Hilpoltstein
So wirkt sich der "Notfallplan" auf den Landkreis aus

Versorgungsarzt Jürgen Büttner nimmt seine Arbeit auf - Ärztlicher Leiter Alfred Cacek schweigt

01.04.2020 | Stand 23.09.2023, 11:27 Uhr
Die Lieferung von 1000 Liter Desinfektionsmittel täglich hat die Bayerische Staatsregierung jedem Landkreis versprochen, um Engpässe zu beseitigen. "Ich habe noch nichts davon gesehen. Ich bin gespannt, wann die erste Lieferung eintrifft", sagt Allgemeinarzt Jürgen Büttner, zuständiger Versorgungsarzt für den Landkreis Roth. −Foto: dpa

Hilpoltstein/Roth - Auf der Pressekonferenz der bayerischen Staatsregierung ist am Montag nicht nur die Verlängerung der Ausgangsbeschränkungen verkündet worden, sondern Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) präsentierte auch ihren "Notfallplan Corona-Pandemie".

Demnach gibt es in jedem Landkreis einen Versorgungsarzt. "Dieser hat die Aufgabe, eine ausreichende Versorgung im jeweiligen Zuständigkeitsbereich mit ärztlichen Leistungen zu planen und zu koordinieren", heißt es in einer Pressemitteilung des Ministeriums. Ein Ärztlicher Leiter soll im Überlastungsfall Patientenströme koordinieren und für seinen Bezirk eine Notfallklinik einrichten. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) versprach jedem Landkreis täglich 1000 Liter Desinfektionsmittel zu liefern, um Engpässe zu beseitigen. Soweit die Ankündigungen der Staatsregierung.

"Ich habe noch nichts davon gesehen. Ich bin gespannt, wann die erste Lieferung eintrifft", sagt Allgemeinarzt Jürgen Büttner, zuständiger Versorgungsarzt für den Landkreis Roth. Er greife in seiner Praxis auf Desinfektionsmittel aus der Apotheke zurück. Wie sich sein neuer Posten so auswirkt, kann der Mediziner noch nicht sagen. "Das Ganze läuft erst seit heute an", sagte er am Dienstag. Man sichte gerade das vorhandene Material, vor allem Schutzmasken, und erarbeite Priorisierungslisten, wer vom Katastrophenschutz welches Material erhalte. "Es ist eine Mangelverwaltung", sagt Büttner. "Alten- und Pflegeheime sowie Arztpraxen und Pflegedienste stehen in der Priorisierung ganz weit oben. "

Dass es ambulante Pflegedienste gebe, die ihr Personal nicht mit Schutzmasken ausstatten, habe er auch schon gehört, sagt Büttner. "Aber das gehört zum Arbeitsschutz und das ist Aufgabe des Arbeitgebers. Einen chirurgischen Mund-Nasen-Schutz halte ich für Pflegende dringend notwendig. "

Laut Ministerium sollen vom Versorgungsarzt auch Schwerpunktpraxen für die Untersuchung und Behandlung von Covid-19-Patienten und die Rekrutierung des hierfür erforderlichen Personals eingerichtet werden - zur Not per Anordnung. Ein Weg, den Büttner nicht gehen möchte. Er zählt vorerst auf freiwillige Bereitschaft. Zuständig ist Büttner für rund 80 bis 100 niedergelassene Ärztinnen und Ärzte im Landkreis, die genaue Zahl weiß er noch nicht. Falls es zu irgendeinem Zeitpunkt nötig sein sollte, Patienten verschiedener Praxen zu einer Covid-Ambulanz zusammenzufassen, werde er eine einvernehmliche Lösung mit den Kollegen suchen.

Soweit ist es aber derzeit nicht. "Wir müssen jetzt vorausdenken, was in zwei oder drei Wochen passieren kann", sagt Büttner. In Hilpoltstein gebe es eine zentrale Stelle für Abstriche, in der seit Montag auch die KVB Corona-Verdachtsfälle testen lässt, die sich vorher unter der Telefonnummer 116 117 gemeldet hätten und dort dann einen Termin zugewiesen bekommen. "Es kann nicht jeder dorthin", sagt Büttner.

Die Gefahr, dass durch den Notfallplan des Gesundheitsministeriums neue Hierarchien und Kompetenzen geschaffen werden, die mehr für Verwirrung als für Klarheit sorgen, sieht Büttner nicht: "Im Katastrophenfall arbeiten alle dem Landrat zu. "

"Unsere Vorgabe ist es, Platz zu schaffen", sagt Landrat Herbert Eckstein (SPD). Die Kreisklinik verfüge derzeit über 100 freie Betten. Der Ärztliche Leiter "muss nicht viel koordinieren", sagt Eckstein. Die Kliniken wären im Stand-by-Modus, eine Überlastung gebe es derzeit nicht. "Der Schlüssel sind die Beatmungsgeräte. "

Ob bereits konkrete Pläne für eine von Huml angekündigte Notfallklinik existieren, ist unklar. Der zuständige Ärztliche Leiter von der Führungsgruppe des Katastrophenschutzes, Alfred Cacek, verweigert eine Aussage. "Ich gebe keine persönlichen Pressemitteilungen ab", teilte er nach einer schriftlichen Anfrage mit und verwies auf den Pressesprecher der Stadt Schwabach, Jürgen Ramspeck. In Schwabach gebe es Überlegungen, dafür Rehakliniken zu nutzen, sagt dieser. Einen direkten Kontakt zu Cacek habe er leider auch nicht.

Doch Eckstein sieht das Problem auch an anderer Stelle. Man müsse jetzt die Menschen unterstützen, die in Alten- und Pflegeheimen arbeiten. "Was nützen uns all die großen Einrichtungen, wenn ich kein Personal mehr habe. " Vor allem kein medizinisches Personal. "Der absolute Schwerpunkt ist die Versorgung von Ärzten. "

Die personelle Verstärkung der Gesundheitsämter, ebenfalls von Huml am Montag angekündigt, ist laut Eckstein nicht so drängend. "Die administrative Hilfe können wir leisten", sagt Eckstein. Mit "wir" meint er das Landratsamt. "Da erlebe ich gerade eine große Solidarität. " Viel nötiger wären Ärzte und medizinisches Personal, sagt Eckstein. Auf einen Aufruf des Landratsamtes an pensionierte Kräfte und Medizinstudenten hin hätte es bislang 16 oder 17 Rückmeldungen gegeben. "Wir werden diesen Aufruf noch einmal forcieren", kündigt Eckstein an.

HK

Robert Kofer