Hilpoltstein
"Findelkind" löst Morde aus

Literaturpreisträgerin Monika Martin aus Leerstetten stellt ihren neuen Krimi vor - Kasper Hauser als Vorlage

19.11.2019 | Stand 02.12.2020, 12:35 Uhr
Monika Martin liest aus ihrem neuesten Krimi. −Foto: Unterburger

Hilpoltstein/Leerstetten (ub) Die Kulturscheune in Schwanstetten ist voll besetzt.

Man kennt sich, man freut sich auf die Buchvorstellung, die Band "Artwood Connection" beendet in aller Ruhe ihren Soundcheck und Monika Martin mischt sich unter die Besucher, begrüßt Freunde und Bekannte. Es herrscht eine heitere, geradezu familiäre Stimmung, auch wenn es beim neuesten Krimi der Elisabeth-Engelhardt-Preisträgerin 2018 - es ist ihr neunter Krimi - alles andere als heiter zugeht. "Findelkind" heißt der und handelt vom tragischen Schicksal Kaspar Hausers.

Neben ihren Leseplatz hat Monika Martin ein kleines Plastikpferdchen, einen Schimmel, gestellt. "Das Pferd erinnert an Kaspar Hauser, dem man als einziges Spielzeug ein hölzernes Pferd mit in sein Gefängnis gegeben hatte", berichtete die junge Autorin.

War Kaspar Hauser ein wirklicher Prinz oder war er ein Betrüger? In ihrem Krimi, der im Jahre 2012 spielt, bleibt die Frage offen. "Seit 200 Jahren beschäftigt man sich mit dem rätselhaften Findelkind", sagte Monika Martin, "vor 30 Jahren lernte ich das Kaspar-Hauser-Syndrom kennen".

Seit 23 Jahren bietet die Sozialpädagogin für den Verein "Geschichte für alle" historische Stadtrundgänge in Nürnberg an. "Es ist Zeit geworden, dass ich mich mal mit Kaspar Hauser beschäftigte", meinte Martin, "Kaspar Hauser war zwei Jahre in Ansbach, in Nürnberg war er dreieinhalb Jahre und einigermaßen glücklich. Allerdings gibt es in Nürnberg keine Kaspar-Hauser-Denkmäler".

In ausgewählten Passagen stellte Monika Martin ihren neuen Krimi vor. So sind die Zuhörer mitten drin, als Schauspieler eine Schlüsselszene nachspielen, wie Kaspar Hauser als 16-Jähriger in Nürnberg ankommt und tierische und ängstliche Laute von sich gibt. Die beiden Spaziergänger bringen den seltsamen jungen Mann zur Polizeiwache und er landet im sogenannten Luginsland auf der Burg.

Ist das Findelkind betrunken oder einfach nur dumm? Ein Arzt stellt fest, dass Kaspar Hauser an einer Verkrümmung der Kniegelenke leidet und viele Jahre lang gefangen gewesen sein muss. Kaspar weiß nichts, begreift die Zeit nicht und versteht sich selbst nicht, er muss fern von jeder Bildung gewesen sein.

Schnitt. Wir sind im Jahre 2012. Man feiert das Kaspar-Hauser-Jubiläum. Ein fiktiver Freiherr von Tucher, ein glühender Kaspar-Hauser-Fan, eröffnet das Kaspar-Hauser-Erlebniszentrum in Nürnberg.

Und jetzt kommt Charlotte Gerlach ins Spiel. Nach ihrer Elternzeit kehrt sie zurück in den Polizeidienst. Sie und ihr Mann Tim besuchen das Erlebniszentrum. Die beiden wählen die Hardcore-Erlebnisvariante, in der man auf drastische Art und Weise das traurige Schicksal des Kaspar Hauser nachempfinden kann. Charlotte erlebt die Welt von Kaspar im Kerker. "Charlotte Gerlach ist gewissermaßen mein Alter Ego", bekannte die Autorin, "manchmal glaube ich, ich habe ihre Identität angenommen. " Kein Wunder, Charlotte ist jung, ehrgeizig und klug, sie versteht es, die kompliziertesten Mordfälle zu entwirren und den Mörder zur Strecke zu bringen.

Zwischen den Vorträgen erzählte Monika Martin frei und mit viel Humor, wie die Geschichte weitergeht. Als es die erste Tote gibt, die mit präpaierten Pralinen vergiftet wurde, wird es spannend, um nicht zu sagen furchterregend. Ein zweiter Mord an Professor Robert Biburger, einem erklärten Kaspar-Hauser-Gegner, erschüttert Nürnberg. "Es kann nicht jeder Schmidt heißen", erklärte Martin ihre Namensfindung für den Professor, "Biburger heißt ein Lehrer am Gymnasium Wendelstein. Er möge mir verzeihen, dass ich seinen Namen verwendet habe, ich kenne ihn gar nicht. "

Witzig auch, was Monika Martin über Robert Biburgers Ehefrau Gisela schrieb. Die ist nämlich auf dem esoterischen Yoga-Trip und wird im Krimi kräftig auf die Schippe genommen. Der Roman erlebt eine verblüffende Wende, als sich der Schauplatz von Nürnberg nach Polen verlagert. Das führt die Kommissarin auf den richtigen Weg. Am Ende macht Charlotte einen Ausflug nach Ansbach und besucht den dortigen Hofgarten, in dem man den echten Kaspar Hauser bestialisch erstochen hat. Man hat ihn nicht vergessen, den Kaspar. Er hat seine Spuren hinterlassen - bis heute. Der Mythos lebt.