Eichstätt
Home-Office-Kolume Teil 18

Der Gatte, der Teenager und Ich - CORONotizen aus der Kleinstadt

24.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:29 Uhr
  −Foto: Wein, Elisabeth, Pollenfeld/Preith

Eichstätt - Jede Lage, so ernst sie auch sein mag, wird leichter, wenn wir uns unseren Humor bewahren - gerade auch, wenn man plötzlich viel mehr Zeit mit der eigenen Familie verbringt, als man vielleicht jemals wollte. Deshalb erzählt Autorin Elisabeth Wein in unserer Kolumne "CORONotizen aus der Kleinstadt", wie eine Familie, bestehend aus Mutter, Vater und Teenager-Sohn, ihren Corona-Alltag meistert. Und auch wenn es diese Eichstätter Familie tatsächlich geben und sich durchaus ein wahrer Kern in den Begebenheiten finden sollte, sind sie doch alle frei erfunden. Sie wollen vor allem eines: Sie in dieser schwierigen Zeit zum Lachen bringen.

 

Mein angetrauter Kleingärtner war in den vergangenen Wochen äußerst fleißig. Grüngutsack um Grüngutsack füllte er mit Heckenschnitt und Blattbewuchs, meisterlich schwang er die Rosenschere und jätete sich fast um den Verstand. Das Problem war nur, dass wir - ebenso wie alle anderen - auf dem Grüngut sitzen blieben und sich bestimmte Bereiche des Gartens in einen gigantischen Komposthaufen zu verwandeln schienen. An einem Tag mussten wir sogar mehrere Stunden nach dem Teenager suchen: Der Gatte hatte ihn aus Versehen unter einem monströsen Laubhaufen begraben.

Nachdem es sich bewährt hat, sich in solch hyperaktiven Gartenphasen möglichst wenig draußen blicken zu lassen, vergnügte ich mich derweil mit einem Harry-Potter-Film-Marathon. Zaubertränke spielen darin eine große Rolle. Davon inspiriert, werfe ich mich in die Küche, um meiner inneren Kräuterhexe freien Lauf zu lassen und die Gewächse aus dem frisch ondulierten Garten anständig zu verarbeiten.

Da der klassische Kupferkessel nicht Teil meiner Aussteuer war, muss dafür der Wundertopf der modernen Hausfrau herhalten: der Thermomix. In den nächsten Tagen erfreue ich die Familie mit Ingwer-Dinkel-Brei fürs Immunsystem, entgifte den Teenager mit einem Minze-Birnen-Smoothie und reibe den Gatten gegen seinen Willen mit Gänseblümchen-Balsam ein. Für mich stehen Schönheitsessenzen auf dem Programm und ich pulverisiere Blütenblätter und duftende Kräuterzweiglein, um dem magischen Geheimnis der ewigen Jugend ein Stück näher zu kommen.

So weit so gut. Doch als ich mit Fingerfarben einen Drudenfuß auf den Küchenboden zeichne, aus Goethes "Faust" zitiere und auf dem Staubsauger durchs Haus reite, gerät mein Kräuterhexen-Projekt ein bisschen außer Kontrolle. Den Einkaufszettel ergänze ich um Spinnenbeinchen, Schwefel und Schneckenschleim und die Mathestunden des Teenagers nutze ich, um ihm das Hexen-Einmaleins beizubringen. Für den Gatten ist es somit an der Zeit, zu handeln. Der Vorschlag des Teenagers, den meterhohen Ästeberg im Garten als Scheiterhaufen zu nutzen, findet zum Glück kein Gehör.

Der Gatte löst die verhexte Lage anders. Während ich bei Neumond nackend durch die Beete streife, um magische Kräuter zu sammeln, und die Milch im Kühlschrank der Nachbarn sauer werden lasse, entführt der Gatte meinen teuflischen Thermomix. Seitdem hält er ihn als Geisel und häckselt darin den Gartenabfall. Mein dämonischer Bund mit dem Herrn der Vorwerk-Finsternis scheint damit erst einmal beendet.

Nun haben die Grüngutdeponien endlich wieder geöffnet. Der Gatte belädt Auto und Anhänger und fährt vollbeladen mit dem Werk der vergangenen Wochen vom Hof. Damit haben wir Platz im Garten und der Gatte Raum für neue Ideen. Sein nächstes Projekt: ein selbstgebauter Backofen. Eine tolle Idee. Nur wenn er auch noch ein Lebkuchenhaus dazu plant, muss ich mir ernsthaft Sorgen machen. Denn auch in der märchenhaftesten Ehe und bei aller lodernden Leidenschaft geht diese Kombination für die Frau nur selten gut aus.

EK

 

(Fortsetzung folgt...)