Nürnberg
Woodstock reloaded

Ausstellung in der Nürnberger Egidienkirche zeigt berühmte Aufnahmen des Rock-Fotografen Elliott Landy

05.09.2019 | Stand 23.09.2023, 8:26 Uhr
Matthias Hertlein
Three Days of Peace and Musik: In der Nürnberger Egidienkirche sind 160 Bilder des Woodstock-Fotografen Elliott Landy zu sehen. −Foto: Hertlein

Nürnberg (HK) "In A Gada Da Vida" von Iron Butterfly aus dem Jahre 1968, "White Rabbit" von Jefferson Airplane oder Ausschnitte der Rockoper "Tommy" von den The Who, drei richtungsweisende, bewegende Musikwerke beschallen die Egidienkirche, Besucher nehmen auf Sofas im Haupttrakt der Kirche Platz, verfolgen die Klänge fingerschnippend und folgen gleichzeitig der schrill-bunten psychodelischen Deckeninstallation im Kirchenschiff.

Seit dem 16. August und noch bis zum 30. September ist in der Kirche St. Egidien in Nürnberg die Ausstellung "Woodstock" voller Love & Peace zu sehen.

Gezeigt werden Filmsequenzen von Radio Bremen größtenteils vom Woodstock-Festival, das heuer 50-jähriges Jubiläum feiert und 160 Bilder des Woodstock-Starfotografen Elliott Landy, schwarz-weiß und in Farbe. Die Woodstock-Werkschau in Nürnberg ist eine von vier deutschen Stationen einer umfangreichen Europa-Wanderausstellung.

Was wird für die Eintrittskarte (12 Euro, Einzelpreis) geboten? Ein Streifzug durch die Entstehungsgeschichte der Rock- und Pop-Kultur, Erinnerungen an soziele Konflikte gegen Ende der 1960er-Jahre in Amerika mit Rassenunruhen und Demonstrationen gegen den Vietnam-Krieg, optische Einblicke in die Frühzeit-Rockmusik: Jim Morrison und The Doors, Janis Joplin, Jimi Hendrix, Eric Clapton, van Morrison. Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus New York-Konzerten. Darüber hinaus persönliche Aufnahmen von und mit Bob Dylan, dem Fotograf Landy nahe stand, dem er, wie der Gruppe The Band und anderen Künstlern, Plattencover gestaltete. Einem visuellen Supermarkt gleichend zeigt Landy seltene Fotos aus der New Yorker Feier-, Schicki-Micki-, Gesellschafts-Szene. Die Palette reicht von Marlene Dietrichs Flucht vor Fotgrafen unter einen Tisch. Liz Taylor und Richard Burton sind zu sehen, Andy Warhol mit Janis Joplin und Ober-Stone Mick Jagger. Elliot Landy hat sehr viel zusammengetragen. Eine Festtafel für den Foto-Gourmet.

Das Gotteshaus als Eventkirche, für Pfarrer Thomas Zeitler eine durchaus vorstellbare Zukunft. Bei der Vernissage erscheint er in einem Woodstock-Batik-T-Shirt, der Altar ist kurzfristig Theken-Ersatz, eine Schönheit lässt sich fast nackt von Künstlerin Christine Dumbsky bemalen, das Model präsentiert lasziv im Pschyodelic-Room ihren Körper.

Am vergangenen Samstag wurde die Öffnungszeit nach hinten verschoben, zuvor fand im Rock'n'Roll-Kirchenhaus eine Trauung statt. Am Sonntag gab es ein "Woodstock Reloaded". Workshops, Talkrunden, Musik wie "Summer of Love", eine spirituelle Reise mit Liedern. Der Sonntag war unter das Motto "Aufbruch" gestellt. Am 29. September (20 Uhr) steigt ab 20 Uhr in der Basilika ein Hippie-Konzert mit der Gruppe Eat A Peach, serviert wird unter anderem Musik von den Allman Brothers.

Über allem aber thront in St.Egidien "Woodstock Flair und Vermächtnis", auch ohne Joints, den hatte ein Besucher angsichts des Entrittspreises eingefordert. Zur Vernissage kamen rund 220 Besucher, ansonsten sind es täglich im Schnitt 120 Freaks jeden Alters, die Musik-Nostalgie inhalieren wollen.

Zu sehen sind übergroße Bilder von Joan Baez, Ritchie Havens, Arlo Guthrie, Country Joe McDonald. Bilder, Fotos, die durch Bildbände, Filme weltberühmt sind und ewig im Kopf haften bleiben - etwa Joe Cockers Auftritt, wie er mit Inbrunst und Leidenschaft sein "With A Little Help From My Friends" rausbrüllt, rauskrächzt. Landy hat historische Kunstwerke geschaffen, generationenübergreifend. Das Bauernhof-Gelände in Bethel im Bundesstaat New York war drei Tage lang zum "Mittelpunkt des Universums" herangewachsen, um "Frieden und Musik" zu feiern, wie der Woodstock-Prospekt verheißt.

Mehr als beachtenswert ist der dokumentarische Trip zurück ins Woodstock-Jahr 1969, nach Nürnberg. Auflehnen gegen das Establishment, APO, Studentenbewegung und Weltstars in der Stadt. Auf einer Tafelwand in "Nürnberg - östlich von Woodstock" ist eine wahre Rarität, eine Eintrittskarte für das Jimi Hendrix-Konzert am 16. Januar 1969 in der Meistersingerhalle, zu sehen. Zehn Markt kostete die Karte damals. Der lokale Teil der Woodstock-Ausstellung ist auch eine Fundgrube für musikalische Schatzsucher. "Die gut gemachte Ausstellung in der Egidienkirche taugt nicht nur für die Althippie-Nostalgiker zum Auffrischen der Erinnerungen, sondern gerade auch für jüngere Zeitgenossinnen, die sich vielleicht schon länger fragen, was das Gewese um die Hippie-Zeit eigentlich soll", sagt Fee Kuhn, eine Ikone der Nürnberger Rockmusik. Kuhn, bekennender Janis-Joplin-Freak, erschien zur Vernissage daher in Hippie-Klamotten mit der stilechten Janis-Joplin-Sonnenbrille. Die gibt es im Foyer der Egidienkriche nicht zu kaufen. Aber ansonsten gleicht das einem Souvenirladen mit Woodstock-Shirts, -Postern und -Büchern.

Die Woodstock-Ausstellung ist dienstags bis freitags von 11 bis 19 Uhr, samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr, montags geschlossen.

Matthias Hertlein