Roth
Totes Baby in der Badewanne

Junge Rotherin lässt ihr Neugeborenes sterben - Prozessauftakt vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth

15.04.2019 | Stand 23.09.2023, 6:39 Uhr
Prozessauftakt im Landgericht Nürnberg/Fürth: Justizbeamte und Polizisten führen die Angeklagte, die ihr Gesicht mit einer blauen Mappe vor der Öffentlichkeit schützt, in den Gerichtssaal. Ihr zur Seite steht die Verteidigerin Sandra Rothschild (rechts). −Foto: Meyer

Nürnberg/Roth (HK) Der Vorwurf ist schrecklich: Eine junge Frau aus Roth hat ihr frisch geborenes Baby sterben lassen. Am 8. September 2018 brachte sie den Säugling heimlich in ihrem Elternhaus in der Badewanne zur Welt. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass das Mädchen da noch lebte. Am nächsten Tag machte die Mutter der 28-Jährigen einen furchtbaren Fund: Sie entdeckte ihr eigenes Enkelkind tot in einem Schuhkarton - im Zimmer ihrer Tochter. Seit diesem Montag muss sich die Kindsmutter vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth verantworten. Die Anklage: einen Menschen getötet zu haben, ohne Mörder zu sein.

Der Prozess, der auf vier Tage ausgelegt ist, enthüllt eine schwierige Familiengeschichte. Bis zum Schluss hatte die Angeklagte versucht, ihre Schwangerschaft geheim zu halten. Vor der eigenen Mutter, vor den zwei Brüdern, der Oma und sogar vor dem Kindsvater. Sie erzählte, ihre Gewichtszunahme seien auf Wassereinlagerungen zurückzuführen. Am Abend des 8. September setzten bei der jungen Frau, die bereits Mutter von zwei kleinen Jungen ist, die Wehen ein. Sie brachte ein Mädchen zur Welt, ohne dass im Haus jemand etwas davon mitbekam. Der Säugling wog 3710 Gramm und war 53 Zentimeter groß.

"Das Kind verstarb kurz nach der Geburt, da sie es in der gefüllten Badewanne liegen ließ und sie auch in der Folgezeit nichts unternahm", legte die Staatsanwältin Gabriele Ebenhöch der Angeklagten zur Last. Und das, "obwohl sie bemerkt hatte, dass das Kind blau angelaufen war". Die junge Mutter habe das Kind einfach sterben lassen und den "Leichnam des Säuglings in einem Karton in ihrem Zimmer im ersten Stock verborgen". Aufschluss über die Todesursache wird wohl erst das Gutachten eines Rechtsmediziners im weiteren Prozessverlauf ergeben.

Bei der Polizei hatte die Angeklagte zu Protokoll gegeben, dass sie sich an dem Abend gegen 19 Uhr in die Badewanne gelegt habe. Dann setzten Presswehen ein und alles sei sehr schnell gegangen. "Sie sagte, sie war geschockt", erzählte der Kripobeamte. Das Baby habe sich nicht bewegt und einige Minuten lang habe die Mutter gar nichts gemacht. Später habe sie sich neben die Wanne gesetzt, das Wasser ablaufen lassen und das tote Baby in den Karton gelegt.

Am nächsten Tag, einem Sonntag, fuhr die gesamte Familie zum Mittagessen zum Vater der jungen Frau, der in der Oberpfalz lebt: die Brüder, die Mutter, die Oma, der Kindsvater und die Angeklagte. Blass sei sie gewesen, ruhig, aber nicht viel anders als sonst, sagten ihre nächsten Verwandten vor Gericht. Aber geahnt hatten sie es wohl doch. "Meine Mutter sagte auf dem Heimweg, dass ihr Bauch nicht mehr so straff sei", sagte der Bruder der Angeklagten. Deshalb seien sie gleich nach Rückkehr in das Zimmer der Schwester gegangen und hätten den Kleiderschrank durchsucht. Und waren erleichtert, dass sie nichts Verdächtiges fanden. Bis ihr Blick auf den Schuhkarton fiel.

Die Angeklagte schwieg gestern auf Anraten ihrer Verteidigerin Sandra Rothschild zu den Vorwürfen. Rothschild legte zudem gleich zu Beginn des Verfahrens Widerspruch ein. Die polizeilichen Vernehmungen ihrer Mandantin seien gar nicht vor Gericht verwertbar, sagte die Anwältin. Die Polizisten hätten sie zunächst weder über ihre Rechte belehrt noch ihr einen Rechtsanwalt zur Seite gestellt.

