Roth
Das Recht auf Spott

Kabarettist Martin Fromme macht in der Kulturfabrik Witze über Menschen mit Behinderung: "Besser Arm ab als arm dran"

24.10.2018 | Stand 02.12.2020, 15:23 Uhr
Zu zweit bestreitet Fromme sein Programm: Den Abend über die Gebärdensprachdolmetscherin Marion Rexin zur Seite. −Foto: Tschapka

Roth (tis) Darf man Witze über Menschen mit Behinderung machen?

Martin Fromme fragt nicht lange, sondern macht das einfach. Wobei der Kabarettist aus dem Ruhrgebiet aber auch nicht an Spott über sich selber spart, viele Scherze gehen auf seine Kosten, denn er kam mit nur einem Arm zur Welt. "Darum habe ich auch so viel Erfolg bei Frauen - ich klammere nicht", grinst Fromme, dessen Auftritt in der Kulturfabrik unter dem Motto "Lieber Arm ab als arm dran" in Zusammenarbeit mit dem Rother Inklusionsnetzwerk (RHINK) zustande kam.

Das Publikum ist bunt gemischt, sowohl Bewohner von Behinderteneinrichtungen als auch "normale" Leute befinden sich darunter, aber was ist schon "normal"? "Wer von Ihnen trägt alles eine Brille? Aha, sie gehören also auch zu uns", sagt Fromme, um ein neues Kapitel im Verhältnis zwischen Nichtbehinderten und Behinderten aufzuschlagen - Stichwort Inklusion. Vor rund 20 Jahren hätte man sich noch sehr dagegen gesträubt. "Eigentlich hätte 1998 statt Helmut Kohl Wolfgang Schäuble Kanzlerkandidat werden sollen, aber viele haben gesagt, wie soll der denn aus dem Wägelchen regieren? ", erinnert sich Fromme.

"Immerhin, er hätte nicht zurücktreten können", stellt Fromme fest, dem den Abend über die Gebärdensprachdolmetscherin Marion Rexin zur Seite steht, die es auch versteht, Frommes zahlreichen Wortneuschöpfungen wie etwa "Porno-Arm" zu übersetzten, denn ja, es dreht sich auch viel um Sex in Frommes Programm. "Darf eigentlich eine Prostituierte im Rollstuhl auch als Wanderhure arbeiten? ", fragt er sich, und wie hat eigentlich ein Glasknochenpatient Sex mit einer spastisch Gelähmten?

Wie es zu seinem fehlenden Arm kam, dazu erzählt er mehrere Versionen. Sein Stumpf sei eine "Schnitzarbeit aus dem Erzgebirge, formschön und dauerhaft", behauptet er einmal, dann wieder war sein Vater schuld, der bei der Geburt statt die Nabelschnur seinen Arm durchgetrennt habe. "Vielleicht sogar mit Absicht - das spart schließlich die Kosten für den Klavier- und Geigenunterricht. " Dann wieder waren es katholische Nonnen in seinem Internat, die ihm zur Strafe, weil er mit der linken Hand schrieb, selbige abtrennten und als Mahnung für alle anderen Schüler zur Schau stellten. Oder ist es doch beim "Fingerhakeln" passiert? "Wie auch immer, glauben Sie mir, ich würde lieber zur schwulen Minderheit gehören, dann wäre vieles einfacher", ist sich Fromme sicher.

Denn Bevormundung gehört auch heute noch zum Alltag von Menschen mit Behinderung. Aber Fromme schlägt zurück. In "versteckte-Kamera"-Filmen bevormundet er Menschen ohne Behinderung. "Nehmen Sie bitte beide Hände an den Kinderwagen, ihr Kind guckt schon ganz ängstlich", fordert er eine junge Mutter auf, die einhändig den Nachwuchs durch die Fußgängerzone schiebt und mit der anderen Hand telefoniert. "Ihre Frau hat noch eine Hand frei, die kann schon noch eine Tüte mehr tragen", so Fromme zu einem älteren Ehepaar. Verstörte, aber auch belustigte Blicke sind programmiert. Frommes Filme waren schon als Comedy im Fernsehen zu sehen, manche kennen ihn auch durch seinen Gastauftritt bei "Stromberg".

In der Kufa bekommen die Besucher Fromme auch bei seinem Inklusions-Selbstversuch als Friseur zu sehen, bei dem längst nicht alles glatt geht. "Inklusion läuft bei uns leider oft so ab, dass wir Behinderte Sachen machen lassen, die sie einfach nicht können", so Fromme. Am Ende stellt er sich ganz klar gegen die Forderung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, etwas gegen "Arm im Alter" zu unternehmen. "Also, ich hab mich auch meinen Arm im Alter gefreut", sagt Fromme, der künftig sein Kreuz bei der Piratenpartei machen will. "Die haben mir immerhin einen Enterhaken in Aussicht gestellt".