem Rückkauf der Anteile etwas zu ändern. Nach den Worten Petra Kleines, seit wenigen Tagen Bürgermeisterin, ist "von den Grünen eine Rekommunalisierung natürlich" gewünscht, auch wenn darüber jetzt noch keine konkreten Gespräche geführt worden seien.

In der vergangenen Wahlperiode hatten vor allem die Freien Wähler und die BGI die Diskussion über dieses Thema mehrmals angefacht. Bereits 2015 hatte der damalige FW-Sprecher Peter Springl an die ursprünglichen Ziele der Teilprivatisierung vor zwei Jahrzehnten erinnert, die der Stadt 116 Millionen Euro Erlös eingebracht hatte: Sicherung des Unternehmens und Vorteile durch gemeinsame Energiebeschaffung. Ob sich der damalige Millionendeal zur Jahrhundertwende für die Gas- und Stromkunden letztlich ausgezahlt hat, ist umstritten. Fest steht: Das Geschäft hat erst einmal die kommunale Kasse gefüllt, seitdem aber Jahr für Jahr fast die Hälfte des Gewinns aus dem Energieverkauf nach Mannheim geleitet, während die defizitären Tochtergesellschaften (Freizeitanlagen, öffentlicher Nahverkehr) allein kommunale Angelegenheit blieben.

Im Dezember 2019 standen zuletzt die FW- und BGI-Anträge auf der Tagesordnung des Stadtrates. Bei den internen Beratungen, die ohne Beschluss endeten, galt als grober Richtwert: Die Rückkaufsumme wäre für die Stadt wohl in 25 Jahren aus der zusätzlich zu erwartenden Gewinnausschüttung zu finanzieren. Ob sich durch die Corona-Krise die Ausgangslage verändert? "Wir wollen das Thema so schnell wie möglich wieder auf die Tagesordnung bekommen", sagt Christian Lange (BGI). "Wir halten weiter am Ziel der Rekommunalisierung fest, das macht auch finanzpolitisch Sinn. " Klaus Böttcher, jetzt wieder für die Freien Wähler im Stadtrat, sieht "spätestens nach der Sommerpause" den Termin für die Beratungen. "Letztendlich werden die Zahlen entscheiden. "

Ähnlich klingt es aus dem Mund eines langjährigen CSU-Aufsichtsratsmitgliedes der Stadtwerke. "Wir brauchen belastbare Unterlagen", sagt Hans Süßbauer, der allerdings davon ausgeht, dass die Mehrheit des Stadtrates zum Jahresende den Konsortialvertrag mit MVV kündigen wird, "damit wird Handlungsspielraum haben". Der Rückkauf der Anteile sei damit aber nicht zwangsläufig verbunden. "Da ist die CSU noch nicht so festgelegt. "

Eindeutig ist die Lage dagegen wohl für Eva Bulling-Schröter. Die Linke stößt für die Ausschussgemeinschaft von BGI,UDI, Linke und ÖDP in den Stadtwerke-Aufsichtsrat und forderte schon mehrfach den Rückkauf der Anteile.

DK