Ingolstadt
"Der Abrissbagger war nicht bestellt"

OB Christian Lösel über die Eselbastei, das Georgische Kammerorchester, soziale Netzwerke und Ikea

12.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:25 Uhr

2020 der erste Neujahrsempfang im neuen Kongresssaal? Rathauschef Christian Lösel hofft bei der vielfach diskutierten Baustelle auf dem Gießereigelände noch immer darauf. - Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Nach dem Fischerstechen beim Schanzer Donaufest ging Oberbürgermeister Christian Lösel am Freitag für zwei Wochen in Urlaub. Seine Sommerpause kommt direkt nach einer turbulenten Aufwallung wegen der Eselbastei. Dazu hat der Rathauschef im Interview mit der DK-Lokalredaktion noch einmal Stellung genommen - genauso wie zu den Zeitplänen für das Kongresshotel und das digitale Gründerzentrum, die Diskussionskultur auf Facebook und im Stadtrat, seinem Eingreifen beim Georgischen Kammerorchester sowie der Frage, ob Ikea bald in Zuchering bauen wird.

Herr Lösel, bei dem Streit um den Abriss der Mauerreste auf der Eselbastei ist eine Frage bisher offengeblieben: War der Bagger schon vor dem Stadtratsbeschluss bestellt?

Christian Lösel: Die IFG hat heute früh mitgeteilt, dass der Abrissbagger nicht bestellt war. Wenn man den Bagger bestellt, bevor der Beschluss gefällt ist, muss man am Schluss vielleicht für etwas zahlen, was nicht beschlossen ist. Es war ja nicht klar, dass der Abrissantrag wirklich gestellt wird. Man hat ja gesehen, dass der Antragsteller (FW-Fraktionschef Peter Springl, d. Red.) ihn mehrfach formuliert hat.

 

Zumindest war schnell eine Firma greifbar, die tätig geworden ist, was den Anschein erweckte, dass vorher angefragt wurde.

Lösel: Die IFG hatte mitbekommen, dass es Überlegungen für diesen Antrag gibt und gesagt: Wir brauchen noch Monate der Dokumentation. Man möchte mit der archäologischen Dokumentation nicht in die Frostperiode reinkommen.

 

Wenn es jetzt auf dem Gießereigelände planmäßig weitergeht, wann soll der Bau des Kongresshotels beginnen?

Lösel: Die Überlegungen des Investors und der IFG sind so, dass man bis spätestens Ende März 2017 die Baugenehmigungen hat, die vorher natürlich in den Stadtrat kommen. Ich denke, dass mit dem Weiterbau der Tiefgarage ab Sommer/Herbst 2017 begonnen wird. Dann geht's nach oben.

 

Und wann soll der erste städtische Neujahrsempfang im neuen Kongresssaal stattfinden?

Lösel: Ich hoffe, 2020.

 

Nach dem Aufschrei wegen der Eselbastei - wie wollen Sie die Öffentlichkeit über das informieren, was dort jetzt weiter passiert?

Lösel: Erst muss dokumentiert werden, damit man überhaupt weiß, was es noch gibt. Was weggenommen wurde, ist ja nicht die Eselbastei, sondern die darauf stehende Mauer. Von der Eselbastei gibt es nur noch Fundamentreste. Man geht davon aus, dass es Holzpfähle sind und vielleicht eine Steinauflage. Das wissen aber nicht mal die Archäologen genau. Man kann sicher informieren, aber das müsste dann strukturiert im Stadtrat geschehen.

 

Würden Sie aus heutiger Sicht in der Information der Öffentlichkeit etwas anders machen?

Lösel: Die Öffentlichkeit ist über den DONAUKURIER unmittelbar nach dem Stadtratsbeschluss und nach der IFG-Sitzung zwei Wochen davor informiert worden. Und der Stadtrat ist durch die IFG über die Problemlage ausführlich informiert worden.

 

In der Vergangenheit hat es sich bewährt, den Bürgern auf wichtigen Baustellen Führungen anzubieten und zu erklären, was gemacht wird.

Lösel: Diese Baustellenführung wird es im Herbst geben, zum Kongresshotel und zu dem ganzen Areal. Das wird wohl im Oktober stattfinden.

