Roth
"Lieder der Taiga"

Männergesangverein Germania Roth begeistert in der Kulturfabrik mit russischen Volksliedern, Balladen und Romanzen

24.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:46 Uhr
Ein besonderes musikalisches Programm in russischer Sprache präsentiert der Männergesangverein Germania Roth. −Foto: Unterburger

Roth (HK) Einen außergewöhnlichen musikalischen Ohrenschmaus unter dem Motto "Lieder der Taiga" bereitete der Männergesangverein Germania Roth dem Publikum in der Kulturfabrik, die mit über 250 Zuhörern gut besucht war. Unter der Leitung von Günther Fink und musikalisch unterstützt von Nikolai Götzfried am russischen Bajan begeisterte der Chor mit russischen Volksliedern, Balladen und Romanzen, die allesamt in Originalsprache gesungen wurden. Ludmilla Götzfried führte durch das Programm und stellte den Inhalt der einzelnen Lieder vor.

Es war eines der schwierigsten und anspruchsvollsten Programme, das die Germania Roth jemals in Angriff genommen hatte. Die beiden Chormitglieder Winfried Tyllak und Harald Bode sowie Günther Fink, die Grundkenntnisse der russische Sprache besitzen, hatten die kyrillische Lautschrift in die lateinische Schrift übertragen und Chorleiter Fink hatte zu den Liedern vierstimmige Chorsätze geschrieben. Über Monate hinweg hatte der Chor die russischen Lieder eingeübt und versucht, ihnen eine "russische Seele" einzuhauchen. Der Chor schaffte es, die für unsere Ohren so fremdartigen Lieder mit Bravour zu singen und das Publikum zu begeistern.

Den Auftakt bildete das beliebteste Lied der russischen Frontsoldaten beider Weltkriege: "Katharinchen", geschrieben von Matwei Blanter (Melodie) und Michail Issakowski (Text): Katjuscha singt ein Lied über einen grauen Steppenadler, den sie liebte und dessen Briefe sie bewahrte. "Bringe dem Krieger bei der fernen Grenze von Katjuscha einen Gruß!", bittet sie den Steppenadler, "er soll die heimatliche Erde beschützen und Katjuscha wird ihre Liebe bewahren." Das russische Volkslied "Herrlicher Baikal" von Alexander Warlamoff erzählte von einem Menschen auf der Flucht aus einem gefürchteten Verbannungslager. Die Zaren schickten politische Gegner und Schwerverbrecher in sibirische Arbeitslager. Wer entkommen konnte, musste erst noch den Baikal-See bezwingen. Erst dann war er in Sicherheit.

Eine ganz andere Stimmung vermittelte das Lied "Moskauer Nächte" von V. Solovjov-Sedoi (Melodie) und Michail Matusovski (Text): "Die Morgendämmerung kommt schon herauf, drum bitte, sei so gut: Vergiss auch du nicht diese Sommernächte in der Moskauer Vorstadt!" Die erste Zeile dieser Melodie war lange Zeit die Erkennungsmelodie von Radio Moskau. Wuchtig das "Lied der Wolgaschlepper", das Mili Balakirew 1889 komponiert hat. "Lasst uns Birkenknüppel biegen!", heißt es in diesem Lied, "wir ziehen über das Ufer dahin, singen der lieben Sonne unser Lied. Wolga, du Wolga, du Mutter aller Flüsse, du bist so breit und tief!"

"Schwarze Augen", ein leidenschaftliches Liebeslied von Jewgenij Grebjonka (Text) und Hermann / Gerdels (Melodie), erzählte von unbezwingbarem Feuer und vom Glück, aber auch von dunkler Tiefe, Melancholie und Trauer. "Der rote Sarafin", eine Ballade von A. Varlamov, ist ein Abgesang auf die Jugend und eine bange Erwartung an das Alter: "Fröhlich magst du singen, als wie die Lerche im Mai, lachen, tanzen, springen, doch bald ist das vorbei. Denn es kommen Jahre, wo Lust und Freude flieh'n und die welken Wangen Falten überzieh'n." Den Helden der Roten Armee wird in der Volksweise "Poljushko polje" ("Kosakenpatrouille") von Lew Konstantinowitsch Knipper ein Denkmal gesetzt: "Helden reiten entlang der Felder, ah ja, die Helden der Roten Armee!"

Eine Hommage an Stepan ("Stenka") Timofejewitsch Rasin war das Lied "Stenka Rasin" von Alexander Glasunow. Er war Ataman, höchster Anführer der Donkosaken, führte den großen Bauernaufstand von 1667 bis 1671 in Südrussland und wurde am Ende gefangen genommen und in Moskau hingerichtet. Doch in den Legenden des Volkes blieb er lebendig als grimmig entschlossener Freiheitskämpfer, der sehr drastisch den Beweis erbringt, dass er alles, Liebe und Leben, zu opfern bereit ist für den Kampf gegen Knechtschaft und Unterdrückung. Im Lied "Stenka Rasin" hebt er mit machtvollem Schwung die schöne Fürstin hoch und wirft sie über Bord in die heraneilenden Wogen. Traurig und melancholisch hingegen das russische Volkslied "Die Abendglocken" (Text: Iwan Iwanowitsch Koslow, Melodie: A. Fedorov). Beschrieben wird der Abschied vom Vaterhaus, in dem der Ich-Erzähler zum letzten Mal den Klang der Abendglocken vernimmt. "Auch ich werde einst in der feuchten Erde liegen!", klagt er, "ein anderer Sänger wird das Tal durchschreiten, und ich bin es nicht mehr, aber er wird in Gedanken die Abendglocken singen!" In einem weiteren traditionellen Volkslied standen ebenfalls Glocken im Mittelpunkt. "Eintönig klingt das Glöckchen", so der Titel, in dem das Lied des Kutschers den Erzähler traurig macht: "Eintönig klingt das Glöckchen, von fern schallt leis' sein Widerhall zurück. Und mein Kutscher ist still und der Weg vor mir noch so weit, so weit."

Nikolai Götzfried am Banjan zeigte auch solistisch, dass er ein überragender Musikant ist. So spielte er vortrefflich die Stücke "Morgennebel" von E. Abassa, "Ich habe sie getroffen" von L. Malaschkin, "Zigeunermelodien" und den "Schulwalzer" von I. Dunaevskij. Den glanzvollen Schlusspunkt setzte das weltbekannte Volkslied "Schneebeere" (Kalinka), bei dem das Publikum den Refrain begeistert mitklatschte. Besungen werden die Wacholderbeere und die Kiefer, unter der sich der Erzähler zum Schlafen niederlegt und bittet: "Schönes Mädchen, liebes Mädchen, hab mich doch lieb!"

Als Zugabe sang der MGV Germania Roth ein Stück aus der orthodoxen russischen Liturgie: "Wie herrlich ist unser Herr in Zion" ("Ich bete an die Macht der Liebe") von Dimitri Bortnianski. Mit lang anhaltendem Beifall dankte das Publikum den rund 30 Akteuren auf der Bühne.

Robert Unterburger