Ingolstadt
Tausendmal diskutiert

Debatte über Satzung des Migrationsrats: Sollen künftig nur in das Gremium gewählte Mitglieder ein Stimmrecht haben?

30.10.2020 | Stand 02.12.2020, 10:14 Uhr

Ingolstadt - Im Ingolstädter Ausländerbeirat ging es ausnahmsweise einmal richtig zur Sache: Den Anstoß zu der Diskussion gab Hasan Karabiber, der kritisierte, im Ausländerbeirat seien die Ausländer nur in der Minderheit.

Er forderte, die Satzung dahingehend zu ändern, dass dem Beirat nur noch ausländische Bürger angehören sollten und einer von ihnen auch den Vorsitz übernehmen müsse. Kein Problem, erklärte Vorsitzender Bürgermeister Paul Wegmann. Er klebe nicht an dem Stuhl. Auch CSU-Stadtrat Georg Jehn und Achim Werner von der SPD begrüßten den Vorstoß des türkischen Beiratsmitglieds. Der DK berichtete über die Sitzung unter dem Titel: "Die Deutschen haben das Heft in der Hand. "

Das war im September 1988. Paul Wegmann und Georg Jehn sind schon lange gestorben, Achim Werner ist noch immer Stadtrat. Im Ausländerbeirat, der inzwischen politisch korrekt Migrationsrat heißt, sind die Deutschen jedoch noch immer in der Mehrheit. 38 Mitglieder gehören ihm insgesamt an, jedoch nur 16 von ihnen wurden in das Gremium gewählt.

Dazu gesellen sich neun Stadträte - drei mehr als früher. Das hatte der neue Stadtrat im Juni nach der Kommunalwahl per Satzungsänderung so beschlossen, um dem neuen Stärkeverhältnis Rechnung zu tragen. Die Entscheidung fiel, ohne dass der Migrationsrat sich dazu hatte äußern können. SPD-Stadträtin Veronika Peters kritisierte damals, das sei die falsche Vorgehensweise. "Da stimmt die zeitliche Abfolge nicht. " Das Thema hätte zuvor im Migrationsrat auf die Tagesordnung gehört, so Peters. Der wurde erst im Juli neu gewählt - beziehungsweise die 16 ausländischen Mitglieder.

Weiter gehören dem Gremium neun vom Stadtrat ernannte Vertreter verschiedener Verbände und Organisationen sowie das Staatliche Schulamt, die Gleichstellungsstelle und das Jobcenter der Stadt Ingolstadt an. Das sind die so genannten berufenen, kooptierten Mitglieder. Den Vorsitz führt die Integrationsbeauftragte der Stadt Ingolstadt, Ingrid Gumplinger, die noch vom vorhergehenden Stadtrat gewählt worden war.

Das Besondere am Ingolstädter Migrationsrat: Alle Mitglieder sind antrags- und stimmberechtigt - also auch der Leiter des Schulamts oder des Jobcenters. Oder die Vertreter der Organisationen wie der IHK. Theoretisch ist es möglich, dass sie die gewählten Mitglieder des Migrationsrats locker überstimmen. Andreas Sarropoulos findet das nicht in Ordnung: "Rund 35000 Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund wählen Kandidaten in den Migrationsrat. Aber ihre Vertreter sind deutlich in der Minderheit. Das entspricht nicht meinem Demokratieverständnis. " Peters denkt ebenso: "Mir würde es am besten gefallen, wenn nur die Mitglieder ein Stimmrecht besitzen, die in den Migrationsrat gewählt wurden. Denn das ist demokratisch, und so ist das auch in den meisten anderen Städten. "

Zum Beispiel in Erlangen. Dort sind nach Auskunft von Carolin Braun, Geschäftsführerin des Ausländer- und Integrationsbeirats, nur die gewählten Mitglieder stimmberechtigt - 29 an der Zahl. Die Stadträte und anderem Mitglieder, etwa von der Polizei oder von der Ausländerbehörde, sind nur beratend tätig. Der neue Vorsitzende, ein Kolumbianer, stammt auch aus den Reihen der gewählten Mitglieder.

Wer aber hat künftig im Ingolstädter Migrationsrat das Sagen? In der jüngsten Sitzung wurde wieder einmal heiß diskutiert - wie 1988. Die Angelegenheit ist spannend, weil bisher noch keine Kooptierung stattgefunden hat, also noch keine Mitglieder in das Gremium berufen wurden: Sollten sich die derzeitigen Mitglieder des Migrationsrats einigen, den kooptierten Mitgliedern künftig aufgrund einer Satzungsänderung kein Stimmrecht mehr zusprechen zu wollen, so ist der Zeitpunkt der anstehenden Kooptierung entscheidend. Sonst stünden möglicherweise bereits kooptierte Mitglieder vor der Wahl, für oder gegen ihr eigenes Stimmrecht zu votieren.

Sollte die Satzung des Migrationsrats geändert werden, so dass die kooptierten Mitglieder künftig kein Stimmrecht mehr besitzen, entscheidet das übrigens der Stadtrat.

smr