Ingolstadt
Kunst als politisches Statement

Die langjährige SPD-Stadträtin und Malerin Gerda Büttner-Biernath wird am Sonntag 75 Jahre alt

20.07.2018 | Stand 23.09.2023, 4:10 Uhr
"Alles Fiktion" sagt Gerda Büttner-Biernath. Eines ihrer "Nagelmuster" stellt eine Tonleiter dar. Das verarbeitete Holz stammt von einem in der Theresienstraße renovierten Haus. −Foto: Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Die Politik sei "zurzeit nicht mehr auszuhalten", sagt die langjährige SPD-Stadträtin und Künstlerin Gerda Büttner-Biernath. Deshalb wird ihre Ausstellung, mit der sie am 30. September die Ingolstädter Künstlerinnentage eröffnen wird, eine politische sein. AfD, CSU, Trump: "Wir leben in einer Zeit, wo jeder denkende Mensch verzweifelt." Gerda Büttner-Biernath setzt ihre Gedanken lieber in Kunst um. An diesem Sonntag feiert sie im Kreise ihrer Familie 75. Geburtstag.

Man kennt sie als Künstlerin, als Stadträtin, wo sie sich 17 Jahre lang - bis 2008 - vor allem für Kultur- und Umweltthemen stark gemacht hat. Und natürlich ihr Engagement für Afrika, wo sie mit ihrem 2004 verstobenen Mann, dem späteren SPD-Bundestagsabgeordneten Hans Büttner, drei Jahre gelebt hat. Zwei Jahre später gründete sie in Erinnerung an ihn Wisekids, ein Förderverein für Aidswaisen in Sambia. Wisekids ermöglicht Kindern, deren Eltern an Aids gestorben sind, ein Schulstipendium, Gerda Büttner-Biernath war von Anfang an Vorsitzende des Vereins. Vor zehn Jahren rief sie in Ingolstadt das Afrikafest ins Leben, das längst zu einem Selbstläufer geworden ist. Die damit verbundene Vorarbeit hat sie heuer erstmals in andere Hände gelegt. Das Fest wird jetzt von Angelika Gützlaff und Josef Prah, dem Vorsitzenden des Afrikavereins, organisiert. "Es ist wunderbar, wenn man einen Nachfolger hat", sagt Büttner-Biernath. Sie ist kein Mensch, der an Ämtern festhält, bis ins hohe Alter. Dass sie immer noch Mitglied in 22 Vereinen ist - davon bei einigen im Vorstand - ist dennoch Ehrensache. "Was würde aus den Vereinen, wenn alle, die 65 sind, austreten würden?"

Zum Pressegespräch sitzt Gerda Büttner-Biernath entspannt auf der Dachterrasse ihrer Altstadtwohnung. Sie genießt das schattige Plätzchen zwischen Sträuchern und Kräutertöpfchen im Sommer jeden Tag aufs Neue. "In der Früh sitzen immer die Spatzen da." Der wassergefüllte Terrakottauntersetzer, den sie als Vogeltränke aufgestellt hat, ist gut frequentiert. Die Fassade aus Sichtbeton harmoniert mit den in Grautönen gehaltenen Bildern der Malerin Gerda Büttner-Biernath im Wohnzimmer. "Ich mag Beton. Es ist einer der urältesten Baustoffe. Deshalb gefällt mir auch das Stadttheater so gut."

Da wären wir wieder beim Hauptthema Kunst und Kultur, das der Jubilarin gerade in der heutigen Zeit so wichtig ist. Wobei die Themen heute und früher nicht weit auseinander liegen, wie Büttner-Biernath betont. "Alles, was ich vor Jahrzehnten schon mal beackert habe, ist aktueller denn je." So wird die politisch geprägte Ausstellung Büttner-Biernaths zur Eröffnung der Künstlerinnentage "Der Oktober ist eine Frau" das Grundgesetz genauso zum Thema haben wie Menschenrechte, die Kreuzdiskussion und Wackersdorf. Zum Thema Grundgesetz, "eine wirkliche Errungenschaft des 20. Jahrhunderts", die zunehmend wieder infrage gestellt werde, wird sie zwölf Tafeln aufstellen. Wie schon einmal, bei einer Ausstellung im Willy-Brandt-Haus. Auch die aktuelle Kreuzdiskussion will sie künstlerisch aufarbeiten. 1995, als das Bundesverfassungsgericht urteilte, dass Kruzifixe aus bayerischen Klassenzimmern entfernt werden müssen, gab es die Diskussion schon einmal. Und auch diesmal findet Büttner-Biernath: "Das Kreuz wird verbraucht für Parteizwecke." Künstlerisch verarbeitet sie so ziemlich alles: Vom Thema Zellen, das sich in ihren Arbeiten "absolut unwissenschaftlich" widerspiegele, bis zu "meinem Ischias". Die gemeinen Nervenbahnen seien manchmal "schlimmer als Kinderkriegen", sagt die zweifache Mutter.

Die gebürtige Münchnerin kam 1982 mit ihrem Mann Hans, der DGB-Vorsitzender wurde, nach Ingolstadt. Zuvor, in ihrer gemeinsamen Zeit in Afrika, war Hans Büttner für die Friedrich-Ebert-Stiftung tätig, später zog er für die SPD in den Bundestag ein, dem er bis zu seinem plötzlichen Tod 2004 angehörte. Als Bundestagsabgeordneter hatte Büttner das Förderprogramm Soziale Stadt nach Ingolstadt geholt, das damals im Piusviertel startete. "Und die Pionierschule", wie Gerda Büttner-Biernath erinnert. Bei ihrer Arbeit im Stadtrat standen kulturelle Themen im Vordergrund. 2016 wurde sie von der Stadt für ihre Verdienste um Kunst und Kultur mit der Johann-Simon-Mayr-Medaille ausgezeichnet.

Eines ihrer größten politischen Leistungen: Die Mahn- und Gedenkstätte im Luitpoldpark. Das Kriegerdenkmal nach dem Bau der Glacisbrücke einfach zu verlegen, "wäre zu wenig", sagt Büttner-Biernath. Sie wollte eine richtige Gedenkstätte für die Opfer der Nazizeit. Es gründete sich eine Initiativgruppe. Das Projekt im Stadtrat durchzusetzen, war "jahrelange Arbeit". Unzählige Gespräche und "positive Überzeugungsarbeit" seien nötig gewesen, um im Stadtrat eine Mehrheit zu bekommen. Es war "kein Parteithema", es ging um Inhalte. "Man hat gesprochen, diskutiert und nach Lösungen gesucht."

Damals, sagt sie, war die Gesprächs- und Diskussionskultur im Ingolstädter Stadtrat noch eine andere als heute. "Was ich sehr bedauere."

Ruth Stückle