Ingolstadt
"Stadtratsarbeit verpufft weitgehend"

UDI-Fraktionschefin Soffner über demokratische Kontrolle und den Wandel in ihrer früheren Partei

29.08.2019 | Stand 02.12.2020, 13:11 Uhr
"Die Klinikumsbaustelle habe ich schon als Kind mit begleitet": Die Fraktionsvorsitzende der UDI, Dorothea, Soffner, mit alten Plänen aus der Entstehungszeit des Ingolstädter Großkrankenhauses. −Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Von der CSU-Fraktion hatte sie vor zwei Jahren genug.

Dorothea Soffner (48) tat sich mit den beiden FW-Dissidenten Sepp Mißlbeck und Gerd Werding sowie der Ex-ÖDP-Stadträtin Simone Vosswinkel zusammen. Doch die Zeit in der neuen UDI-Fraktion wird für Soffner nur ein kurzes Intermezzo bleiben, da sie sich ab 2020 als Geschäftsführerin der privaten Wirtschaftsschule voll auf ihr großes Neubauprojekt konzentrieren will.

Frau Soffner, Sie haben als Treffpunkt für dieses Interview den Eingangsbereich des Klinikums vorgeschlagen, das ist kein alltäglicher Rahmen für so ein Gespräch. Warum hier?

Dorothea Soffner: Nach knapp zwölf Jahren im Aufsichtsrat muss ich zugeben, dass das Klinikum mich schon sehr viel länger in meinem Leben begleitet. Ich hab' als Kind viel Zeit hier verbracht, aber nicht aus gesundheitlichen Gründen, sondern weil meine Tante hier Führungskraft war. Die hat auch speziell diesen Bau hier mit aus der Wiege gehoben, und ich hab' schon als Kind die Baustelle mit begleitet. Wenn ich jemals in den Stadtrat kommen darf, hab' ich gesagt, dann möchte ich mich um dieses Klinikum kümmern . Umso betroffener macht mich die Entwicklung der letzten Monate. Deshalb ist das Klinikum das, womit ich mich am stärksten identifizieren kann.

Sind die Vorgänge am Klinikum, die zum traurigen Ende des früheren Geschäftsführers und in der Folge auch zum jetzigen Prozess gegen Alt-OB Lehmann geführt haben, durch mangelnde Transparenz mit verursacht? Anders gefragt: Können ehrenamtliche Stadträte in einem solchen Firmengeflecht ihre Kontrollfunktion überhaupt noch wahrnehmen?

Soffner: Man muss unterscheiden zwischen diesem Schlagwort Compliance - was ja eigentlich nur bedeutet, dass man sich regelkonform verhält -, und der Möglichkeit, das zu kontrollieren. Früher hätte man gesagt, es gibt Dinge, die macht man nicht, das war so der Anstand, das ist teilweise etwas verloren gegangen. Und dann gibt's vorsätzliches Fehlverhalten. Wenn jemand betrügen möchte, vorsätzlich Dinge verschleiern oder Familienangehörigen etwas zuschanzen möchte, werden Sie das ganz, ganz schwierig kontrollieren können. Der Aufsichtsrat hat einen Katalog an Aufgaben. Alles, was darüber hinausgeht, sehen wir erst mal nicht. Das heißt, man bräuchte innerhalb des Systems Leute, die sagen: ,Hoppla, da läuft was schief, und ich habe, ohne selbst Gefahr zu laufen Schaden zu nehmen, die Möglichkeit, das anzuzeigen oder zur Sprache zu bringen'. Deshalb ist das Thema Ombudsmann und Whistleblower unglaublich wichtig.

Für die Stadtverwaltung insgesamt ist geplant, eine Ombudsperson einzustellen. Wie weit ist das inzwischen gediehen?

Soffner: Den Beschluss gibt es, und das Verfahren ist jetzt am Werden. Wir haben auch konkret jemand im Auge, der das übernehmen wird. Es geht hier um eine externe Institution. Das gesamte Thema Compliance-Regelwerk und Ehrenordnung ist ja zurückgestellt worden für die nächste Stadtratsperiode. Ich denke, dass da heuer nicht mehr viel Bewegung reinkommen wird. Aber es ist unglaublich wichtig.

Bei einer Ombudsstelle müssen auch anonyme Hinweise möglich sein. Ist das inzwischen geklärt?

Soffner: Das war ein strittiges Thema. Es muss aber zwingend so sein, anders kann es überhaupt nicht funktionieren. Wir haben ja erlebt, dass Leute, die am Klinikum reklamiert und gesagt haben, ,das und das finden wir nicht in Ordnung', sofort Repressalien hatten. Deshalb brauchen wir diese Anonymität und einen vernünftigen Ombudsmann und eine vernünftige Institution, die das prüft und sagt: ,Das ist Quatsch' oder ,Dem müssen wir nachgehen'.

In einem DK-Beitrag hat kürzlich die städtische Beteiligungsmanagerin Andrea Steinherr erklärt, durch die ständig wachsende Zahl der kommunalen Tochtergesellschaften werde den ehrenamtlichen Stadträten in keiner Weise die demokratische Kontrolle erschwert. Was ist Ihre Erfahrung?

Soffner: Ich erlebe das als zweischneidiges Schwert. In den Tochtergesellschaften selbst wird deutlich intensiver nachgeschaut, die Bilanzen werden nachgeschaut, im Klinikum gibt es einen eigenen Rechnungsprüfungsausschuss. Aber wenn ich diese Gremien politisch besetze, und die Kollegen sich teilweise nicht mal mit eigenen Fraktionskollegen austauschen können, dann wird's schwierig. Was nutzt mir denn das Bauchgefühl, dass was nicht stimmt, oder das Wissen, dass da oder dort zu viel ausgegeben wird oder die Strukturen nicht stimmen - wenn ich aber dann eine gläserne Wand habe. Dann nutzt mir das nichts. An sich ist der Ansatz der Töchter gut, aber es ist ein stumpfes Schwert, weil es nicht genutzt werden kann.

Welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen?

Soffner: Die Frage ist, ob man einen Teil der Aufsichtsräte mit externen Fachleuten besetzt, also nicht nur rein politisch, denn Sie haben immer Abhängigkeiten. Und solange ich noch einen attraktiven Listenplatz haben möchte oder - ich sag's mal übertrieben - eine Bier- oder Hendlmarke, ein Pöstchen oder irgendwas, solange werde ich niemandem ans Schienbein treten, auch wenn etwas nicht in Ordnung ist.

Die UDI, deren Fraktion Sie im Stadtrat führen, gibt es jetzt seit gut zwei Jahren. Auf der Webseite findet sich ein netter Vergleich der Fraktionsmitglieder als ein breit aufgestelltes vierblättriges Kleeblatt. Die UDI-Mission als Glücksbringer war aber zuletzt nicht gerade erfolgreich, wenn man nur den Alleingang Sepp Mißlbecks bei den Kammerspielen anschaut, der in den eigenen Reihen keine Unterstützung fand. Wie soll die UDI damit 2020 die Wähler überzeugen?

Soffner: Die UDI hat sich von Anfang an vorgenommen: Jeder darf seine Meinung haben und darf sie auch vertreten. Das heißt nicht, dass wir - genau wie andere Fraktionen - alle auf eine Linie bürsten. Wenn jemand sagt: ,Ich möchte genau dieses Thema spielen', haben die anderen die Möglichkeit sich überzeugen zu lassen oder nicht. Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir diesen Weg nicht mitgehen. Der Gerd Werding war sogar beim Auswahlverfahren in dieser Kommission drin. Der Entwurf vom Peter Bachschuster ist superschön, der gefällt uns. Wir sind auch stolz, dass er als unser Mitglied einen so tollen Entwurf gemacht hat, aber deswegen können wir jetzt nicht in das Verfahren reingrätschen. Als Person werden wir den Sepp Mißlbeck in allem schützen, was geht. Den Sepp Mißlbeck können Sie nicht überreden, den können Sie nur überzeugen. Wenn der eine Überzeugung hat, dann vertritt er die. O. k. , das ist in Ordnung. Aber er muss sich dessen bewusst sein, dass er dafür möglicherweise öffentlich Haue bekommt. Es war von Anfang an klar, dass wir den Weg nicht mitgehen.

Was bleibt nach Mißlbecks Vorstoß zum Thema Donau?

Soffner: Zum Wahlkampf werden die Themen immer wieder gespielt. Es gab 2013 zum Thema Stadt an der Donau einen tollen Wettbewerb, es gab superschöne Vorschläge. Jetzt durch die Mißlbeck-Debatte und nur durch den öffentlichen Druck entdeckt die CSU die Donau wieder. Was hat sie denn sechs Jahre gemacht?

Sie selbst waren ja bis zum öffentlichen Bruch 2017 sehr lange mit der CSU eng verbunden, als Vorsitzende der Frauen-Union, Stadträtin, Vertraute von Christine Haderthauer. Wie unterscheidet sich die heutige Ingolstädter CSU von der Partei, in die Sie damals eingetreten sind?

Soffner: Ich bin eingetreten unter einem Führungskleeblatt, das mir in dieser Konstellation sehr imponiert hat. Das waren Beckstein (früherer Kreisvorsitzender Wolfgang Beckstein, d. Red. ), Haderthauer, Lehmann und Genosko. Das waren für mich Persönlichkeiten, bei denen ich mithelfen und mitmachen wollte. Die vier sind entweder nicht mehr da oder entzaubert oder abgesägt. Genauso hat sich auch der Ton verändert, was natürlich auch den knappen Mehrheiten geschuldet ist. Je knapper die Mehrheiten, desto weniger darf es abweichende Meinungen oder Ideen geben. Das sind alles Dinge, die ich anders erlebe.

FW-Fraktionschef Peter Springl steigt ebenso wie Sie aus der Stadtpolitik aus. Im DK-Interview hat er eine recht ernüchternde Bilanz der Stadtratsarbeit gezogen. Gleiche Frage an Sie: Können Sie Ihren Kindern empfehlen, sich in der Kommunalpolitik zu engagieren?

Soffner: Ich würde meinen Kindern raten sich zu engagieren, weil sich Engagement immer lohnt. In der jetzigen Situation erlebe ich, dass die Stadtratsarbeit, auch die gute Arbeit anderer Fraktionen, weitgehend verpufft. Die vielen guten Sachanträge werden erst mal nicht mehr öffentlich diskutiert. Die Kollegen sind auch nicht hinterher, ihre eigene Arbeit darzustellen, was mir völlig unverständlich ist . Ich hab' Leute erlebt, denen es wichtiger ist, dass die Stadtratssitzung schnell aus ist und man zum Essen kommt. Das ist mir ein Graus. Im Moment ist es manchmal schon müßig, sich einzubringen und Gedanken zu machen. Die UDI hat in den letzten Monaten zig Anträge gestellt. Ein Antrag zur Satzung der Klinikum GmbH liegt seit ungelogen über zwei Jahren und ist noch nicht bearbeitet. Da frage ich mich, warum man sich die Arbeit macht. Wir haben's mehrfach reklamiert. Ich bin gespannt, ob es noch behandelt wird, solange wir in dem Gremium sitzen.

Das Gespräch führte

Reimund Herbst.