Hilpoltstein
Kinderstube im Landratsamt

Elmar Greiner erinnert sich an seine Kindheit – Tränenreicher Abschied im Jahr 1966

19.09.2012 | Stand 03.12.2020, 1:03 Uhr

Spielplatz Amtsgebäude: Während der Dienstzeiten war das Landratsamt natürlich tabu, ansonsten bot das weitläufige Gelände viel Platz für Elmar Greiner (links) und seiner Brüder. - Foto: privat

Hilpoltstein (HK) Bis zur Gebietsreform vor 40 Jahren war Hilpoltstein ein stolzer Landkreis. Das Landratsamt war das heutige Haus des Gastes. Landrat Ignaz Greiner führte von dort nicht nur die Geschäfte, er wohnte auch in dem Gebäude.

Sein Sohn Elmar lebte die ersten neun Jahre seines Lebens in dem Haus. Wenn man heute das Haus des Gastes unterhalb der Hilpoltsteiner Burg betritt, erinnert nichts mehr an das altehrwürdige Landratsamt. Denn beim Umbau, der 1989 begann, hat man auf Historie keine Rücksicht genommen. „Sie haben das Gebäude total entkernt“, erinnert sich Elmar Greiner. Keine der schweren Holzdecken, keiner der mächtigen Balken, keines der gemauerten Gewölbe kein Kachelofen und keine Türe ist gebliebenen. Alles musste der funktional-blassen Optik der späten 80er Jahre weichen. „Das wäre heute so nicht mehr möglich“, sagt Greiner. Alleine der mächtige Dachstuhl, zeugt noch von der 500 Jahre alten Zimmermannskunst.

1956 ist Ignaz Greiner Landrat geworden und hat mit der Familie die Wohnung im zweiten Obergeschoss auf der Südseite des Landratsamtes bezogen. Ein Jahr später wurde Elmar Greiner gleich nebenan im Krankenhaus geboren. „Bis 1966 wohnten wir hier“, sagt er. Dann wurde ein eigenes Haus in Hilpoltstein gebaut. „Wenn mir mal was passiert, dann steht ihr auf der Straße“, habe sein Vater gesagt. Aber das war nicht der einzige Antrieb. „Der Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit liegt in der Familie.“

Obwohl die Landratswohnung ein großes Wohnzimmer und ein Esszimmer besaß, war der Mittelpunkt die Küche im Südosten mit einem großen Holz-Kohle-Herd und dem großen Esstisch. Vor allem im Winter sei es hier schön warm gewesen. Im Gegensatz zu den anderen Räumen, die nur bei Bedarf geheizt wurden. „Eine Heizung hat es damals nicht gegeben, nur Holz-Kohle-Öfen“, sagt Greiner. Und die Kohle habe man vom Keller in den zweiten Stock tragen müssen. In den beiden Kinderzimmern sei im Übrigen gar kein Ofen gewesen.

Besonders gut sind Greiner die dunklen Flure in der Wohnung in Erinnerung. Ideal zum Spielen, aber auch ein bisschen unheimlich. Vor allem dann, wenn der Landrat und seine Frau abends Termine hatten und man als kleiner Junge alleine zu Hause war. „So ein altes Haus entwickelt ja viele Geräusche, die man nicht deuten kann.“ Manchmal habe der Dachstuhl geknarzt oder ein Tier sei unterwegs gewesen. Die beiden großen Brüder sind zu der Zeit im Internat gewesen.

Gleich neben der Wohnung war das Kreisjugendamt untergebracht, ebenso befanden sich Ausgleichskasse und Kreiskasse in dem Stockwerk. Die Diensträume des Landrats waren einen Stock tiefer, direkt unter der Wohnung. „Die letzten drei Fenster, da war das Büro mit dem riesigen langen Tisch“, sagt Greiner. Da hätten auch die Sitzungen des Kreisausschusses stattgefunden. Sein Vater habe an seinem Schreibtisch einen großen schwarzen Ledersessel gehabt. In dem er natürlich auch saß – wenn der Vater nicht im Haus war. „Tagsüber war es verboten, in den Büroräumen zu sein, die Geschäfte durften nicht gestört werden.“ Wichtiger Anlaufpunkt sei trotzdem das Sekretariat gewesen. „Die Sekretärinnen waren wertvolle Helferinnen bei schwierigen Hausaufgaben.“ Guten Kontakt habe er auch zu den Putzfrauen gehabt.

Hinter den Räumen des Landrats war das Schulamt unterbracht, neben den Landratsräumen saß der Regierungsrat. Am lebhaftesten ging es aber im Erdgeschoss zu. Dort befanden sich Veterinäramt, Zulassungsstelle, Telefonvermittlung und Poststelle. „In der Kanzlei befand sich auch der Schlüssel für die Burg“, sagt Greiner. Den habe er sich manchmal geschnappt und Leute die Burg hochgeführt. „Offiziell war die Burg aber nicht von Interesse.“ Ausgelagert war in den 60er Jahren bereits das Kreisbauamt. Das war im vorderen Flügel des Krankenhauses.

Nicht vergessen dürfe man natürlich nicht die Lage des alten Landratsamtes mit dem Blick über die ganze Stadt und die Umgebung mit dem parkartigen Garten und den wundervollen Bäumen sowie den Vorplatz mit den Garagen, so Greiner. „Hier gab es auch eine Tankstelle für die Dienstfahrzeuge.“ Und natürlich den schwarzen Dienstmercedes des Landrats. „Mit dem sind am Samstag alle 84 Gemeinden des Landkreises abgefahren worden, um die Post auszutragen.“ Da sei er auch mitgefahren.

Als dann 1966 der Umzug ins neue Haus erfolgte, fiel Elmar Greiner der Abschied alles andere als leicht. „Ich habe viele Tränen geweint.“