Schon
Schlange stehen für eine Gurke

Woche für Woche versorgt die Ingolstädter Tafel rund 1500 bedürftige Menschen mit Lebensmitteln

23.12.2013 | Stand 02.12.2020, 23:16 Uhr
Wenn das Geld nicht reicht: Die Kunden der Ingolstädter Tafel haben einen Berechtigungsschein der Stadt und bekommen für einen symbolischen Euro im Proviantamt Lebensmittel aller Art. −Foto: Hauser

Schon eine gute halbe Stunde vor Beginn der Lebensmittelausgabe füllt sich der weite Innenhof zwischen Sozialem Rathaus und Proviantamt mit älteren Menschen. Deutsch, Russisch, Kroatisch, Rumänisch, Englisch – babylonisches Stimmengewirr.

Männer und Frauen stehen in kleinen Gruppen zusammen oder ruhen sich auf den Sitzen ihrer Rollatoren ein wenig aus und reden über Neuigkeiten. Jeder hat sich mit Tüten, Taschen oder Einkaufswägelchen ausgerüstet. Heute ist auch ein besonderer Tag: der letzte Ausgabetag, ehe sich die Ingolstädter Tafel in die Weihnachtsferien verabschiedet.

Und da gibt es nicht nur wie jeden Mittwoch Brot und Kartoffeln, Obst und Joghurt, die Supermärkte, Bäckereien, Gemüsehändler und Wochenmarktbeschicker zur Verfügung stellen. „Heute bekommt jeder Kunde auch ein Weihnachtspäckchen“, sagt Petra Willner. Schon im Oktober hat die Schatzmeisterin und stellvertre-tende Vorsitzende des 1999 gegründeten Vereins mit der Organisation dieser Aktion begonnen. Fünf Ingolstädter Firmen unterstützten sie mit Spenden. „Ohne sie könnten wir das nicht machen“, erklärt Willner.

Einen langen Nachmittag über haben zehn Teams der 120 ausschließlich ehrenamtlichen Mitarbeiter der Tafel 500 bunte Weihnachtstüten mit Stollen, Lebkuchen und Trüffelpralinen, einer Nikolaustüte, Nüssen und einem Duschbad gefüllt. Sie stehen unter einem großen Schirm in einer Reihe säuberlich gestapelter Kisten bereit. 250 Päckchen verteilen drei bis vier Mitarbeiterinnen am Vormittag an die älteren Leute. Am Nachmittag kommen weitere 250 Kunden, behinderte und psychisch kranke Menschen, Familien mit Kindern. 1500 Bedürftige versorgt die Tafel Woche für Woche, derzeit auch rund 70 Asylbewerber, dazu rund 20 soziale Einrichtungen wie Frauenhaus und Insel. Sechs Brennpunktschulen erhalten Joghurt, Säften und Obst für die Mittagsmahlzeit der Schüler.

Vor dem Kistenstapel steht ein Tisch, geschmückt mit Christrosen in Töpfen, daneben ein stattlicher Christbaum, geschmückt mit Kugeln und roten Schleifen – die Spende einer Gärtnerei. Auf der anderen Seite ein Tisch mit Weihnachtsgebäck, bei dem jeder zugreifen darf. Sibylle Hertel schenkt gerade Punsch aus, „alkoholfreie Wärme von innen“, betont die weitere stellvertretende Vorsitzende. Zwei Heizpilze, Leihgabe einer Firma, sorgen an diesem trüben und kalten Tag für ein bisschen Wärme von außen. Der Nikolaus begrüßt die Kunden, wie die Abholer bei der Tafel genannt werden.

„Wo kann ich denn meine Nummer ziehen“ „Ich habe meine Berechtigungskarte verloren.“ „Wann gibt es die Päckchen“ An der tannengrünen Schürze mit der Aufschrift „Ingolstädter Tafel“ sind in dem dichter werdenden Gedränge die Mitarbeiter gut zu erkennen. Geduldig und freundlich beantworten sie alle Fragen und reichen den älteren Herrschaften schon mal den Arm, um sie an ihr Ziel zu geleiten.

Zwei der sechs Fahrerteams rollen mit den Transportern aus der Proviantstraße vor den Eingang der Tafel und laden weitere Frischware aus. An vier Tagen pro Woche holen sie ab, was die Geschäfte der Tafel spenden. Im hinteren der drei hohen Räume mit Tonnengewölbe, die der Tafel im Proviantamt auf 280 Quadratmetern zur Verfügung stehen, sichten weitere Mitarbeiter die Lebensmittel. Sie entfernen welke Blätter von den Salatköpfen und sortieren verschimmelte Zitronen und Mandarinen aus den Netzen. Im mittleren Raum wird Punsch gekocht und Gebäck aufgeschnitten. Im Eingangsraum türmen sich derweil die Körbe mit den Lebensmitteln.

Vor der Treppe draußen kommt das Gewusel allmählich in geordnete Bahnen. Die Kunden bilden eine lange Schlange. Die Erfahrenen sagen den Neulingen schon, wie die Ausgabe abläuft. Der heutige Tag unterscheidet sich aber in noch einem wesentlichen Punkt: Den sonst fälligen Euro müssen die Kunden nicht zahlen. Um zehn Uhr öffnet sich die Tür zum „Laden“. Die Weihnachtspäckchen gibt’s anschließend.