Ingolstadt
"Der Grabschmuck ist mir wichtig"

Zum Beginn des Totenmonats November steht die Pflege der letzten Ruhestätten hoch im Kurs

30.10.2020 | Stand 23.09.2023, 15:08 Uhr
Ein großes Gesteck hat Ilse Reich mitgebracht: Die Witwe schmückte am Freitagnachmittag das Grab ihres Mannes auf dem Ingolstädter Westfriedhof. −Foto: Eberl

Ingolstadt - Prozession zum Friedhof am Freitagmittag: Allerdings eher eine Blechprozession.

 

Am Nordfriedhof reihen sich die Autos aneinander, Menschen eilen mit Gestecken, Schaufel und Eimer in den Gottesacker. Allerheiligen und Allerseelen stehen bevor, viele wollen die Gräber ihrer Toten schmücken.

 

"Es ist eine Familientradition", sagt Christian Cypris, der auf einem Sackkarren gerade Mulch, Kieselsteine und ein Allerheiligengesteck in Richtung Gräberreihen schiebt. Für den Audi-Angestellten ist es wichtig, mit dieser Geste rund um den Novemberbeginn seine gestorbenen Familienangehörigen zu ehren. Aber nicht nur zu Allerheiligen und zum Gräbergang schmückt der dreifache Vater die letzte Ruhestätte seiner Familie: Das ganze Jahr über sei ihm das wichtig, gibt er zu Protokoll und geht seiner Wege.

 

Ein paar Reihen weiter recht Angelika Konradi gerade das von den Bäumen herabgefallene Laub um zwei Gräber weg. In einem ist ihr Vater bestattet. "Mir ist dieser Grabschmuck persönlich sehr wichtig", sagt die Frau. Jede Woche komme sie vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Und eigentlich ist die Gräbersegnung zum 1. November immer ein Familientreffpunkt. Heuer fällt das flach: Mit ihrer Mutter wird sie die Gräber besuchen und dann daheim Kaffee trinken.

Draußen vor dem Friedhof beobachtet Franz Breinlein die Blechkarosse und bindet nebenher Blumengestecke zusammen. Der Reichertshofener ist jedes Jahr vor den Feiertagen an der Waldeysenstraße zu finden - ebenso wie Martha Kröner. "Mei, das ist wetterabhängig: Wenn's regnet, kommen in den Tagen vor Allerheiligen schon weniger Leute", sagt Breinlein. Und Kröner berichtet, dass sie die Corona-Pandemie merke. "Es sind schon weniger Menschen", dennoch sei der Grabschmuck nach wie vor für viele ein wichtiges Symbol zum Beginn des Totenmonats. Die traditionellen Gestecke mit Tannenzweigen seien nach wie vor gefragt, berichten Breinlein und Kröner. Aber auch große Deko-Chrysanthemen finden ihren Absatz. "Wir haben unsere Stammkunden, die wissen, dass wir hier sind", sagt Breinlein. Beispielsweise jene, die mit dem Bus kommen und Gestecke nicht durch die halbe Stadt karren können. Dass es an diesem Freitagnachmittag ein wenig unwirtlich ist, macht nichts - und auch der Stimmung vor dem Friedhof tut das keinen Abbruch: Breinlein und Kröner kennen sich und feixen auch einmal miteinander. "Das macht schon Spaß hier und man ist an der frischen Luft", sagt Kröner.

Auch am Westfriedhof, wo gerade die Glocke einen Verstorbenen auf seinem letzten Weg begleitet, herrscht emsiges Treiben. Peter Auer rückt die Gestecke an seinem Familiengrab unmittelbar an der Aussegnungshalle zurecht. "Das hat Tradition", sagt er. Das soll allerdings nicht heißen, dass das Familiengrab, in dem seine Großeltern, Vater und Onkel beigesetzt sind, jedes Jahr gleich aussieht. "Ich mache das immer anders, wie es sich eben ergibt", erklärt er. Er sei oft da, deswegen sei ihm der Grabschmuck auch wichtig - "aber nicht so sehr für die anderen, sondern wirklich für mich und für die, die nicht so oft an dieses Grab kommen". Am Sonntag will er nicht herkommen: "Aber am Montag", schiebt er hinterher. Dann ist weniger los. Sicher auch weniger als an diesem Freitagnachmittag.

DK

Marco Schneider