Hilpoltstein
Wayne Lempke zeigt sich geschockt über die Ausschreitungen in der US-Hauptstadt

07.01.2021 | Stand 23.09.2023, 16:19 Uhr
Im Chaos vor dem US-Kapitol sieht Wayne Lempke (kleines Foto) den "krönenden Abschluss" von Trumps Amtszeit. −Foto: Magana, dpa

Hilpoltstein - Mehr als 100 Nachrichten in kürzester Zeit: Wayne Lempkes Mobiltelefon stand plötzlich nicht mehr still, als Washington D.C. am Mittwochabend unserer Zeit ins Chaos stürzte. "Ich hatte da noch gar nicht die Nachrichten verfolgt, als ich diese Unmengen an Mitteilungen über WhatsApp und Twitter bekam", sagt der in Hilpoltstein lebende US-Staatsbürger Wayne Lempke (kleines Foto). "Freunde, Kollegen und Familie aus Deutschland und den USA haben mir mit Entsetzen geschrieben, was in der US-Hauptstadt passiert. Da habe ich natürlich den Fernseher eingeschaltet", erzählt Lempke, der für die demokratische Partei der USA die Sektion Nord- und Mittelbayern der "Democrats abroad Germany" anführt.

Nach dem Wahlsieg des demokratischen Kandidaten Joe Biden kam die aktuelle Eskalation für Lempke nicht überraschend. "Es ist der krönende Abschluss von Trumps Amtszeit. Scheinbar musste es so chaotisch enden, wie es die ganzen letzten Jahre ablief", sagt Lempke. "Was mich wirklich schockiert hat ist, wie wenig Polizei vor Ort war und wie wenig sie eingreifen konnte, als es ernst wurde", kritisiert der Demokrat. "Man stelle sich vor, dort hätten tausende schwarze Menschen demonstriert. Ich denke, dann wäre das Kongressgebäude von den politisch Verantwortlichen mit mehr Polizisten abgesichert worden."

Bis halb Drei in der Nacht hing Lempke am TV-Gerät und am Handy. "Meine Familie in Wisconsin konnte es auch nicht fassen, was da passiert. Zum Glück sind sie weit von Washington entfernt und bekommen es auch nur in den Nachrichten mit." Erst als die Einsatzkräfte die Situation wieder unter Kontrolle hatten und der Kongress seine Arbeit fortsetzen konnte, ging er halbwegs beruhigt ins Bett.

Einmal mehr habe es Trump so geschafft, dass sich die gesamte Berichterstattung um ihn drehe, sagt Lempke. "Es geht fast unter, aber gestern haben zwei außergewöhnliche Kandidaten die Sitze für die Demokraten im Senat gewonnen. Ein erst 33-jähriger Jude und dann ein schwarzer Pastor machten das Rennen im Bundesstaat Georgia, in dem sonst meist die Republikaner gewinnen." Dazu kommt, dass dieser Pastor von der Ebenezer Baptist Church in Atlanta ist. An dieser Kirche war einst auch Martin Luther King junior tätig. "Im Grunde kann man sagen, dass einer seiner Nachfolger jetzt zum Senator von Georgia gewählt wurde - was für eine tolle Geschichte für die Bürgerrechte in Amerika!", schwärmt Lempke, für den die Demokratie in den USA so immer noch in der Lage ist, positive Geschichten zu schreiben.

Für die Unterstützer des abgewählten Präsidenten Trump und dessen Blick auf die Demokratie hat Lempke hingegen wenig Verständnis: "Seit seiner Wahlniederlage hat er nicht mehr gearbeitet, wirkt desinteressiert und war mit Golf spielen beschäftigt", ärgert sich Lempke. "Jemand, dem dieses Land am Herzen liegt, hätte sich die letzten Monate trotzdem noch reingehängt."

Sorgen um die Demokratie in seiner Heimat macht sich der Hilpoltsteiner trotz des Vorfalls am Mittwoch nicht. "Trump ist nicht die Zukunft Amerikas, seine Zeit auf der politischen Bühne ist vorbei." Die Abwahl habe den Menschen gezeigt, dass die demokratischen Institutionen in den USA funktionieren. "In den USA hat alles seine Ordnung, auch wenn die Vorgänge mit Trump chaotischer geworden sind", gibt Lempke allen mit, die besorgt nach Amerika blicken.

Für die letzten zwei Wochen in Trumps Amtszeit wagt er aber keine Prognose. "Ich hoffe natürlich, dass es damit vorbei ist. Der Präsident und seine Unterstützer müssen nach dieser Entscheidung im Kongress endlich die Niederlage einsehen", hofft Lempke. Ab dem 20. Januar, dem Tag der offiziellen Amtsübergabe, erreichen ihn dann hoffentlich wieder positivere Nachrichten aus seiner Heimat, wünscht sich der US-Staatsbürger.

HK

Andreas Renner