 

Für das digitale Gründerzentrum ist eine Übergangslösung vorgesehen, bis das Kavalier Dallwigk saniert ist und der Neubau steht. Wie soll die aussehen?

Lösel: Die Ausschreibungsunterlagen des Freistaats sehen vor, dass man mit dem Betrieb relativ rasch anfangen muss, das heißt binnen weniger Monate. Das wird auf dem Gelände der Technischen Hochschule mit Containerlösungen vorgenommen werden. Parallel dazu wird die städtische Tochtergesellschaft INKo Bau die Planungen vorbereiten und in den Prozess der Dallwigk-Sanierung und der Errichtung eines wie auch immer gearteten Anbaus eintreten.

 

Werden die Container heuer aufgestellt?

Lösel: In diesem Jahr wohl nicht mehr, weil wir ja noch die zweite Stufe der Auswahl haben. Bis dahin muss man das Konzept für das Gründerzentrum etwas nachschärfen. Am Anfang braucht man auch nicht die vollständigen Einrichtungen, das wird sicherlich wachsen. Unser Konzept ist so, dass es Ausschreibungen geben wird und man bestimmte Themen im Bereich der autonomen und digitalen Mobilität erforschen lässt. Die Unternehmen werden selbst Wettbewerbe ausschreiben im Gründerzentrum, welche Forscher und Gründer sich mit welchen Themen beschäftigen möchten. Wir machen dazu zwei Bürgerbeteiligungen, einmal für Fachleute und dann wohl eher für die Öffentlichkeit mit dem ganzen Thema Bauen, Gestaltung, Panoramarestaurant und Dachnutzung. Die Aufbauten des Wasserturms und des Trafohäuschens auf dem Dallwigk sollen für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Vom Kavalier hat man einen unverbaubaren Blick über das gesamte Donauareal. Man möchte da die Möglichkeit für schöne Empfänge und Gastronomie schaffen.

 

Im Herbst laufen die Haushaltsberatungen an. Vom Konsolidierungsrat hat man lange nichts gehört, arbeitet der noch?

Lösel: Ja. Wir haben zwei große Sitzungen gehabt. Bei beiden sind Wünsche hauptsächlich von SPD und Grünen gekommen, man möge sich mit den einzelnen Referenten treffen. Das läuft. Es gab ja den Wunsch, über die Sommerpause nichts zu machen und erst zu Beginn der Haushaltsberatungen im September den Konsolidierungsrat wieder einzuberufen. Zentrales Thema war immer die 15-prozentige Haushaltssperre und die Frage, ob die auch im nächsten Jahr gilt. Beim ersten Termin hat man überlegt, wo stehen wir überhaupt. Dann gab es Überlegungen zum Beispiel im Baubereich. Die Sanierung des Kavalier Dallwigk ist notwendig, weil wir das digitale Gründerzentrum reinbringen wollen und auch zügig die Fördermittel und die Räume nutzen müssen. Die Frage ist: Baue ich das innerhalb des kameralen Haushaltes der Stadtverwaltung oder gebe ich es zu unserer INKo Baugesellschaft, die mit Fremdkapitalanteilen und Mieteinnahmen arbeiten kann? Dadurch entlaste ich unseren kameralen Haushalt. Auch die Kammerspiele des Theaters sollen so gebaut werden.

 

Der Standort für die Kammerspiele - im Klenzepark oder neben dem Theater - war zuletzt noch offen. Ist der geklärt?

Lösel: Der Herr Engert (der Kulturreferent, d. Red.) arbeitet unter Hochdruck dran. Ich habe ihn gebeten, Ende Herbst eine Aussage gegenüber dem Stadtrat zu treffen. Das läuft optimal. Aber er muss irgendwann mal was vorlegen.

 

Eine andere Baustelle aus dem Referat von Herrn Engert, das Georgische Kammerorchester GKO, war ja ein Problem, wie man hört. Warum mussten Sie eingreifen?

