Ingolstadt
Auf den Spuren des Großvaters

Steffi Illinger ist dem Wanderführer ihres Opas Alois Billmeier gefolgt - Sendung im Bayerischen Fernsehen

25.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:46 Uhr
Steffi Illinger mit dem Wanderführer ihres Opas: Eines der wenigen Fotos darin war ein Bild vom Neuen Schloss, das Steffi Illinger am Donausteg gerade aufgeschlagen hat. Im Zivilberuf war der begeisterte Wanderer und Heimatforscher Alois Billmeier (unten) Leiter des Hauptbahnhofs. In seinem Wanderführer beschreibt er auch längst nicht mehr bestehende Ausflugsziele wie die Rodinghütte. −Foto: Illinger/Eberl (1)

Ingolstadt (DK) "Wanderführer Mittlere Donau" nannte sich ein Büchlein, das 1956 der Verlag DONAUKURIER herausgegeben hat. Verfasser war Alois Billmeier, Leiter des Ingolstädter Hauptbahnhofs und begeisterter Wanderer. Seine Enkelin Steffi Illinger hat den Führer als Vorlage für eine eigene Wanderung durch die Region genommen. Das Ergebnis zeigt das Bayerische Fernsehen am Montagabend.

"Zu einem richtigen Ausflug gehören drei Dinge", schrieb Billmeier einst im Vorwort seines Wanderführers: ein Naturerlebnis, ein Kulturerlebnis und eine Brotzeit. Und von all dem gebe es in der Region nun wahrlich keinen Mangel. "Unsere Heimat ist schön", befand er, und einmal aus dem Alltag herauszukommen, stärke Körper und Geist gleichermaßen und diene vor allem der Erziehung der Jugend. Also machte er sich auf den Weg, was ihm als Mitarbeiter der Eisenbahn vergleichsweise leicht fiel. Er fuhr mit dem Zug und ist überall dort gewandert, wo früher ein Bahnhalt war.

Dabei war Billmeier Zeit seines Lebens auch sehr an Geschichte interessiert. Daher trat er 1953 dem Historischen Verein bei, dessen 2. Vorsitzender er von 1957 bis 1971 war sowie anschließend bis zu seinem Tod 1975 Ehrenmitglied. Neben dem Wanderführer hat er zahlreiche Beiträge in den Heimatblättern veröffentlicht. Seine sorgfältigen, geschichtlich fundierten Texte bilden teilweise heute noch die Grundlage beispielsweise für Beschreibungen von Kirchen.

Sein Interesse an Geschichte hat er seiner Enkelin Steffi Illinger vererbt. "Mein Großvater Alois Billmeier durchstreifte in etwa 100 Wanderungen die Landschaften rund um Ingolstadt: Er war neben seinem Beruf als Leiter des Ingolstädter Hauptbahnhofs so etwas wie ein Hobbyhistoriker und Freizeitheimatkundler - mit engem Bezug zum DONAUKURIER", so die in Ingolstadt geborene Steffi Illinger. Sein unscheinbares Büchlein, das 1963 sogar eine zweite Auflage erlebte und heute noch antiquarisch erhältlich ist, hat damals fast mit lexikalischer Akribie alles aufgelistet, was es an sehenswertem rund um Ingolstadt zu entdecken gab. "Er hat damit als einer der ersten den Ingolstädtern ihre weitere Heimat nach dem Krieg erschlossen", so Illinger.

Als Steffi Illinger der Wanderführer ihres Opas dann in die Hände fiel, wurde sein Buch für die Journalistin des Bayerischen Rundfunks und Buch-Autorin zum Ausgangspunkt für eine ganz eigene Route und für die Frage, was die wandernde Reporterin wiederfinden kann: Was ist von der Vergangenheit geblieben, was unwiederbringlich verloren?

Auf den Spuren der Donau zwischen Neuburg und Weltenburg entdeckte Illinger eine einzigartige Landschaft: die Donauauen, diese dunklen, stellenweise fast dschungelartigen Wälder, durchzogen von zahlreichen Seitenarmen und Nebenflüssen der Donau - sie zählen zu den artenreichsten Lebensräumen Europas. Die Donau, so erfuhr sie bei ihrer Wanderung vergangenes Jahr, hat sich durch Staustufen, Stromkraftwerke und Hochwasserschutz im Laufe der Jahrzehnte natürlich ziemlich stark verändert. Aber es gibt immer noch ein einzigartiges Naturparadies zu entdecken.

Steffi Illinger traf bei ihrer Spurensuche auf Menschen, die an und mit dem Fluss leben - einen Fährmann beispielsweise oder den letzten professionellen Donaufischer. Aber auch auf Naturschützer und ein einzigartiges Projekt mit dem Zentrum in Schloss Grünau, um die bedrohten Auwälder rund um Neuburg zu erhalten. Und sie erfuhr auch, welche Bedeutung die Donau bei den Römern als Grenze ihres Weltreichs hatte - und durchstreifte das größte noch erhaltene Römerkastell Süddeutschlands bei Abusina und durfte sogar mit dem Nachbau eines römischen Patrouillenbootes mitfahren.

Ihr Großvater Alois Billmeier hat praktisch fast die ganze Region und teilweise auch darüber hinaus erwandert. Wahre historische Perlen finden sich unter seinen Beschreibungen, beispielsweise wenn er die Rodinghütte beschreibt, die wohl nur noch älteren Schanzern ein Begriff ist. 1963 war sie "0,5 Kilometer südlich von Feldkirchen, eine einsame und beliebte Ausflugsgaststätte in der Nähe der Schuttermündung in die Donau".

Der Weg Steffi Illingers führte über 90 Kilometer durch das von imposanten Felsen eingerahmte Urdonautal und an der Donau entlang über die Staustufe Bertoldsheim und Ingolstadt bis zum spektakulären Durchbruch bei Weltenburg. "Auch wenn ich nicht ständig auf den Führer zurückgreife, ist er doch als roter Faden präsent", sagt sie. Dabei ging es ihr auf ihrer Route immer auch um die Menschen, die in und mit der Region leben und sie prägen. "Meine Reise und die daraus entstandene Dokumentation ist eine persönliche und subjektive Erkundung mit vielen Gesprächen, bei der mein Ziel war, auch etwas über das Bewahren von Landschaften und Heimat zu erzählen."

Ihr Fazit: Die Gegend rund um Ingolstadt ist im restlichen Bayern (und auch beim BR) hauptsächlich als Durchgangsregion mit viel Industrie und Autobahn bekannt - aber weniger als abwechslungsreiche Wanderlandschaft. Sie selbst nimmt sich da nicht aus. "Ich kannte die Landschaft so nicht", vor allem die Auwälder. Doch hat sich die freie Natur seit den Zeiten ihres Großvaters natürlich stark verändert. Kein Mensch würde etwa heute auf der viel befahrenen Bundesstraße von Neuburg zum Jagdschloss Grünau wandern - Alois Billmeier schrieb damals von einer Landstraße. Nicht selten führte ihn sein Weg offenbar auch quer über die Felder. "Vermutlich war es damals angenehmer, zu wandern", sagt Steffi Illinger. Die Staustufen und Raffinerien, die die Landschaft stark verändert haben, gab es seinerzeit noch nicht. Wohl aber noch einige Reste von Kriegsschäden, deren Beseitigung Alois Billmeier immer wieder erwähnt.

"Durch Auwälder und das Urdonautal" lautet der Titel des Films von Steffi Illinger, den der BR am Montag, 28. Januar, um 21 Uhr ausstrahlt.

Bernhard Pehl