Hilpoltstein
Unter den Fittichen des LBV aufwachsen

Der Kindergarten Arche Noah in Hilpoltstein ist deutschlandweit der einzige unter der Trägerschaft eines Naturschutzverbandes

29.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:03 Uhr
Herbstliches Kronenbasteln im LBV-Kindergarten mit Leiterin Elke Gehrung: Die Materialien dazu kommen hauptsächlich von Mutter Natur. Und falls doch etwas zugekauft werden muss, dann soll es wenigstens nachhaltig sein. - Foto: Leykamm −Foto: Foto:

Hilpoltstein (HK) Ein Kindergarten mit einem Naturschutzverband als Träger – das gibt es in ganz Deutschland nur ein einziges Mal, nämlich in Hilpoltstein. Ein 14-köpfiges Team und „Mutter Natur“ als Pädagogin machen die Buben und Mädchen hier stark fürs Leben – unter den Fittichen des Landesbundes für Vogelschutz (LBV).

 

Gleich früh am Morgen geht es im Kindergarten Arche Noah tierisch zur Sache. Zum Beispiel in der Krippengruppe, dem Spatzennest. Hier dreht das namensgebende Vögelchen in Stofftierform erst einmal seine Runde, um die ein- bis dreijährigen Buben und Mädchen zu begrüßen. Kurz darauf dürfen sich die Kleinen stark wie Bären fühlen und im Morgenkreis herumhüpfen. Gruppenleiterin Julia Zahn ist zufrieden: Ihre Schützlinge machen prima mit und fühlen sich ganz offensichtlich wohl in der Runde.

Dann gibt Frühstück. Zeit für ein Gespräch mit der Leiterin dieser besonderen Einrichtung: Elke Gehrung. Sie ist gebürtige Schwabacherin und gelernte Einzelhändlerin. Inzwischen wohnt, lebt und arbeitet die 47-Jährige jedoch in Hilpoltstein. Ihr Entschluss, zur Erzieherin umzuschulen, fiel bei ihrer Tätigkeit in einer Kinderabteilung. Auch der Gedanke der Nachhaltigkeit wurde ihr immer wichtiger und so fand sie schließlich ihre Bestimmung beim LBV-Kindergarten in der Lindenallee, wo sie Chefin von der ersten Stunde an ist.

Und die schlug schon im Jahr 1996, als die Stadt Hilpoltstein einen Träger für den Kindergarten im Neubaugebiet „Über dem Rothsee“ suchte und letztlich beim LBV fündig wurde. Nach vielen Jahren praktizierter Umweltbildung schien für die Naturschutzorganisation damals die Gelegenheit gekommen, in den Elementarbereich einzusteigen. „Ein großer Schritt“, sagt Gehrung im Rückblick. Zumal dieser Schritt sogar noch größer wurde als ursprünglich gedacht.

Die katholische Kirche, die zunächst als Partner bei der Trägerschaft fungieren wollte, zog sich nämlich zurück. Nun war es am LBV zu entscheiden, sich alleine auf das Abenteuer einzulassen oder die Chance verstreichen zu lassen. Aber das wollte man auf keinen Fall, und so machte der Naturschutzverband die „Arche Noah“ tauglich für die große Fahrt.

Kein leichtes Unterfangen, wie bereits das biblische Vorbild lehrt. „Das war sehr mutig“, betont Gehrung. Bis heute hat es keine andere Naturschutzorganisation in Deutschland gewagt, dem Beispiel zu folgen. Was insofern sehr schade ist, da die Hilpoltsteiner Einrichtung ein sehr gutes und nachahmenswertes Vorbild abgibt. Aus aller Welt sind schon Gäste in die Lindenallee gekommen, um sich das Konzept des Kindergartens anzusehen.

