Nürnberg
Die Bühne als Jungbrunnen

Auch mit 85 Jahren liefert Blueslegende John Mayall noch Konzert-Sternstunden - Entspannt und geschäftstüchtig

08.04.2019 | Stand 23.09.2023, 6:33 Uhr
Matthias Hertlein
Der Godfather des weißen Blues, John Mayall (rechts), schaut mal wieder in Nürnberg vorbei. −Foto: Hertlein

Nürnberg (HK) Eine Legende ohne Allüren, ein berauschener Blues-Abend in Nürnbergs Kult-Musikkneipe Hirsch - der Godfather des weißen Blues, John Mayall, gibt sich die Ehre.

Völlig entspannt, absolut souverän, einfach brillant, wieder einmal so eine Konzert-Sternstunde.

Zusammen mit Alexis Korner kreierte Mayall die britische Blues-Bewegung, war in den 60er-Jahren musikalischer Steigbügelhalter für Mick Jagger, Eric Clapton, Rod Stewart, Peter Green und Co. Und ist jetzt mit 85 Jahren und mit neuem Musikwerk "Nobody Told Me" im Gepäck unterwegs. Die Bühne als Jungbrunnen für den Blues-Methusalem.

Und er hat reichlich Geschäftssinn. Eine Stunde vor Konzertbeginn sitzt Mayall im Foyer am Merchandising-Stand im Hirsch, verkauft und signiert reichlich seine neue Scheibe für 20 Euro. Ein gefundenes Fressen für Raritäten-Sammler. Mayall versprüht keine hektische Betriebsamkeit, er unterhält sich mit den Fans, lässt sich fotografieren.

Ein englischer Gentleman, der noch immer weiß, was er seinen Anhängern wert ist. Auch eineinhalb Stunden später, nach seinem glanzvollen Gig, ist er wieder präsent am Souvenirstand. Parallel zu Mayall rocken zur gleichen Zeit Jane Lee Hooker und Vanja Sky bei den 28. Rother Bluestagen, John hätte prima in das Festival reingepasst - der Hirsch ist aber trotzdem proppenvoll, der Gig ausverkauft.

Also auch kein Platz zum großartigen Bewegen im "Room to Move". Auf seine, diese Mayall'sche Kult-Hymne, verzichtet der fidele Herr gänzlich. Vor dem achten Lied des Abends kommt aus dem Publikum zaghaft dieser besondere Wunsch und er verhallt rasch. Stattdessen mahnt Mayall das ein ums andere Mal von den Fans mehr Applaus an.

Neben seinen langjährigen Weggefährten Jay Davenport (Schlagzeug) und dem Bass-Irrwisch Greg Rzab hat Mayall eine Frau mit an Bord, die Gitarristin Carolyn Wonderland aus Texas, die mit rauer, kratziger Stimme an Janis Joplin erinnert. Sie darf bei einigen Stücken den Gesangspart übernehmen.

Ansonsten hat Mayall alles im Griff - sein E-Piano, seine Hammondorgel, seine Mundharmonika, seine Gitarre, seine Stimme und spielend leicht seine Band. Mit stetem Lächeln und kurzen Blick dirigiert er galant die Einsätze, Tempi-Wechsel - John hält die Zügel in der Hand, das Zusammenspiel mit seiner Combo klappt vorzüglich und der Blues-Meister genießt den Auftritt.

"Wake Up Call", "Talk About That " - und er ist zum Scherzen aufgelegt, wenn er über seine überwundene Trinksucht bei "Give Me One More Day" singt. Der Herrgott hat wohl verstanden und präsentiert im Hirsch einen äußerst vitalen 85-jährigen Musik-Recken. Und dieser kündigt keck schon das nächste Gastspiel an: "I will be back, see you soon. " Das macht den Blues-Freaks Mut, das gibt der Mayall-Fan-Gemeinde jeden Alters Hoffnung auf ein weiteres klasse Blues-Event.
 

Matthias Hertlein