Priester mit 17 leiblichen Kindern

17.08.2007 | Stand 03.12.2020, 6:33 Uhr

Ein Foto der Familie Englert mit Schwiegerkindern, das anlässlich der Primiz von Kapuzinerpater Sebastian Englert am 27. Juni 1912 aufgenommen wurde. Die Primizbraut ihres Bruders (Vordergrund) war Schwester Elisabeth, das jüngste der 17 Kinder von Sebastian und Berta Englert, sie wurde Benediktinerin. - Foto: Archiv Frauenwörth im Chiemsee

Eichstätt (EK) An der Friedhofskirche "Maria Schnee" befindet sich an der östlichen Außenmauer eine Gedenktafel. Sie ist Dr. Sebastian Englert (und seinem Sohn gleichen Namens) gewidmet, der als 17-facher Vater von Bischof Dr. Johannes Leo von Mergel zum Priester geweiht worden war.

Sebastian Englert war am 13. Juli 1854 in Aschaffenburg geboren worden. Mit Glanz bestand er die Abiturprüfung, wurde Soldat und studierte in Würzburg klassische und germanische Philologie und Geschichte und absolvierte die Lehramtsprüfung in Stenographie. 1891 nahm er den militärischen Abschied und wurde Gymnasiallehrer in Dillingen, drei Jahre später kam er als Gymnasialprofessor nach Eichstätt an das damalige Humanistische Gymnasium (Willibald-Gymnasium). 1903 wechselte Englert als Rektor nach Dillingen, doch 1908 wurde er zum Leiter des Eichstätter Gymnasiums bestellt. Unter seiner Regie wurde die Schule umgebaut. Während des Ersten Weltkriegs, von 1915 bis 1917, war er als Wachsoldat im Eichstätter Gefangenenlager tätig, und übernahm danach wieder die Schulleitung. Von 1920 bis 1923 war Englert Bibliothekar und Vorsitzender des Historischen Vereins. Für das Sammelblatt des Vereins hat er ab 1894 zahlreiche Beiträge geschrieben. Im Februar 1920 begann sein Ruhestand; die Familie zog vom oberen Stockwerk des Gymnasiums im Ulmer Hof in das Anwesen Luitpoldstraße 8.

Sebastian Englert und seine Frau Berta, eine gebürtige Prechter aus Neuburg, bekamen 17 Kinder, von denen 13 groß wurden. Berühmt wurde ihr Sohn, der Kapuzinerpater Sebastian Englert (1888 bis 1969), als Missionar der Araukanie im Süden Chiles und der Osterinsel sowie als Erforscher von Indianersprachen.

Die jüngste Tochter des Ehepaars, Elisabeth, war am 14. September 1906 in Dillingen geboren, und wuchs in Eichstätt auf. Sie wurde Nonne mit dem Ordensnamen Eustochium bei den Benediktinerinnen in Frauenwörth im Chiemsee. Bei ihrer Einkleidung am 26. April 1928 feierte ihr eigener Vater die Messe: "Ein außergewöhnliches und einmaliges Ereignis in unserer Klostergeschichte", schrieb die Chiemsee-Abtei. Im 100. Lebensjahr ist Schwester Eustochium am 7. März 2006 gestorben. Noch im hohen Alter schwärmte sie von ihrer Kinder- und Jugendzeit in Eichstätt. Auf einer Fotografie vom 27. Juli 1912 anlässlich der Primiz ihres Bruders Sebastian in der Kapuzinerkirche, ist sie als Primizbraut zu sehen.

Im Jahr 1922 starb die Frau von Oberstudiendirektor Englert. Nun studierte er in Eichstätt Theologie. Einer seiner Professoren war der spätere Generalvikar Dr. Ludwig Bruggaier, der einst Schüler Englerts war. Nach nur eineinhalb Jahren bestand der "betagte Zögling" alle Prüfungen. Am 2. Juli 1924 wurde er mit Erlaubnis aus Rom von Bischof Leo von Mergel zum Priester geweiht; Papst war damals Pius XI. Die Primiz wurde am 13. Juli 1924 in der Kapelle des Priesterseminars gefeiert. Der Geistliche lebte danach sehr zurückgezogen und feierte Gottesdienste gerne in der Friedhofskirche.

Sebastian Englert hat viele lokalgeschichtliche Beiträge geschrieben und nach seiner Priesterweihe eine Reihe von Schriften herausgegeben. Darunter waren ein Domführer (1924), eine Broschüre über Kindererziehung und eine "Rhetorik zum Gebrauch beim Unterricht" sowie der Titel "Fortunatus, Sang aus dem Donautal". Schon 1895 schrieb er eine Abhandlung zum Thema "Der Mässinger Bauernhaufe und die Haltung der bedrohten Fürsten"; 1899 veröffentlichte er einen "Bericht über die Ausgrabungen in Nassenfels im Sommer 1898" und 1902 über "Das Reihengräberfeld bei Kipfenberg und die Grabungen bei Nassenfels".

In einem Nachruf anlässlich seines Todes am 6. Juni 1933 wird Sebastian Englert bezeichnet als "ein Schulmann von durchaus konservativer Richtung, vielseitiger Geistesbildung und großem Kunstverständnis." Er habe bemerkenswerte Erfolge als Zeichner, Dichter und Musiker verzeichnet. In puncto Theaterbesuch und Tanzstunde habe er bei den Schülern enge Grenzen gezogen.