Ingolstadt
Millimeterarbeit für die Fernwärme

Autokräne nehmen bei den Stadtwerken tonnenschwere Halbkugeln an den Haken

18.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:16 Uhr
Jeweils 20 Tonnen wiegen die beiden Halbkugelböden, die jetzt in die Druckbehälter der Stadtwerke für die Fernwärmeregulierung eingesetzt wurden. Hier die Aktion am Freitag, die wegen der inzwischen montierten beiden weißen Ausgleichsbehälter besonders kniffelig war. −Foto: Heimerl/Schiegl

Ingolstadt (DK) Es ist die derzeit größte Baustelle der Stadtwerke, und sie befindet sich auf eigenem Gelände: An der Ringlerstraße sind diese Woche zwei gewaltige Stahlhalbkugeln mit Kränen in die allmählich wachsenden beiden Wärmespeicher gehievt worden, die künftig als Puffer für das Fernwärmenetz dienen werden. Die Kranführer mussten Millimeterarbeit leisten.

Die Schwerlastspezialisten der Firma Baukran Logistik (BKL) haben täglich mit sperrigen Bauteilen zu tun, die sich nur mit gewaltigen Hydraulikkräften manövrieren lassen. Mitunter ist dabei auch noch gehöriges Augenmaß gefordert, denn schließlich muss auf der Baustelle auch alles so zusammenpassen, wie es sich die Ingenieure und Techniker vorgestellt haben.

Insofern ist das, was von BKL am Dienstag und am Freitag auf dem Betriebsgelände der Stadtwerke zu leisten war, als besondere Herausforderung anzusehen gewesen: Auf engstem Raum mussten zwei am Boden zusammengebaute, jeweils zwölf Meter durchmessende Halbkugelböden aus zentimeterdickem Stahl angehoben, gedreht und dann mit der Öffnung nach oben in den gewaltigen Zylindern der künftigen Speicher versenkt werden. Jeweils 20 Tonnen schwebten da am Haken.

Es geht um die Fernwärme. Teile der Innenstadt hängen an diesem Netz, das die Abwärme der Müllverbrennungsanlage und der Gunvor-Raffinerie nutzt. Wie bei Zentralheizungen wird heißes Wasser durch Röhren zu den Abnehmern gepumpt - nur ist alles ein paar Nummern größer als im Eigenheim. Und weil wie bei jedem Energiesystem die Auslastung gewissen Schwankungen unterliegt, braucht es Regulierung. Im beständig gewachsenen Fernwärmenetz der Stadtwerke ist inzwischen eine Größenordnung erreicht worden, die leistungsfähige Pufferspeicher verlangt. Deshalb entstehen derzeit an der Ringlerstraße zwei letztlich 25 Meter hohe Kessel, in denen jeweils 1500 Kubikmeter heißes Wasser (unter Druck bei 130 Grad) "zwischengelagert" und ganz nach Bedarf ins Netz abgegeben werden können. Die Anlage soll zum Jahresende in Betrieb gehen.

Für Industrieanlagen in diesem Dimensionen gibt es keine Bauteile von der Stange, die am Stück geliefert werden können. Die Teile für die riesigen Speicher müssen vielmehr passgenau vorgefertigt und dann auf der Baustelle zusammengebaut werden. Für die Halbkugeln galt es also, die Hülle aus mehreren vorgeformten großen Stahlsegmenten zusammenzuschweißen. Bevor die fertigen Böden eingehoben werden konnten, mussten sie allerdings nach dem Anheben erst einmal gewendet werden. Deshalb waren gleich zwei große Kräne auf der Baustelle eingesetzt - einer (mit 130 Tonnen Tragkraft) als Hauptlastträger und einer für das Drehmanöver und die zusätzliche Stabilisierung beim Einschwenken und Absenken in die Zylinder.

Bei solchen Spezialaufgaben mit mehreren Kränen müssen sich die Kranführer natürlich blind verstehen. Auch wenn sie über Funk verbunden sind, braucht es für die Feinabstimmung ein regelrechtes Gefühl dafür, welche Bewegung wann angesagt ist. Am Freitag, beim zweiten Halbkugelboden, war die Arbeit besonders kniffelig, weil im Laufe der Woche bereits zwei große turmförmige Ausgleichsbehälter installiert worden waren, die das Manöv-rieren zusätzlich erschwerten. Tatsächlich passte es im ersten Anlauf noch nicht ganz; erst als einer der Kräne leicht versetzt worden war, gelang der Transport in luftiger Höhe millimetergenau.

Laut BKL-Außendienstler Markus Netter werden Baustellen für derlei Feinarbeit mit sperrigen Lasten heutzutage mit Lasern exakt vermessen und in Computermodellen virtuell nachgebaut. Der Rechner ermittelt dann die optimalen Standorte der Kräne.
 

Bernd Heimerl