Ingolstadt
Eichelhecht und Tinderfisch

Neues aus Sprachland: Axel Hacke bei den Ingolstädter Kabaretttagen

16.09.2021 | Stand 23.09.2023, 20:50 Uhr
Axel Hacke las im Ingolstädter Festsaal. −Foto: Nassal

Ingolstadt - Natürlich geht es viel um Corona. Oder vielmehr um den Lockdown. Um das, was wir gemacht haben, als alles zu hatte. Nämlich Spazieren gehen. Oder das, was wir nicht mehr gemacht haben. Live Kultur genießen. An diesem Mittwochabend ist das wieder möglich. Axel Hacke ist bei den Ingolstädter Kabaretttagen im Festsaal zu Gast.

 

Seit 30 Jahren schreibt er hinreißende Kolumnen im "SZ-Magazin" und ist Autor zahlreicher Bücher, vom "Kleinen König Dezember" über den "Weißen Neger Wumbaba" (Kleines Handbuch des Verhörens) und sein "Kolumnistisches Manifest" bis zu seinem aktuellen Buch "Im Bann des Eichelhechts und andere Geschichten aus Sprachland".

Einige davon hat er mitgebracht. Und freut sich, dass das Publikum keine Masken tragen muss (wegen der Platzierung auf Abstand). Seltsame Erfahrungen habe er da in den vergangenen eineinhalb Jahren gemacht. Etwa bei einer Lesung im Autokino in Baunatal ("Wenn man vor Autos liest, ist die emotionale Bandbreite der Zuhörer eher gering"). Oder bei einem Online-Auftritt, der live aus einem Theater gestreamt werden sollte, was aufgrund technischer Probleme aber nicht klappte und ihn umso mehr betrübte. In Ingolstadt sei nun eine seiner ersten Live-Lesungen. "Und grad hatte ich noch Angst, dass das wieder nicht stattfindet. Weil überall Blaulicht war und man mir gesagt hat, dass eine Bombe gefunden wurde", erklärt er.

Aber: Alles gut. Die Fliegerbombe, die bei einem Übungstauchgang in der Donau entdeckt wurde, ist geborgen und entschärft. Und Axel Hacke kann entspannt im Lesesessel auf der Bühne Platz nehmen. Ein erster Text handelt von einem Konzertbesuch im Mai, als dieser wieder möglich war. Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks spielte Brahms und Dvo?ák. Und über allem flirrte dieses verbindende Gefühl. Künstler. Publikum. Echte Begegnungen. Echtes Erleben. "An diesem Abend wurden alle bejubelt, auch der Mann, der das Wasser für Gerhild Romberger, die Dvo?áks Lieder sang, auf die Bühne trug."

Axel Hacke ist ein präziser Beobachter und ein guter Zuhörer. Einer, der der Welt Absonderlichkeiten ablauscht, in der Sprache - ihrer Vielgestalt und Expressivität - lustwandelt und Irrungen und Wirrungen eigener und fremder Sprachtransformationen mit Witz und Tiefgang hinterfragt. Er sinniert über Vokalrekorde ("Edelebereschenbeerengeleebecherchendeckelchen"). Er erklärt, wie Bücher ihren Namen bekommen und wie diese von Kunden in Buchhandlungen verhunzt werden. Er berichtet von Leserzuschriften und Fotos, die ihn erreichen, von der Poesie falscher Phrasen und der Mannigfaltigkeit der wundersamen Geschöpfe, die sich in "Sprachland" tummeln: Eichelhecht, Aschenpudel, Tinderfisch und Rächerlachs.

Höhepunkt des Abends aber ist der Vortrag seines "Pla-Plans" zur Reform der öffentlichen Lesung. Der sieht die Abschaffung aller Konsonanten vor, bei deren Aussprache besonders viele Speicheltröpfchen erzeugt werden. "Weg mit allen Reibe-, Zisch- und Explosivlauten, in der Fachsprache Plosive, Frikative und Affrikaten oder vielleicht besser Spuckbuchstaben genannt! Sie werden ersetzt durch weitgehend aerosolfreie Laute. Das geht so: t und d werden zu n; p sowie b zu m; k und auch g zu ng; schließlich f, v, w, s, z und ts zu l." Wir stellen uns vor, wie alles Reden in einen Nasaliserungs-GAU mündet. Dann doch lieber - auch das ein Vorschlag von Axel Hacke - kollektives, schweigendes Selbstlesen des Publikums. Bei literarischen Veranstaltungen. Im Theater. Beim Kabarett. Schließlich: "Wir müssen vorsichtiger werden, was die Kultur angeht. Sie ist einfach zu gefährlich." Begeisterter Applaus. Es geht einfach nichts über das Live-Erlebnis.

DK

 

Anja Witzke