Lösel: Der Herr Gazarian (der künstlerische Leiter, d. Red.) und ich, wir hatten im Dezember letzten Jahres ein Gespräch. Und darin hat er geäußert, dass er das Orchester gerne stärker aufstellen möchte. Es sind dabei auch die Probleme der Vergangenheit zur Sprache gekommen, ob das die Disziplin bei den Musikern ist - man las das ja auch im DONAUKURIER - oder die Anzahl der Auftritte sowohl in Ingolstadt als auch in anderen Spielhäusern. Es war eine ganze Fülle an Themen - und die hat Herr Gazarian vorgebracht. Ich habe ihm damals gesagt, dass ich die zusammen mit ihm lösen werde - und wir sind zusammen auf einem guten Weg.

 

Auch bei der wirtschaftlichen Tragfähigkeit?

Lösel: Auch die ist so, dass das GKO jetzt mit allen Sponsoren, unter anderem der Audi AG und der Sparkasse, etwa 1,5 Millionen Euro zur Verfügung hat. Und der Stadtrat hat beschlossen, dass der Zuschuss vonseiten der Stadt von 300 000 auf 500 000 ansteigt. Das GKO bekommt von der Stadt 200 000 Euro mehr als noch vor zwei Jahren. Und damit muss es auskommen. Das sieht zumindest auch der Stadtrat genauso.

 

Jetzt ist das GKO nicht das Thema, das in den sozialen Netzwerken heiß diskutiert wird, andere Themen sind's. Inwieweit wirken sich Facebook und Co. auf ihre Arbeit aus?

Lösel: Facebook ist mal gut gestartet. Aber es fällt enorm ab. Es kommt überhaupt nicht an die Qualität von etablierten Medien heran, die auch ein breites Sammeln von Informationen ermöglichen und dann entsprechend aufbereitet wiedergeben. Bei Facebook haben wir gerade in den letzten zwölf Monaten Schlachten zwischen Linksradikalen und Rechtsradikalen erlebt, nicht nur in Ingolstadt, sondern grundsätzlich. Die Anzahl der Gewaltvideos ist unübersehbar gestiegen. Dieses Medium hat einen Abschwung in der Qualität genommen, auch weil Leute sich öffentlich ausziehen, ihr Seelenleben preisgeben und ungefiltert Aussagen, seien sie noch so ehrverletzend oder schmähend, treffen, dass dieses Medium eigentlich kein Medium mehr ist. Es ist eine Plattform für Leute, die sich in irgendwelcher Weise produzieren wollen.

 

Und trotzdem haben Sie als OB dort ein Profil, ebenso wie die Stadtverwaltung.

Lösel: Ja, ist so.

 

Und Sie reagieren auf Aussagen, die dort getroffen werden.

Lösel: Wenn es zu hart wird. Weil die Leute dort auch Aussagen treffen, die grundsätzlich falsch sind, und wir dann, wie wir es nennen, zur Versachlichung beitragen, damit zumindest eine sachliche Argumentation möglich wäre. Es ist aber ehrlicherweise nicht sehr von Erfolg gekrönt. Auf Facebook tummeln sich Leute, die zu allem eine Meinung haben und behaupten, es wäre zu allem eine fundierte Meinung. Egal, wer eine abweichende Meinung hat, wird grundsätzlich geschmäht, in jede Richtung. Es wird immer auf den einen draufgehauen, geradezu besinnungslos. Das Schlimme ist, wenn das Thema aus Facebook in die reale Welt rausgetragen wird, wenn Leute oder Medien der Meinung sind: Das, was da gesprochen wird, ist wahr. Die Politik hat hier gelernt, sehr genau wahrzunehmen: Was ist nur laut und aggressiv und was ist wirklich Mehrheitsmeinung? In Facebook findet sich die Mehrheit nicht mehr. Im Gegenteil: Die vernünftige Mehrheit steht am Rande und ist entsetzt über das, was auf Facebook an Gewaltvideos, links- und rechtsradikalen Attacken und Schmähungen kommt. Wir nutzen es nur noch rein als einseitigen Informationskanal, aber nicht zu einer wirklichen Diskussion, das macht keinen Sinn mehr.

 

Sie haben gesagt, die Politik hat gelernt. Man hat trotzdem den Eindruck, dass das Medium nach wie vor die Stadtratsarbeit beeinflusst.

