Ingolstadt
In die Zukunft gedacht

Warum die Bahngleise im Audi-Werk und im GVZ immer wichtiger werden

30.07.2018 | Stand 23.09.2023, 4:16 Uhr
Drei Männer vom Fach: Jens Tilgner, Chef der Transportlogistik bei Audi, Werklogistiker Dominik Heeschen und Eisenbahnbetriebsleiter Johann Schmid (von links) in der Entladehalle des GVZ II, die derzeit zweimal täglich mit Güterwaggons beschickt wird. Hier sind gerade unter anderem Fahrwerksteile aus Wolfsburg angeliefert worden. −Foto: Fotos: Hammer

Ingolstadt (DK) "Totes Gleis?" fragte der DONAUKURIER vor bald einem Jahr in einer größeren Geschichte über die schwache Auslastung des Bahnanschlusses im Güterverkehrszentrum (GVZ) II. Mit zwei (kurzen) Zügen täglich ist der Verkehr dort zwar immer noch sehr überschaubar - doch Audi-Logistiker machen deutlich, dass die aufwendige Schienenanbindung Gold wert ist, wenn man nur etwas weiter in die Zukunft denkt.

Zur Erinnerung: Auch weil Audi unbedingt einen Gleisanschluss im zweiten Güterverkehrszentrum vor seinen Werkstoren wollte, ist seinerzeit (nach einigen Geburtswehen) der teure Hochkreisel oberhalb der Gaimersheimer Straße zwischen GVZ und Westpark gebaut worden. Mit einer Investition von 144 Millionen Euro war der Komplex aus Straßenknoten und Gewerbehallen am nordwestlichen Stadtrand das teuerste Projekt, das die Stadttochter IFG, die Hausherr im GVZ ist, jemals zu verantworten hatte.

Da hier letztlich über Steuergelder zu sprechen ist, drängte sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer Verkehrslösung, die bislang zwar den Auto-, nicht aber den Schienenverkehr sonderlich weitergebracht hat, einfach auf. Doch wie immer, wenn es in Ingolstadt um Audi geht, sind auch Aspekte der Standortentwicklung und -sicherung im Spiel. Der Automobilhersteller hat den DK jetzt zu einer kleinen Erkundungstour auf den werksinternen Gleisen eingeladen - und beteuert, dass der Schienenweg für das Unternehmen bei der Teileanlieferung künftig noch wesentlich an Bedeutung gewinnen wird.

Schon lange ist der "Output" der Ingolstädter Autofabrik ganz wesentlich auf die Schiene ausgerichtet: Rund 70 Prozent aller Neuwagen, die das Audi-Werk verlassen, legen ihre ersten Kilometer nicht auf eigenen Rädern, sondern auf Bahnwaggons zurück, die teils im Besitz des VW-Konzerns, teils auch von der Bahn oder speziellen Cargo-Unternehmen angemietet sind.

Auf der anderen Seite wäre der "Input" des Werks, also die Anlieferung von Rohmaterialien, Einzelteilen und Zubehör für die Fertigung auf dem Schienenweg sicher noch ausbaufähig - wenn denn auch mehr Zulieferer über einen Bahnanschluss in unmittelbarer oder zumutbarer Entfernung verfügen würden. Hier ist die Trefferquote erwartungsgemäß aber nicht hoch. Zu sehr ist das Schienennetz der Bahn seit bald 40 Jahren ausgedünnt worden, zu oft sind landauf, landab von den Kommunen Gewerbeflächen auf der grünen Wiese ausgewiesen worden - es gibt ja Lastwagen, die bequem in jeden Winkel kommen.

Das Ergebnis dieser Verkehrspolitik ist täglich auf den Straßen zu bewundern, rund um große Produktionseinheiten wie eben auch das Ingolstädter Automobilwerk um so deutlicher. Dabei spielten verträgliche Transportwege bei der Neuvergabe von Aufträgen an Zulieferer durchaus eine Rolle, betont Dominik Heeschen von der Audi-Werklogistik. Dass - wenn alles andere passt - nur wegen eines fehlenden Bahnanschlusses beim Industriepartner ein Vertrag nicht zustande kommt, dürfte dennoch eher die Ausnahme sein.

Die Zukunft im Automobilbau wird es allerdings mit sich bringen, dass ein dann ganz wesentliches Bauteil künftiger Autos mit der Bahn angeliefert wird: Die Batterien von Elektroautos werden bis auf Weiteres erheblich ins Gewicht fallen - mit bis zu 900 Kilogramm, so die jetzige Einschätzung. "Lkw, die solche Batterien transportieren, kommen schnell an ihre Zuladungsgrenze, würden vor ihr Ladevolumen längst nicht ausschöpfen können und vor allem Luft transportieren", verdeutlicht Logistiker Heeschen. Dann soll die Stunde der Bahn schlagen.

Es sei Aufgabe der Werkplaner, solche künftigen Herausforderungen vorauszusehen und entsprechend zu berücksichtigen, macht auch Jens Tilgner, Chef der Transportlogistik bei Audi, klar. Wie sein Kollege Heeschen verteidigt er die Gleisanschlüsse im GVZ, insbesondere auch in der großen "Bahnhofshalle" im GVZ II, deren schwache Nutzung seinerzeit im DK zum Thema gemacht worden war. Tenor der Transportfachleute: Müsste die Bahnanbindung dort erst nachträglich "implantiert" werden, gebe es mit Sicherheit größere Probleme für die gesamte Verkehrsabwicklung in diesem Eck, das ja wegen der Verknüpfung mit dem Westpark, mit dem Gaimersheimer Gewerbegebiet und nicht zuletzt wegen der in zwei Jahren ganz in der Nähe anstehenden Landesgartenschau durchaus sensibel ist.

Audi bewältigt den Rangierbetrieb im Werk und im GVZ übrigens mit einer 23-köpfigen eigenen Abteilung und zwei Loks mit Hybridantrieb, die innerhalb der Hallen ausschließlich mit Elektromotoren fahren, damit keine Dieselabgase in die Arbeitsbereiche entweichen. Derzeit gibt es 26 Andockstellen im Werk, die auf dem Schienenweg erreicht werden können. Bei jeder Veränderung in der Werkstruktur, so heißt es, werde die Option eines Gleisanschlusses erwogen - nicht nur vor dem Hintergrund aktueller Notwendigkeiten, sondern auch mit vorausschauendem Blick auf Anforderungen, die sich womöglich erst ein einigen Jahren ergeben können.

Bernd Heimerl