Nicht tragbar sei laut Rothschild auch der Hinweis einer Polizistin gewesen, es gebe viele Familien mit einem Kinderwunsch und die Beschuldigte hätte das Kind doch in eine Babyklappe geben können. "Solche Vernehmungen erfordern größte Distanz", erklärte die Verteidigerin. Der Druck auf ihre Mandantin habe sich durch die ganze Vernehmung gezogen. "Wir haben vor Ort eine erste Belehrung vorgenommen", sagte hingegen der zuständige leitende Polizeibeamte von der Kripo Schwabach. "Die Vorwürfe sind abwegig", fügte die Staatsanwältin hinzu.

Auch wenn die 28-Jährige versuchte, die Schwangerschaft zu verheimlichen, schöpfte ihre Mutter Verdacht: "Ich habe sie oft danach gefragt", sagte diese vor Gericht aus. "Aber sie hat nein gesagt." Sie habe ihrer Tochter klar gemacht, wenn sie schwanger sei, müsse sie sich eine eigene Wohnung suchen. Auch dem 22-jährigen Freund der jungen Frau schwante, dass er wohl Vater werden würde. "Man hat es gesehen", sagt er. Aber zugeben habe es seine Freundin nicht wollen. Darüber verärgert habe er gesagt: "Wenn du mir das Kind vorenthältst, kannst du es auch alleine großziehen." Aber natürlich hätte er alles dafür getan, damit es seinem Kind gut gehe, beteuerte der Kindsvater vor Gericht. "Verlassen hätte ich sie nicht."

In vielen Gesprächen will die Verwandtschaft immer wieder versichert haben, dass man der jungen Frau und ihrem Baby nach der Geburt zur Seite gestanden hätte. Nur ihr selbst hatte es wohl keiner persönlich gesagt, wie die Verteidigerin in mühsamen Nachfragen herausfand. Jetzt, da die Frau im Gefängnis sitzt, haben alle den Kontakt zu ihr abgebrochen.

Der Prozess wird am Dienstag um 9 Uhr fortgesetzt. Das Urteil soll am Donnerstag gesprochen werden.
 

Drei Kinder von drei Vätern

Nürnberg/Roth (bhm) Bei dem Prozess vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth gegen eine 28-jährige Rotherin, die ihr Neugeborenes durch Unterlassung getötet haben soll, haben gestern die drei Väter der drei Kinder ausgesagt. Das erste Kind der Angeklagten ging aus einer "kurzen und turbulenten Beziehung" mit einem 26-jährigen Neumarkter hervor. Der Vater sagte vor Gericht, die Angeklagte habe ihm nach der Entbindung eine Nachricht mit dem Text geschrieben: "Deine Tochter hat drei Kilogramm. " Tatsächlich handelte es sich bei dem inzwischen fünfjährigen Kind aber um einen Jungen. Der Exfreund sagte, er habe die Beziehung mit der Angeklagten bereits vor der Geburt des Sohnes beendet, weil diese ihn ständig angelogen habe. Sie soll beispielsweise erzählt haben, dass sie als Krankenschwester im Neumarkter Krankenhaus arbeite, obwohl sie ihre Ausbildung abgebrochen hatte. Der 26-Jährige beantragte erfolgreich das Sorgerecht für seinen Sohn. Er sagte, die Mutter sei mit dem Kind nicht zu den notwendigen Untersuchungen gegangen und als er seinen Sohn abgeholt habe, sei er "wund bis aufs Fleisch" gewesen. Ein Jahr nach der Geburt ihres ersten Kindes lernte die 28-Jährige den Vater ihres zweiten, inzwischen dreijährigen Sohnes kennen und wurde kurz darauf wieder schwanger. Während die Angeklagte ihren ersten Sohn im Krankenhaus geboren hatte, brachte sie ihr zweites Kind zuhause zur Welt. Auch diese Beziehung zerbrach bereits vor der Geburt und die 28-Jährige kümmerte sich alleine um den Jungen. Der 29-jährige Rother sagte vor Gericht: "Ich wollte zwar immer ein Kind, aber nicht so früh. " Seine damalige Freundin habe ihm gesagt, sie nehme die Pille, aber wenn er überlege, habe er nie ein Verhütungsmittel bei ihr gesehen. Nach der Festnahme der 28-Jährigen teilt er sich jetzt das Sorgerecht mit deren Mutter. Nur wenige Monate nach der Geburt ihres zweiten Sohnes lernte die Angeklagte den 22-jährigen Vater des Säuglings kennen, dessen Tod im Gerichtsverfahren geklärt werden soll. Die 28-Jährige hatte ihre Schwangerschaft bis zum Schluss vor ihrer Familie und vor ihrem Freund verheimlicht. Dieser sagte vor Gericht: "Wenn sie ein Kind bekommt, von dem ich nichts weiß, dann ist sie eine alleinerziehende Mutter. " Gleichzeitig habe er die Angeklagte immer wieder dazu ermutigt, ihm von der Schwangerschaft zu erzählen. "Für mich war es zu früh, ein Kind zu bekommen, aber ich habe öfters gesagt: Wenn es so ist, dann ist es eben so. "

Monika Meyer