Ingolstadt
Ein Leben mit der Konradkirche

Kajetan Irrenhauser kennt die ganze Geschichte des 60 Jahre alten Gotteshauses

28.06.2012 | Stand 03.12.2020, 1:20 Uhr

Ein Kirchturm, der Orientierung bietet: Nicht nur für Kajetan Irrenhauser (oben im Bild) war der Bau von St. Konrad ein wichtiges Ereignis. Die Entstehungszeit ist in vielen Fotos dokumentiert. Die hier gezeigten Aufnahmen stammen aus dem kürzlich herausgegebenen Buch über das Konradviertel - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Was der Bau dieser Kirche vor 60 Jahren für den Nordosten Ingolstadts bedeutet hat, kann sich heute niemand mehr vorstellen. Das Gotteshaus – im Oktober 1952 geweiht – wurde in den Jahrzehnten nach dem Krieg zum Mittelpunkt des ganzen Konradviertels und gab ihm auch seinen Namen.

In den zeitgenössischen Urkunden von 1950 klingt die Angelegenheit noch völlig belanglos: Die Stadt verkauft 9000 Quadratmeter Fläche an die Pfarrgemeinde St. Josef zum Preis von 15 900 D-Mark. In Wirklichkeit war dies quasi die amtliche Geburtsstunde für den Bau der neuen Kirche und wenig später auch die Gründung der Pfarrei St. Konrad.

„Das Werk ist nun vollendet“, verkündete Bischof Joseph Schröffer am Christkönigsfest 1952 bei der feierlichen Einweihung des Kirchenbaus der stolzen Gemeinde, „der Herr schickt sich an, in diesem Haus Einzug zu halten, für das wir den heiligen Bruder Konrad von Parzham zum Pförtner bestellt haben.“

Kajetan Irrenhauser, 77 Jahre alter Bewohner des Konradviertels, hat an den Festakt noch Erinnerungen ganz anderer Art. Sein Vater war der Mesner, und natürlich musste die ganze Familie bei so einem kirchlichen Großereignis mit anpacken. „Bei der Einweihung waren an Haufn Pfarrer dabei, die mussten alle angezogen werden, das war ein Durcheinander“, erzählt der alte Herr, der sein ganzes Leben im Viertel verbracht hat – außer wenn er als Berufssoldat wieder einmal beruflich viel unterwegs war.

Wo die Kirche St. Konrad steht, gab es einmal einen richtigen Wald, das so genannte Pionierhölzl. „Da haben wir als Buben barfuß drin Fußball gespielt“, schildert Irrenhauser seine ersten Jahre, „mit blauen Zehennägeln, weil wir uns die Füße an den Wurzeln angehaut haben.“ In der Nähe stand Anfang des 20. Jahrhunderts das Gasthaus „Zum Pionierübungsplatz“, Betreiber Simon Hummel, aus dem später das Hotel Hummel in der Feldkirchener Straße hervorging.

Die Familie Irrenhauser war der Pfarrei in vielfacher Weise verbunden. Vater Kajetan diente von 1952 bis 1963 als Mesner. Er wohnte – sogar schon vor der offiziellen Weihe – mit Frau und Kindern im Obergeschoss des Zwischenbaus zwischen Kirche und Pfarrheim, unten hatte er seine Werkstatt als Schuhmacher. Die Irrenhausers betrieben nebenbei fast noch einen kleinen Bauernhof, hielten Hühner und Gänse, Enten und Hasen. „Die Glocke haben wir noch mit dem Strick geläutet, früh um sechs, mittags, abends je nach Jahreszeit“, berichtet Sohn Kajetan, „heute braucht man zum Läuten bloß noch den Knopf zu drücken, das stellt man am Computer ein.“

Als der Vater starb, übernahm die Mutter die Mesnerarbeiten, wenngleich mit Einschränkungen. Denn Frauen durften damals am Altar keine Dienste verrichten, wie Irrenhauser aus Erfahrung weiß, so mussten die Söhne ran. Bis ins hohe Alter war der Senior noch im Sommer als Urlaubsaushilfe für den Mesner im Einsatz. Doch in all den Jahren war die Pfarrei St. Konrad auch sonst für ihn ein wichtiger Teil seines Lebens – ob als Jugendleiter, als Akteur bei Theateraufführungen im Pfarrheim oder als Chronist bei der 50-Jahr-Feier.

Der architektonische Reiz des Gotteshauses erschließt dem heutigen Betrachter nicht mehr so leicht, weil die Kirche von allen Seiten zugebaut wurde. Die Pläne stammten seinerzeit von dem Architekten Paul Juraschko und – auch das war vor 60 Jahren noch möglich – Stadtbaurat Wilhelm Lutter.