Allersberg
"Noch nicht begriffen, dass Klimaschutz schon in der Gemeinde beginnt"

18.11.2021 | Stand 23.09.2023, 21:52 Uhr
Ortstermin mit "Baumkuschler" und Baumexperten: Zahlreiche Anwohner, der Bund Naturschutz, der auch den Söder-Pappaufsteller mitgebracht hat, und die Gemeinderatsmitglieder der Grünen wollen den Beschluss des Allersberger Umweltausschusses nicht akzeptieren, wonach die entlang der Adalbert-Stifter-Straße vor rund 70 Jahren gepflanzten Kastanien gefällt werden sollen. −Foto: Tschapka

Allersberg - Wenn es nach dem Umweltausschuss des Allersberger Marktgemeinderats geht, sollen in der Adalbert-Stifter-Straße vier rund 70 Jahre alte Kastanien gefällt werden. Ein Baumsachverständiger hat nun aber bei einem Ortstermin am am Mittwoch zum Erhalt der Bäume geraten.

Schon aus dem Jahr 2017 stammt der Beschluss zur Fällung, der mit einer erhöhten Unfallgefahr begründet wurde, weil einer der Bäume schon Teile der Fahrbahn und des Gehwegs angehoben hat. Geschehen ist seitdem aber nichts, bis im Januar dieses Jahres die Grünen-Fraktion im Allersberger Gemeinderat forderte, sich erneut mit den vier Kastanien zu befassen, da den Ausschussmitgliedern vor der Abstimmung keine ökologisch sinnvolle Alternativlösung präsentiert worden sei. Inzwischen gibt es laut den Grünen auch "neue gewichtige Gesichtspunkte", die gegen eine Fällung sprächen. Der Umweltausschuss zeigte sich davon aber wenig beeindruckt und sah keine Notwendigkeit, seinen vier Jahre alten Beschluss neu zu bewerten.

Das wiederum führte zuletzt zu einem Bürgerantrag zur Rettung der Bäume, organisiert von Anwohnern der Adalbert-Stifter-Straße. 187 Bürger unterschrieben diesen Antrag und damit mehr als doppelt so viele, wie nötig gewesen wären, damit sich der Ausschuss erneut mit dem Thema befasst. Allerdings wurde dann der Antrag mit Verweis auf die Verkehrssicherheit erneut zurückgewiesen.

An diesem Mittwoch hat nun die Allersberger Ortsgruppe des Bundes Naturschutz (BN) alle Beteiligten zu einen Ortstermin eingeladen. Walter Marx, Vorsitzender der Allersberger BN-Ortsgruppe, hatte dazu einen Pappaufsteller mit dem berühmten Foto des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder als "Baumkuschler" mitgebracht. "Selbst Söder scheint erkannt zu haben, dass der Klimawandel eines unserer größten Probleme ist. Dass aber Klimaschutz bereits in der Gemeinde beginnt, haben offenbar einige Kommunalpolitiker noch nicht begriffen", sagte Marx, der neben Gemeinderatsmitgliedern und Anwohnern auch den extra eingeladenen Fachagrarwirt für Baumpflege und Baumsanierung Christopher Busch willkommen hieß.

Der Experte, der bayernweit im Auftrag des BN-Landesverbandes berät, betonte zwar, dass er hier nur eine Einschätzung abgeben könne. Aber es sei doch mehr als deutlich, dass es wesentlich ökologischere und auch kostengünstigere Alternativen zum Abholzen gebe. Zumal von den vier offenbar gesunden Bäumen nur einer ein Verkehrsproblem darstelle. Es sei zwar richtig, dass dessen Baumwurzeln die Straße leicht angehoben hätten, "aber woanders macht man zur Verkehrsberuhigung absichtlich Bodenwellen in die Straße, und das gilt dann auch nicht als Unfallgefahr", so Busch.

In anderen Kommunen, in denen der Wert der eigenen Bäume erkannt werde, würde man in solch einem Fall entweder eine Wurzelbrücke mit Baumsubstrat verlegen, den Belag erhöhen, wenn die Straße sowieso saniert werden soll, oder ganz einfach Warnschilder aufstellen. Seiner Erfahrung zufolge werde inzwischen bei Baumaßnahmen in größeren Städten viel mehr Rücksicht auf den Baumbestand genommen als auf dem Land, wo offenbar immer noch die Meinung herrscht, hier gäbe es genügend Bäume. "Dabei ist so eine Einstellung absolut nicht mehr zeitgemäß", erklärte der Experte, der auch die von der Gemeinde in Aussicht gestellte Neuanpflanzung kritisch sieht. "Dies würde die nächsten 20 Jahren überhaupt keinen Ersatz bieten, und niemand kann heute mit Sicherheit sagen, dass diese überhaupt mal so groß werden wie die vorhandenen Bäume", so Busch.

Diese Einschätzung deckte sich auch mit der der Grünen-Fraktion, die beim Ortstermin von Tanja Josche vertreten wurde. Sie betonte neben dem ökologischen auch den ideellen Wert der Bäume, schließlich wurden diese in den 1950er-Jahren von Sudetendeutschen zum Dank gepflanzt, die in Allersberg in der Sudetensiedlung, zu der auch die Adalbert-Stifter-Straße gehört, eine neue Heimat gefunden hatten.

Auch einige Anwohner äußerten sich, manche ließen regelrecht Dampf ab. Zum Beispiel Helmut Hanika, der von einem seitenlangen E-Mail-Austausch und stundenlangen persönlichen Gesprächen mit Bürgermeister Daniel Horndasch zum Thema berichtete. Seiner Meinung nach trägt der Rathauschef die Hauptschuld an der verfahrenen Situation. "Er wusste es geschickt zu verhindern, dass unser Bürgerantrag überhaupt diskutiert wurde", beschwerte sich Hanika, der beklagte, dass Horndasch an einem Kompromiss überhaupt nicht interessiert sei.

Der so gescholtene Bürgermeister wurde vom BN zwar ebenfalls zum Ortstermin eingeladen, blieb diesem aber fern. Dafür kam sein Amtsvorgänger Bernhard Böckeler, in dessen Amtszeit der Beschluss zum Fällen der Bäume fiel. Er machte deutlich, dass damals nicht - wie behauptet - lang und breit über die Sache diskutiert wurde, sondern ohne weiterführende Untersuchung kurzfristig entschieden wurde, da die Gemeinde die Pflicht habe, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. "Da sind wir vermutlich etwas zu schell vorgegangen", stellte Böckeler selbstkritisch fest, betonte aber auch, dass der Beschluss von 2017 keine zeitliche Frist beinhalte. "Es besteht also keine Notwendigkeit, dass die Bäume jetzt möglichst schnell weg müssen", so Böckeler.

HK

Tobias Tschapka