Lösel: Nur wenn Politiker selbst in Facebook, was leider auch vorkommt, über andere Politiker abfällige Bemerkungen machen. Dann hat es Auswirkungen auf die Stadtratsarbeit. Das zeigen die Stadträte auch an. Da sagen sie auch, das ist nicht in Ordnung. Was dann in der realen Welt in Stadtratsdebatten Niederschlag findet - in letzter Zeit sehr häufig. Das ist ausgehend von der Entwicklung der letzten vier, fünf Jahre. 2010, 2011 hat das begonnen, dass einzelne Leute sich ungerecht behandelt fühlen, wenn sie in Facebook in einer gewissen Weise angegriffen werden. Wenn das einem Stadtrat zu viel wird, dann meldet er sich mit einer gewissen Grundstimmung auch in einem Gremium des Stadtrats.

 

Das verbessert die Stimmung im Stadtrat nicht unbedingt. Gibt es etwas, das Sie dagegen unternehmen möchten? Es gab ja schon eine Aussprache zwischen den Seiten.

Lösel: Das erste Gute war, dass es eine Aussprache zwischen den Fraktionen gegeben hat. Ich hatte das damals ja gehofft und eingeleitet, in dem ich gesagt habe, ich ziehe das Ganze in den Ältestenrat, damit einfach mal untereinander geredet werden kann. Beide Seiten haben deutliche Kritik aneinander geübt. Interessant war, dass die Vorwürfe vom Grundtenor nahezu identisch waren. Die Frage war immer: Was ist Ursache und was Wirkung? Ich glaube, dass beide Seiten da gelernt haben. Und es war in der letzten Stadtratssitzung deutlich besser - das hat ja der Achim Werner (SPD-Fraktionschef, d. Red.) in seinem Interview auch gesagt. Es war eine lange Sitzung, aber im Grunde eine sehr vernünftige Sitzung. Was in den letzten 14 Tagen wieder hochgekommen (Thema Eselbastei, d. Red.) ist, war über Facebook.

 

Was sowohl auf Facebook als auch in der realen Welt diskutiert wird, ist, ob sich Ikea bei Zuchering ansiedelt - oder doch jemand anderes. Wer kommt denn nun?

Lösel: Ich darf's nicht allein entscheiden. Das kann nur das dafür zuständige Gremium, der IFG-Verwaltungsrat, entscheiden. Und der Herr Forster (der IFG-Chef, d. Red.) wird seinem Auftrag gerecht werden, nämlich mit drei Investoren, die dort ein Interesse am Grundstück haben, weiter verhandeln und die entsprechenden Rahmenbedingungen abklopfen. Also zum Beispiel: Wie viel Grund und Boden braucht derjenige? Nimmt er Bruttoland oder nur Nettoland, also nachdem wir Straßen reingelegt haben - was natürlich auch ein Unterschied im Verkaufspreis ist. Was macht die Verkehrsanbindung? Was passt besser zum Sortiment draußen? Dann die Frage Innenstadtrelevanz - all dies muss er mit den potenziellen Investoren klären und in einer Matrix diese Entscheidungsgrundlage für den IFG-Verwaltungsrat vorbereiten. Es liegen, soweit ich weiß, auch noch nicht alle Daten und Fakten vor. Das muss jetzt gemacht werden, die Sommerpause ist immer etwas schleppend, deswegen kann ich jetzt nichts sagen. Es gibt ein großes Möbelhaus, das sich beworben hat. Es gibt ein anderes, das sich auch beworben hat. Und es gibt noch einen Investor...

 

..., den Donau-City-Center-Investor Küblböck, ...

Lösel: ...der unterschiedliche Dinge machen möchte.

 

Wie wichtig ist der Faktor Gewerbesteuer?

Lösel: Der ist auch wichtig. Wichtig sind auch verkehrliche Fragen, Innenstadtrelevanz, Verkaufspreis, Sortimentsangebot für die Bevölkerung, macht's die Stadt Ingolstadt weiter zum Oberzentrum? Nimmt er's parzelliert, oder nimmt er's gleich ganz? Ist es vielleicht besser, zu parzellieren? Das muss der Verwaltungsrat entscheiden, was er haben will. Ich glaube aber, so wie ich den Verwaltungsrat kenne, dass ich insgesamt eine gewisse Präferenz für einen Investor raushöre - über alle Parteien hinweg. Welchen, das sage ich jetzt aber nicht.

 

Die Fragen stellten

Reimund Herbst, Thorsten Stark und Christian Rehberger.