Ingolstadt
Ausbildung statt Abschiebung

Asylbewerber Ali Ramazani darf in die Firma Böttcher zurückkehren - Abgeordnete setzten sich für ihn ein

12.09.2019 | Stand 23.09.2023, 8:32 Uhr
Zurück an seinem Lieblingsplatz: eine Nähmaschine im Betrieb von Thomas Böttcher (l.). Ali Ramazani ist glücklich, hier wieder arbeiten zu dürfen. Der 24-jährige Afghane absolviert jetzt in der Firma Böttcher eine Ausbildung zum Technischen Konfektionär. −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Er hatte sich eine bescheidene Existenz aufgebaut, ein Zimmer gemietet, er arbeitete mit Freude im erlernten Beruf (Näher) und übte mit ehrenamtlicher Unterstützung seiner Kollegen Deutsch.

Ali Ramazani verdiente Geld, zahlte Steuern und Sozialbeiträge. Sein Chef, der Unternehmer Klaus Böttcher, war immer voll des Lobes über den jungen Mitarbeiter aus Afghanistan, der 2012 im Alter von 17 Jahren ohne Familie als Flüchtling nach Deutschland gekommen war. Er konnte ihn in seinem mittelständischen Betrieb für Autosattlerei, Nähen, Markisen und Zelte sehr gut brauchen. "Denn der Arbeitsmarkt ist schließlich wie leergefegt", sagte Böttcher vor einem Jahr dem DK.

Es lief richtig gut für Ramazani. Zumindest in der Arbeit. Anders entwickelte sich sein Asylantrag. Er wurde zwei Mal abgelehnt, zuletzt im Juni vergangenen Jahres. Ein Drama für den jungen Mann. Er verlor sofort seine Arbeitserlaubnis, musste sein Zimmer aufgeben und in eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in Geisenfeld ziehen. Bis zu seiner Abschienung. Denn darauf lief die Ablehnung hinaus.

Aber nicht mit den Böttchers! Seniorchef Klaus (mittlerweile im Ruhestand) und sein Sohn Thomas, der neue Chef, kämpften für ihren beliebten Kollegen Ali, führten Gespräche, bemühten sich um Unterstützer, bereiteten eine Petition an den Landtag vor. Nach einem DK-Artikel über Ramazani im Juni 2018 meldete sich der Pfaffenhofener Landtagsabgeordnete Karl Straub (CSU) und kündigte an, sich dieses Falls anzunehmen. Auch Alfred Grob (CSU), der Ingolstädter Landtagsabgeordnete, schaltete sich nach seinem Einzug ins Maximilianeum ein.

Mit Erfolg. Ali Ramazani darf bleiben. Zumindest erst einmal fünf Jahre. Für ihn gilt die 3-plus 2-Regel: Drei Jahre Berufsausbildung (in der Firma Böttcher), dann zwei Jahre arbeiten. Und dann sehen, wie es weitergeht.

"Ich freue mich sehr! ", erzählte Ramazani gestern. Er ist seit Beginn des neuen Lehrjahrs am 2. September wieder am Werk, herzlich begrüßt von den alten Kollegen. "Der Ali hat den Kontakt zu uns nie verloren und uns oft besucht", berichtet Thomas Böttcher. Auch er ist glücklich, die Fachkraft - Ramazani ist ein begabter Näher - nicht verloren zu haben. "Es freut mich, dass die Landtagsabgeordneten ihre schützende Hand über ihn gehalten haben. Vor allem Alfred Grob hat sich sehr für ihn eingesetzt. " Böttcher erinnert auch an viele weitere Unterstützer.

Etwa im Unternehmen. "Wir haben es ihm ermöglicht, während der Arbeitszeit Deutsch zu lernen, und haben bei der Zimmersuche geholfen", erzählt Böttcher. Damals, als der dringend gesuchte Mitarbeiter in den Betrieb kam. Jenes Zimmer, das der junge Afghane vor 15 Monaten aufgeben musste.

Jetzt, da er wieder ein Gehalt bezieht, sucht er ein neues Zimmer. Egal wo, Hauptsache, in Ingolstadt, denn noch wohnt der 24-Jährige in der Geisenfel-der Unterkunft. "Ich verbringe jeden Tag dreieinhalb Stunden im Bus und mit Warten auf den Bus", erzählt er. Seine Berufsschule ist in Mainburg. Auch nicht gerade der nächste Weg.

Doch Ali Ramazani nimmt es gerne auf sich. Glücklich, in den Job zurückkehren zu dürfen. Er sieht in der Bundesrepublik seine Zukunft. Vier Jahre lang hat er hier schon gearbeitet. Mit Afghanistan, wo sein Vater von den Taliban ermordet worden sei, wie er erzählt, verbinde ihn nichts mehr. Thomas Böttcher, sagt der neue Lehrling, "ist ein sehr guter Chef".

 

Woanders wird gewartet

Während man sich bei der Firma Böttcher über die gute Nachricht für Ali Ramazani freut, geht das Warten im Restaurant von Deniz Panné in der Dollstraße weiter. Der Wirt sorgt sich um das Schicksal seines Kochs Peyman Mormand. Dem Asylbewerber aus Afghanistan, der seit über drei Jahren für Panné arbeitet, droht weiter die Abschiebung.

Wie der DK berichtete, haben mehr als 1000 Menschen eine Petition unterschrieben, um zu erreichen, dass sich der Landtag nach Widerspruch und Berufung mit Mormands Abschiebe-Bescheid befasst. Im Januar ist die Petition in München eingereicht worden. "Seitdem gibt es nichts Neues", bedauert Panné. Und das, obwohl sich immer wieder Ingolstädter Lokalpolitiker in München für den geflüchteten Afghanen eingesetzt haben.

"Die Situation ist für alle sehr belastend", sagt der Wirt. Auch für Panné wäre die Abschiebung seines einzigen Kochs - abgesehen von dessen persönlichem Schicksal - eine Katastrophe. Mehr als zwei Jahre habe er nach einem Koch für sein Restaurant gesucht. Mormand sei gut integriert, arbeite, zahle Steuern und habe sich nichts zu Schulden kommen lassen. "Ich verstehe nicht, warum er nicht bleiben darf. "

Christian Silvester