Ingolstadt
Kein Platz für eine Waldorfschule?

Der Ingolstädter Förderverein sucht seit Jahren vergeblich nach einem geeigneten Standort in der Region

06.11.2019 | Stand 23.09.2023, 9:20 Uhr
Sabine Kaczynski
Seit einem Vierteljahrhundert existiert in Ingolstadt ein Waldorfkindergarten, eine Waldorfschule hat sich daraus aber nie entwickelt. −Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Vor 100 Jahren wurde die erste Waldorfschule in Deutschland eröffnet - eigentlich wäre dieses Jubiläum ein perfekter Anlass, auch in Ingolstadt oder der Region eine Waldorfschule zu gründen.

Genau diesem Vorhaben hat sich der Förderverein Waldorfschule Ingolstadt verschrieben, aber die Umsetzung gestaltet sich weitaus schwieriger als vermutet. Denn obwohl der Verein seit vielen Jahren intensiv nach einem geeigneten Standort für eine Schule sucht, blieb das Unterfangen bislang erfolglos.

Doch wie ist der Gedanke einer Waldorfschule für Ingolstadt überhaupt entstanden? Sigrid Cordes, Vorsitzende des Fördervereins, ist Mutter von vier Kindern, kommt ursprünglich aus Nordrhein-Westfalen und zog später nach Bayern um. Vor diesem Hintergrund hat sie nicht nur die länderspezifischen Regel-Bildungssysteme, sondern auch die Montessori-Schulsysteme in beiden Bundesländern kennengelernt. Zudem hat ihre Schwester vor mehr als 25 Jahren in Köln eine Waldorfschule gegründet: "Zuerst war ich kritisch, doch als ich die Entwicklung meiner Nichten und Neffen und der anderen Schüler gesehen habe, war ich sehr beeindruckt und habe beschlossen, das auch meinen Kindern zu ermöglichen. "

In Ingolstadt gibt es zwar seit 25 Jahren einen Waldorfkindergarten (an der Westlichen Ringstraße), den der Nachwuchs von Sigrid Cordes auch besucht hat, doch eine Schule entstand daraus nie. Damit war der Ehrgeiz der engagierten Mutter geweckt. Auf Anweisung des Schulamts sammelte sie Adressen, fand über den Kindergarten und verschiedene Werbeaktionen Gleichgesinnte und gründete schließlich im November 2010 den Förderverein Waldorfschule.

Trotz intensiver Anstrengungen gibt es aber in der Region noch immer keine Waldorfschule, denn es fehlt auch nach neun Jahren die wichtigste Voraussetzung: ein geeignetes Grundstück oder Gebäude für die geplante Schule. Getan hat sich seit der Gründung des Vereins aber dennoch eine ganze Menge: Ein Schulkonzept wurde entwickelt und der Regierung von Oberbayern vorgelegt, die es bereits als genehmigungsfähig beurteilt hat. Auch ein Finanzplan, der sofort umgesetzt werden könnte, liegt vor. Doch obwohl der Verein seit Jahren in intensivem Kontakt mit Institutionen und der Stadtpolitik steht, blieb die Suche nach dem perfekten Standort bislang erfolglos.

Aber woran liegt das? "Wir befinden uns hier in einer Boomtown. Wenn etwas frei ist, wird es entweder für eine Kita genutzt oder es ist in der Hand von Audi oder einem der Zulieferer", bedauert Cordes. Auch die Lage des Grundstücks oder Gebäudes spielt eine wichtige Rolle, denn eine gute Verkehrsanbindung muss gewährleistet sein: "Das Einzugsgebiet einer Waldorfschule beträgt erfahrungsgemäß rund 80 Kilometer", erklärt Cordes.

Ein weiteres Problem stellen die Vorurteile dar, mit denen die Philosophie der Waldorfschulen noch immer behaftet ist: "Die Idee, dass die Region von einer Waldorfschule als Alleinstellungsmerkmal profitieren könnte, ist vor allem älteren Gemeinderatsmitgliedern oft schwer zu vermitteln", schildert die Vorsitzende. "Zudem wird eine solche Einrichtung auch als Konkurrenz zur vorhandenen Regelschule gesehen. "

Dabei wäre das Interesse an einer Waldorfschule in der Region bei Erziehungsberechtigten durchaus vorhanden: "Schon seit Jahren sprechen uns Eltern diesbezüglich an, aber man will eben eine Schule, die bereits vorhanden ist. Ich bin mir sicher, wir könnten uns vor Anmeldungen nicht retten - die Schule wäre ein Selbstläufer", ist die Vereinsvorsitzende überzeugt. Hätte man einen geeigneten Ort, könnte man den Unterrichtsbeginn bereits zum kommenden Schuljahr garantieren: "Ende März ist der Stichtag, an dem wir Schüler- und Lehrerverträge vorlegen müssen. Das könnten wir auf die Beine stellen", versichert Cordes.

Starten würde man mit einer ersten und einer dritten Klasse und könnte so im zweiten Gründungsjahr bereits vier Grundschulklassen anbieten.

Doch was macht eine Waldorfschule eigentlich aus? "Waldorfschulen stellen eine Erweiterung der Schullandschaft dar, denn es sind öffentliche Schulen in privater Trägerschaft, die jedes Kind besuchen kann. Von allen alternativen Schulen ist die Waldorfschule die einzige, die nach einem eigenen Lehrplan unterrichtet. Sie ist daher zwar nicht staatlich anerkannt, aber es können dort trotzdem alle Abschlüsse absolviert werden. Für die größer werdende Anzahl an Kindern, die psychische Probleme oder Schwierigkeiten mit dem Leistungsdruck haben, kann die Waldorfschule eine Alternative sein. Denn sie kommt ohne Noten und ohne Sitzenbleiben aus und arbeitet stattdessen mit umfangreichen Beurteilungen", so Cordes, die selbst ausgebildete Waldorflehrerin ist.

Nicht jedes Kind müsse eine Waldorfschule besuchen, betont die Vorsitzende, "aber eine Großstadt wie Ingolstadt sollte für Eltern und Kinder die Möglichkeit zur Auswahl bieten".

Gelegenheit zum Kennenlernen des Ingolstädter Fördervereins gibt es am kommenden Samstag, 9. November, um 17 Uhr im Waldorf-Kindergarten an der Westlichen Ringstraße / Ecke Probierlweg beim "Aktiventreffen" des Vereins. Informationen zu den Voraussetzungen eines geeigneten Grundstücks oder Gebäudes und alles Wissenswerte rund um Waldorfschulen erhält man unter kontakt@waldorfschule-ingolstadt. de und www. waldorfschule-ingolstadt. de.

Sabine Kaczynski