Ingolstadt
Unbandig unabhängig

Bürgermeister Sepp Mißlbeck ist seit zehn Jahren im Amt und inzwischen aller Koalitionspflichten ledig

18.05.2018 | Stand 02.12.2020, 16:22 Uhr
Als passionierter Autofahrer ist Sepp Mißlbeck nicht der größte Verfechter des ÖPNV, der in Form der INVG-Busse an seinem Bürgermeisterbüro vorbeirollt. −Foto: Fotos: Hammer/Archiv

Ingolstadt (DK) Man kann dem Kommunalpolitiker und ehemaligen Firmenchef Sepp Mißlbeck (74) vieles vorwerfen, und es ist ihm von seinen Kontrahenten im Stadtrat auch schon vieles vorgeworfen worden.

Man kann seine ersten Monate als FW-Bürgermeister unter dem Titel "Das Prinzip Wischiwaschi" resümieren, wie es der DONAUKURIER in einem Porträt 2009 getan hat (mit heimlichem Beifall vom Koalitionspartner CSU). Man kann Mißlbecks Art - Freundlichkeit statt klarer Kante, Konzilianz statt Konsequenz - in einer kraftstrotzenden Boomstadt wie Ingolstadt für etwas überholt halten. Doch am Ende des Wahltages zieht dieser Mann seinen entscheidenden Trumpf aus dem Ärmel: Bei der Stimmenauszählung erweist sich, dass die Ingolstädter Wähler "ihren Sepp" in nie nachlassender Treue zu lieben scheinen.

Das deutlich bessere Ergebnis als der amtierende FW-Fraktionschef Peter Springl bei der Kommunalwahl 2014 lieferte Mißlbeck denn auch ein Argument, warum er zur Halbzeit der Wahlperiode 2017 seinen Posten als Bürgermeister nicht räumen mochte, wie er es den Freien Wählern schriftlich versprochen hatte. Über die Verbindlichkeit dieser Absichtserklärung kursieren bis heute ganz unterschiedliche Versionen.

So also sitzt Mißlbeck - mittlerweile jedoch unter dem Label Unabhängige Demokraten Ingolstadts (UDI) - seit zehn Jahren als dritter Bürgermeister im Rathaus. Das letzte Misserfolgserlebnis hat er gerade erst hinter sich: Sein gemeinsamer Alternativvorschlag mit Veronika Peters (SPD) zu den umstrittenen Neubauten auf dem Gießereigelände hatte weder bei der CSU/FW-Rathauskoalition noch bei den eigenen UDI-Leuten eine Chance. "Drei Monate Verzögerung", wiederholt er im Gespräch mit dem DK, "dürfen keine Rolle spielen bei einem Projekt, das noch drei Jahre dauert. "

Der Seniorunternehmer, der aus einer alteingesessenen Handwerkerfamilie stammt und mit seinem Betrieb MT-Technologies heftigste Krisenzeiten erlebt hat, kam ursprünglich als CSU-Mitglied in die Kommunalpolitik. Doch so richtig wahrgenommen wurde er erst 1990, als die Unabhängige Wählerschaft (UW) sich mit vier Stadträten und publizistischem Rückenwind des früheren DK-Herausgebers in Fraktionsstärke zur bürgerlichen Opposition formierte. Johann Stachel, Helmut Stich, Alfred Hagn und eben Sepp Mißlbeck - bei der Erwähnung dieser schlagkräftigen Truppe überkommen den Bürgermeister leicht nostalgische Gefühle. "Ich bin ein überzeugter Unabhängiger und ein überzeugter Ingolstädter", formuliert er ein Bekenntnis, das man so oder ähnlich schon häufiger von ihm zu hören bekommen hat. "Ich bin kein Querschädel, aber in mir steckt ein Kern an Lebensfreude. Mittlerweile braucht es schon Mut, das zu zeigen und dazu zu stehen. "

Dass ein Kommunalpolitiker dieses Typs mehr mit einer CSU-Stadträtin wie Brigitte Fuchs als mit einem CSU-OB wie Christian Lösel gemeinsam haben dürfte, liegt auf der Hand. Als die Christsozialen vor zehn Jahren das Rathausbündnis mit den deutlich erstarkten Freien Wählern schlossen, lief der Posten des ehrenamtlichen (aber ordentlich dotierten) Bürgermeisters auf Sepp Mißlbeck zu. Die Bürgermeisterin der Herzen, Brigitte Fuchs, musste sozusagen ihren Titel an den Bürgermeister der Herzen abgeben, auch wenn es ihr schwer fiel.

Sport und Soziales sind die Felder, auf denen sich die dritten Bürgermeister profilieren können, wenn überhaupt. Sepp Mißlbeck findet, da habe er schon einiges mit angestoßen und vorangebracht, etwa den Bau des Fußballstadions und des Sportbades sowie diverser Ballspielhallen. Offen sei bislang noch, was aus dem FC Grün-Weiß werde, wenn Audi das Vereinsgelände an der Hindemithstraße übernehmen sollte. "Da haben wir noch ein Problem. "

Und überhaupt: Die ihm vorschwebende Rolle als Vermittler "zwischen einer fest zementierten CSU, die sich ihrer Macht bewusst ist", und einer "Opposition, die sich zusammenschließt", die habe er noch nicht ausfüllen können. Sinnbildlich steht dafür sein derzeitiger politischer Terminplan an den Montagen: Vormittag Referentenrunde im Rathaus mit den Spitzen der Stadtverwaltung (und Mißlbeck); früher Nachmittag K-Runde, also Abstimmungsgespräch der CSU/FW-Koalitionäre (ohne Mißlbeck); abends Fraktionssitzung der UDI (mit Mißlbeck, gegen den die drei anderen UDI-Stadträte dann und wann mal abstimmen).

Sepp Mißlbeck ist 74, Fraktionschef Gerd Werding 78 Jahre alt, da stellt sich zwangsläufig die Frage nach den Perspektiven einer Gruppe, die sich wie die FW an den bürgerlichen Mittelstand wendet . Ohne eigene Liste und eigenen OB-Kandidaten bei der Kommunalwahl 2020 wäre das kaum glaubhaft, meint der Bürgermeisterjubilar, der "nur fair behandelt werden" möchte. Ob für ihn selbst die Stadtratskandidatur 2020 noch ein Thema sei? "Da können Sie mich zur Jahreswende nochmal fragen. "