Die Hilpoltsteiner Eltern seien der Idee von Anfang an positiv gegenübergestanden, erinnert sich die Leiterin. Was nicht selbstverständlich ist. Denn die ökologische Ausrichtung eines Kindergarten ist zwar heutzutage sogar im Gesetz verankert, war aber zur Entstehungszeit der „Arche Noah“ noch eine eher exotische Leitlinie. So werden die Spielmaterialien wie etwa Wurzeln, Stöcke und Steine wenn möglich bei Mutter Natur besorgt. Und beim ressourcenschonenden Handeln im Alltag bezieht das Team die derzeit 70 Kinder ganz selbstverständlich mit ein: Das Licht auch mal ausmachen, wenn es nicht benötigt wird, und weder Strom noch Wasser verschwenden.

Es sind kleine Handgriffe, die genügen, um ein ökologisches Bewusstsein schon in jungen Jahren zu schulen. Groß geschrieben wird im LBV-Kindergarten natürlich die Zeit im Freien. Täglich geht es für mindestens eine halbe Stunde in den Garten der Einrichtung, zusätzlich gibt es noch die sogenannten Draußentage. Und zwar ohne Spielzeug. Denn um sich selbst zu betätigen, „dazu bietet die Natur viele Möglichkeiten“, so Gehrung. Einmal im Jahr verwandelt sich die „Arche Noah“ sogar für drei Wochen in Serie in einen Waldkindergarten.

Das Bewegen im Freien wirke sich dabei überaus positiv auf die Buben und Mädchen aus, sagt die Leiterin. Kinder, die in den Räumen der LBV-Einrichtung nie zusammenfanden, treten plötzlich miteinander in Kontakt. Die jungen Naturentdecker finden ihre innere Ruhe, was auch nach außen ausstrahlt. So gäbe es nur selten Konflikte. „Ein Aufenthalt in der freien Natur wirkt in die Kinder tief hinein“, so Gehrung, „sie fühlen sich innerlich ruhig und ausgeglichen und entwickeln eine intensive Sozialkompetenz.“

Der schon üblichen Reizüberflutung in der heutigen Medienwelt entronnen, können sich die Kleinen im LBV-Kindergarten wieder auf sich selbst und die Natur besinnen. Dennoch: Zum reinen Waldkindergarten will „Arche Noah“ nicht werden. In Häusern leben zu lernen, gehört eben auch dazu. Aber eben immer mit dem Gedanken der Nachhaltigkeit im Hinterkopf.

Ein weiterer Schwerpunkt der Einrichtung ist ihr integrativer und inklusiver Charakter. Wobei es keine einzelnen Gruppen mit der entsprechenden Ausrichtung gibt, sondern das gesamte Haus danach ausgerichtet ist. Dass dieser Ansatz erfolgreich in die Tat umgesetzt werden kann, ist die Aufgabe von Heilpädagogin Birgit Distler-Floss, die als fest angestellte Fachkraft arbeitet. Den Kindern mit erhöhtem Förderbedarf geht es deshalb gut: Gern werden sie von den anderen an die Hand genommen, bereitwillig werden, wo nötig, die Rollstühle geschoben.

So paradox es auch klingen mag: Um ein so „offenes Haus“ zu sein, wie es der LBV-Kindergarten sein will, gibt es in der Einrichtung ein recht großes Regelwerk mit festen Strukturen. Doch genau dies gebe den eigentlich sehr regelbewussten Kindern viel Sicherheit, so die Erfahrung von Elke Gehrung. Gerade auf dieser Grundlage könnten nämlich Flexibilität und Spontaneität am besten gedeihen. So sollen die Buben und Mädchen auch dazu herangeführt werden, selbstverantwortlich ihren Tag zu gestalten und zu organisieren.

All dies geschieht mit dem Gesamtziel, die „Kinder starkzumachen für das 21. Jahrhundert“, wie es in den Werbeflyern heißt. Die Art der „Arche Noach“ soll dazu beitragen, den Kindern Lebensfreude, Mut, Vertrauen und Offenheit für den Lebensweg mitzugeben.