Wernsbach
Nun haben wir den Lämmersalat

Wie der Ausbau der B2 bei Wernsbach bei der Wiederansiedlung von Ackerwildkräutern hilft

02.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:17 Uhr
Landwirt Georg Schiffermüller ist begeistert von dem Ackerwildkräuterprojekt, über dessen Ergebnis sich auch Leiterin Marion Lang und der Geschäftsführer des Bayerischen KulturLandStiftung, Dominik Himmler, freuen (von rechts). Auf großes Interesse stößt es auch bei dessen Amtskollegen vom Rother Maschinenring Harald Winter (links), dessen Vorsitzender Schiffermüller zugleich ist. −Foto: Foto: Leykamm

Wernsbach (HK) Ein Problem nicht nur für die Natur: Ein Drittel der Ackerwildkräuter, die ihren wichtigen Platz in den Ökosystemen haben, sind vom Aussterben bedroht. Ein Problem nicht nur für die Landwirtschaft: Sowohl bei der Flächenversiegelung wie bei der Schaffung von Ausgleichsflächen hierfür wird ihr Boden entzogen. Beide Fliegen aber lassen sich mit einer Klappe schlagen, wie nun bei einem Ortstermin an der Bundesstraße2 bei Wernsbach deutlich geworden ist.

Hier sprießt auf einem Acker, der nur einen Steinwurf von der Bundesstraße entfernt ist, Winterroggen empor. Auf extensive Weise von Georg Schiffermüller angebaut. Doch das Getreide bleibt dort nicht allein. Seinen Schatten bevorzugen unter anderem Saatmohn, Lämmersalat, Sand-Vergissmeinnicht und Bauernsenf, um nach oben zu wachsen. All diese und noch mehr Spielarten des Ackerwildkrauts sollen hier wiederangesiedelt werden.

Es ist gerade der Getreideanbau, der ihnen dabei hilft. Sollen sie sich hier vermehren, darf das Feld also gar nicht stillgelegt werden. Und das braucht es auch nicht, obwohl es als Ausgleichsfläche für die derzeit im Bau befindliche Ortsumfahrung Wernsbachs dient. Denn es handelt sich hier um eine sogenannte "produktionsintegrierte Kompensationsmaßnahme". Die dazugehörige Verordnung gibt Landwirten seit 2014 die Möglichkeit, auf einer bewirtschafteten Fläche Gutes für die Natur zu tun und Eingriffe an ihr dadurch auszugleichen.

Eine Option, die für die Bayerische KulturLandStiftung und ihr Projekt "Ackerwildkräuter für Bayerns Kulturlandschaft" wie gerufen kommt. Aller Anfang war aber auch hier schwer. Nach dem Einsäen galt es das Ergebnis abzuwarten und dann die Samen per Hand einzusammeln. Was Projektleiterin Marion Lang, die an der TU München Renaturierungsökologie lehrt, selbst erledigte.

An fünf Stellen des Ackers, den sogenannten Plots, glückte die erste Phase der Wiederansiedlung. Über die Bewirtschaftung sollen sich die Kräuter auf dem ganzen Acker ausbreiten. Für die Samenvermehrung sorgt der Agrarbetrieb von Tobias Volkert in Rittersbach. Das hier gewonnene Samengut kann nun für weitere Ansiedlungen der Wildkräuter dienen. Es kommt im gleichen Naturraum zum Einsatz, in dem sich auch Wernsbach und Rittersbach befinden, dem fränkischen Keuper-Lias-Land. Ein Vorgehen, das dabei helfe, "vorteilhafte Anpassungen der seltenen Ackerwildkräuter an ihre Umwelt zu erhalten", so Lang.

Von den Erfahrungen des Projekts, das vom Bayerischen Naturschutzfonds und der landwirtschaftlichen Rentenbank gefördert wird, sollen dann auch andere Bundesländer profitieren, erläutert der Geschäftsführer der Stiftung, Dominik Himmler. Sie selbst führt mit ihrem Tun als Umsetzungspartner für Bayern das Werk einer anderen fort, die auf den Namen Rheinische Kulturlandschaft hört und mit ihrem (übrigens vom Pharmariesen Bayer unterstützten) Projekt "Unkraut vergeht nicht - stimmt nicht" den Stein ins Rollen brachte. Es greift mittlerweile bundesweit und kommt durch seinen bayerischen "Ableger" regional auch der Feldlerche zu Gute. Die Lerche weiß die Kräuter auf dem Acker neben der B2 nicht nur als Futter zu schätzen, sondern das extensive Getreidefeld auch als Lebensraum. Und das ist auch gut so, denn dieser Vogel ist dort nicht zuletzt aufgrund der Baumaßnahme an der Bundesstraße in seinem Bestand gefährdet.

Auch Schiffermüller profitiert: Die Vergütung, die er als Projektpartner erhält, entspricht seinen Worten zufolge dem eines guten Getreideertrages. Und er ist nicht direkt an die jetzige Fläche gebunden. Die rund zweieinhalb Hektar für die produktionsintegrierte Maßnahme lässt sich von ihm auch andernorts zur Verfügung stellen. So kann die Projektteilnahme als "dauerhafter Betriebszweig" dienen, bekräftigt Himmler.

Insgesamt beteiligten sich in Bayern Landwirte mit einer Fläche von 82 Hektar aktiv an dem Wildkräuterprojekt. Der Acker-streifen, den Schiffermüller derzeit hierfür zur Verfügung stellt, soll gemäß der Projektlaufzeit fünf Jahre diesen Zweck erfüllen - heuer ist Halbzeit. Angst, dass nach dem Ende die Kräuter hartnäckig verbleiben, hat der Landwirt keine. Mit etwas Pflügen und der richtigen Folgekultur seien sie leicht des Feldes wieder zu verweisen.

Außerdem "verwenden wir bewusst konkurrenzschwache Arten", so Lang. Bis das halbe Jahrzehnt vorbei ist, bleiben Düngen und Spritzen indes natürlich tabu. Somit ist das, was Schiffermüller bei Wernsbach anbaut, eigentlich Biogetreide, auch wenn es nicht über das entsprechende Zertifikat verfügt. Dass das mittlerweile gut mit Kräutern bestückte Feld auch den Insekten gefällt, versteht sich von selbst. Derzeit können sie sich in Bayern über 30 solcher Wiederansiedlungsflächen freuen, für die je ein Vermehrungsbetrieb mit im Boot ist.

Jürgen Leykamm