Hilpoltstein
Der Diktatur sehr nahe gekommen

Wayne Lempke, US-Demokrat aus Hilpoltstein, sieht amerikanische Demokratie weiter in Gefahr

15.02.2021 | Stand 23.09.2023, 17:03 Uhr
Trump als italienischer Diktator Mussolini: Mit diesem Plakat hat ein Mann vor dem Kapitol für das Impeachment demonstriert. Erfolglos, aber nicht umsonst, findet der Hilpoltsteiner US-Demokrat Wayne Lempke. −Foto: dpa

Hilpoltstein - Wayne Lempke schwankt nach dem gescheiterten Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump zwischen Stolz, Zuversicht, Entsetzen und Furcht.

Der Hilpoltsteiner Vorsitzende der Democrats Abroad in North and Central Bavaria, der US-Demokraten in Nordbayern ist zwar Amerikaner, lebt aber schon seit vielen Jahren mit seiner Frau in Deutschland. Und seit der Republikaner Trump 2016 zum 45. US-Präsidenten gewählt wurde, ist Lempke seine Heimat selbst manchmal fremd. "Trump wollte die Republikanische Partei und die Demokratie zerstören. Das hat er zum Teil geschafft", sagt Lempke (kleines Foto).

"Die Demokratie ist nur vor-übergehend gerettet", warnt Lempke. Sie habe sich ja nach dem 20. Januar nicht schlagartig verändert. Seitdem ist der Demokrat Joe Biden US-Präsident. Die Republikaner habe Trump aber ruiniert, findet Lempke. "Sie haben ja offen zugegeben, dass Trump schuldig ist", trotzdem stimmten nur 7 von 50 Senatoren der Republikanischen Partei für eine nachträgliche Amtsenthebung. Selbst Mitch McConnell, Chef der Republikaner im Senat, hat das in seiner Schlussrede ausdrücklich betont. Trump sei schuld an der Erstürmung des Kapitols durch seine Anhänger, weil er sich geweigert habe, seine Wahlniederlage einzugestehen. "No doubt", sagte McConnell - kein Zweifel. Trotzdem hatte er am Samstag gegen das Impeachment gestimmt. Begründung: Trump sei zum Zeitpunkt der Anklage nicht mehr im Amt gewesen. "Das ist eine Farce. " Denn es sei McConnell gewesen, der das Verfahren so lange hinausgezögert habe. Seine jetzige Argumentation sei eine ganz billige Ausrede. Dahinter stecke parteipolitische Taktik, vermutet Lempke: "Sie wollen nur Trump loswerden, nicht seine Wähler. " Dabei hätten die Republikaner eine historische Chance verpasst. "Jetzt müssen sie mit ihrem Gewissen leben", sagt Lempke. Und später ihren Kindern und Enkeln erklären, warum sie Trump nicht verurteilt haben. Denn, so vermutet Lempke, das Impeachment gegen Trump, werde irgendwann in den amerikanischen Geschichtsbüchern stehen.

Auch aus der historischen Verantwortung heraus sei es notwendig gewesen, dass die Demokraten das zweite Amtsenthebungsverfahren angestrebt hätten. "Es ist wichtig für das Land, dass alle Beweise gezeigt wurden", sagt Wayne Lempke. Die Hetzreden, die Tweets, die Videos, Trumps zynische Weigerung, den vom Mob gejagten Abgeordneten zu helfen. "Das haben die Ankläger fantastisch gemacht, sehr überzeugend", sagt Lempke. Das hätten auch viele republikanische Senatoren eingeräumt. "Das spricht Bände", sagt Lempke. "Trumps Anwälte waren eine Katastrophe, wahnsinnig peinlich. " Aber er bekomme eben keine besseren mehr. Dass er das Impeachment trotzdem überstanden habe, liege am Machtkalkül. "Im Senat sitzen Politiker und keine Pfarrer", sagt Lempke. Viele republikanische Abgeordnete fürchten um ihre Wiederwahl, wenn sie gegen Trump gestimmt hätten. Von den sieben Abweichlern treten sechs nicht mehr an.

Vielleicht sei dieses Taktieren sogar hilfreich für die amerikanische Demokratie. Denn sonst würden aus den einzelnen Bundesstaaten womöglich noch viel mehr radikale Trumpisten in den Senat gewählt. Ein Webfehler in der Verfassung.

Die USA seien eben keine repräsentative Demokratie wie in Deutschland. Nur der Sieger eines Wahlkreises schafft es ins Parlament. Das habe das Zwei-Parteien-System befördert. Dabei hätten die Gründerväter der Nation vor rund 250 Jahren gar nicht an Parteien gedacht, sondern an einzelne Abgeordnete, die alleine der Sache verpflichtet sind. "Wenn in so einem System eine der beiden Parteien rechtspopulistisch ist, ist das ein Riesenproblem. "

Denn das politische System der USA basiere auf Kooperation und Konsens. Für jedes Gesetz brauche man große Mehrheiten. "Das System ist krank", sagt Lempke. Ändern lässt es sich aber auch nur mit großen Mehrheiten. Leichter sei es dagegen, neue Bundesstaaten zuzulassen, die dann Senatoren in die Hauptstadt entsenden dürften. Infrage kämen Washington D. C. und Puerto Rico, Außengebiet der USA in der Karibik. So könnten sich die Mehrheitsverhältnisse deutlich verschieben.

Dass die Mehrheit der republikanischen Anhänger Trump noch immer für unschuldig hält, erklärt Lempke mit der Medienlandschaft. Viele Trump-Fans würden einen großen Bogen um Nachrichtensender wie CNN oder CBS und Zeitungen wie die New York Times machen und lieber Fox News einschalten. "Man kann sein Leben so ausrichten, dass man nie die Wahrheit sieht oder liest", sagt Lempke. "Ich stehe auch da und erkenne mein Land nicht wieder", gesteht er. Und er fürchtet, dass diese Informationsblasen und Trumps rechtsautoritäre Präsidentschaft die Demokratie nachhaltig erschüttert haben. "Wir sind der Diktatur sehr nahe gekommen", sagt Lempke. Doch jetzt regiere zum Glück ein Präsident einer vernünftigen Partei. Und für Trump sei die Geschichte noch nicht vorbei. Auch wenn er nicht wegen "Anstiftung zum Aufruhr" verurteilt worden sei, würden noch Dutzende von Anklagen gegen ihn warten. Darunter würde Trumps ohnehin geringes Ansehen weiter leiden, glaubt Lempke. Daher glaubt Lempke nicht an eine groß angekündigte Rückkehr auf die politische Bühne. "Es ist eine Frage der Zeit, bis Trumps Einfluss abebbt. "

HK

Robert Kofer