Eichstätt
Familienporträt zeigt Liebe und Trauer

Beim zweiten "Geistigen Mittagstisch" geht es um das Bildnis der früh verstorbenen Johanna Martha de Gabrieli

14.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:21 Uhr
Johanna Martha de Gabrieli schlägt auf dem Gemälde ein Tuch um ihren Sohn Adam Emanuel, was liebevoll, aber zugleich trennend wirkt. Das Ölgemälde stammt von 1716 und befindet sich im Domschatz- und Diözesanmuseum Eichstätt. −Foto: Katharina Hupp/pde

Eichstätt - Auch die zweite Veranstaltung aus der Reihe "Geistiger Mittagstisch" kann aufgrund der Corona-Pandemie nicht wie gewohnt vor Ort stattfinden.

Stattdessen präsentiert die Leiterin des Eichstätter Domschatz- und Diözesanmuseums, Claudia Grund, das "Schätzchen aus dem Depot" wieder in schriftlicher Form hier im EICHSTÄTTER KURIER.

Aufgeweckt, ja neugierig scheint das Kleinkind im Vordergrund des Bildes den Blick des Betrachters zu suchen. Der Säugling trägt ein zartes Hemdchen und stützt sich mit seinen pummeligen Ärmchen auf einem roten Polster ab. Über den Schoß hat es einen Teil eines dunkelgrünen Tuches geschlagen, das ihm eine junge Frau links im Hintergrund fürsorglich über die Schulter legt. Und doch wirkt dieses dunkle Tuch gleichzeitig wie eine Barriere zwischen ihr und dem Kind. Die Frau, von der nur das Gesicht mit der modischen Frisur zu erkennen ist, hat ihren Blick zum Kind gesenkt, scheint es melancholisch, ja traurig zu mustern.

Eine rückseitig auf dem Ölgemälde angebrachte Inschrift verrät uns Entstehungszeit und die Namen der Dargestellten: Mater Joanna Martha cum Filiolo Adamo Emanuele de Gabrieli aetate 1 mi 1716 (Mutter Johanna Martha mit ihrem Sohn Adam Emanuel de Gabrieli im Alter von einem Jahr, 1716). Das stimmungsvolle Doppelporträt zeigt demnach Giovanna Marta de Gabrieli, die erste Gattin des späteren Eichstätter Hofbaudirektors Gabriel de Gabrieli, mit dem gemeinsamen Sohn Adam Emanuel.

Gabriel de Gabrieli, geboren 1671 in Roveredo, dem Hauptort des italienischsprachigen Misoxtales im Schweizer Kanton Graubünden, war seit 1694 sowohl für das Haus Lichtenstein zu Wien als auch für die Markgrafen von Ansbach als Architekt tätig. 1709 erlangte er die Ernennung zum fürstlich Ansbachischen Baudirektor im Range eines Hofkammerrats. Solchermaßen finanziell wie gesellschaftlich wohl bestellt, reiste er - damals bereits 39-jährig - noch im Winter 1709/1710 in seine Heimat, um dort am 11. Februar Giovanna Marta Tini zu ehelichen. Seine Frau war mit 20 Jahren noch sehr jung und folgte ihrem Ehemann nach Deutschland, was bei den Misoxer Bauleuten durchaus nicht die Regel war, denn meist verblieben die Ehefrauen in der Heimat. Hier hatten die Eheleute in relativ kurzer Zeit aufeinander folgend fünf Kinder. Die Geburt des letzten Kindes, des am 1. Juli 1715 getauften Adam Emanuel, überlebte die junge Ehefrau nur um wenige Tage; sie verstarb an Kindbettfieber. Giovanna Marta wurde in der Stiftskirche zu Herrieden bestattet.

Bald darauf übersiedelte Gabrieli nach Eichstätt, wobei der Tod der geliebten Frau und die Sorge um die Zukunft der Kinder neben beruflichen Gründen ein privater Beweggrund für sein Scheiden aus Ansbach gewesen sein dürfte.

Nachdem das Gemälde Adam Emanuel de Gabrieli als Einjährigen zeigt, muss es ein Jahr nach dem Tode seiner noch so jungen Mutter entstanden sein. Dies erklärt den eigenartig schemenhaften, ja geheimnisvollen Charakter ihres Bildnisses, die sichtbare wie fühlbare Trennung zwischen ihr und dem Kind.

Adam Emanuel schlug eine geistliche Laufbahn ein. Am 8. Mai 1745 wurde er durch Weihbischof Johann Gottfried Groß von Trockau in der Johanneskapelle des Eichstätter Domes zum Priester geweiht. Adam Emanuel, Doktor der Theologie, apostolischer Pronotar und Spitalpfarrer bei Heilig Geist, verstarb im Alter von 70 Jahren am 17. April 1785 und wurde auf dem Eichstätter Ostenfriedhof begraben. Sein Grabstein befindet sich neben dem Denkmal seines berühmten Vaters.

Das 1997 aus Privatbesitz für das Domschatz- und Diözesanmuseum erworbene Bildnis der Giovanna Marta de Gabrieli mit ihrem Sohn Emanuel ist ein rührendes Dokument der Familiengeschichte Gabrielis. Es zeigt die Liebe eines Vaters zu seinem Sohn und ist zugleich eine letzte Liebeserklärung an die viel zu früh verschiedene Ehefrau und Mutter.

Das Gemälde ist normalerweise nicht in der Ausstellung zu sehen, wird aber zurzeit im Domschatz- und Diözesanmuseum gezeigt. Es hat seit dieser Woche wieder geöffnet.

pde

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