Ingolstadt
Kleine Berührung mit großen Folgen

Nach einem Parkunfall fand sich Bürgermeister Sepp Mißlbeck unvermittelt vor dem Amtsgericht wieder

18.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:50 Uhr
Sah sich mit einem dreimonatigen Fahrverbot und einer hohen Geldstrafe wegen mutmaßlicher Fahrerflucht konfrontiert: Bürgermeister Sepp Mißlbeck. −Foto: Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Beim Ausparken vor dem Wonnemar touchierte der dritte Bürgermeister mit seinem Dienstwagen ein anderes Fahrzeug und fuhr weiter. Die Kollision habe er nicht gemerkt, beteuerte der 74-Jährige aufrichtig. Eine Fahrerflucht, wie ihm von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen wurde, wies Sepp Mißlbeck vehement von sich und legte Einspruch gegen einen gegen ihn verhängten Strafbefehl ein.

Drei Monate Fußgänger und dazu noch eine saftige Geldstrafe: Das wären die Folgen für den äußerst gern mobilisierten Bürgermeister gewesen, hätte er akzeptiert. Doch nicht nur die drohende Zeit ohne seinen Führerschein ließ Mißlbeck aktiv werden, sondern vor allem sein Gewissen: "Ich habe das nicht gemerkt, dass ich das andere Auto berührt habe", sagte er gestern mehrfach, als sein Fall am Nachmittag bei Richter Peter Hufnagl am Amtsgericht ausführlich beleuchtet wurde.

Wie Mißlbeck berichtete, war er am zweiten Weihnachtsfeiertag im Fitnessstudio und in der Sauna im Wonnemar gewesen. Beim Ausparken sei es dann offenbar passiert: Es war eng, er sei mit dem Auto zurückgestoßen in eine freie Parklücke hinter sich, habe dabei das Piepsen des Parkkontrollsystems seines Audi-SUV gehört und entsprechend gestoppt. Dann sei er ganz normal nach vorne rausgefahren.

Etwas mehr als zwei Stunden später fällt der Bürgermeister aus allen Wolken, als die Polizei bei ihm vor der Tür steht und ihm von dem Parkunfall berichtet, den Zeugen des Freizeitbades beobachtet hatten. "Er wirkte ehrlich überrascht", sagte ein Polizist gestern dem Gericht. Mißlbeck habe dann "völlig kooperiert".

Tatsächlich eilte der Bürgermeister stehenden Fußes ins Bad, wo er den Besitzer des von ihm tatsächlich beschädigten Wagens aufsuchte und die Sache per Handschlag regelte. "Er hat sich 1000-mal entschuldigt", berichtete der geschädigte Ingolstädter dem Gericht. Der Kratzer am Radkasten des Golfs wurde von einem Gutachter zunächst auf 2700 Euro geschätzt. Die Versicherung des Mannes holte ein eigenes Gutachten ein und überwies rund 1300 Euro.

Die ganze Geschichte wäre damals schon vom Tisch gewesen, hätte Mißlbeck nach der Kollision - die er, wie wiederholte, nicht mitbekommen haben will - angehalten und zum Beispiel seine Personalien hinterlassen. Doch weil er das eben nicht tat, verfolgte ihn die Staatsanwaltschaft danach wegen Fahrerflucht, was strafrechtlich nicht ohne ist, wie der ursprünglich verhängte Strafbefehl beweist.

"Ich möchte die Sache aber hier geklärt haben", erklärte sich der Bürgermeister, wieso er mit seinem Verteidiger Thilo Sticht vorstellig wurde. "Ich würde mich hüten, eine Fahrerflucht zu machen." Sein Auto, sein Kennzeichen und seine Person "kennen nun mal ziemlich viele Leute" in Ingolstadt.

Mißlbeck sagte: Er habe damals sein Hörgerät nicht drin gehabt, der Audi sei zudem ein großes und stabiles Auto, zudem schalte sich die Rückfahrkamera ab, wenn man ein Telefongespräch einleite, was er just damals gemacht habe.

Tatsächlich bestätigte Unfallexperte Josef Kiermeier von der Dekra dem Gericht, dass die Dämmung des Fahrzeugs sehr gut sei, eine "akustische Wahrnehmung des Unfalls" nicht zwingend gewesen sei. Ebensowenig habe man ihn wegen der Größe des Audis spüren müssen.

Angesichts einiger neuer Fakten, die in der Verhandlung auftauchten (wie auch die halbierte Schadenssumme), konnte sich Staatsanwältin Sandra von Dahl damit arrangieren, das Verfahren gegen die Zahlung einer Geldauflage einzustellen: Mißlbeck überweist 1000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung. Dann ist die Parkaffäre erledigt.

Christian Rehberger